Warum dieses Buch?
Da ich seit Anfang des Jahre ein Bullet Journal führe, schreibe ich wieder mehr von Hand. Meine krakelige Handschrift bei den täglichen Eintragungen ist ja noch zu verschmerzen, aber die ganzen Überschriften würde ich schon gerne besonders ansehnlich gestalten. So bin ich auf das Thema „Handlettering“ gestoßen und mehr als den Namen, und dass das Ergebnis meist wundervoll aussieht weiß ich auch nicht darüber. Daher habe ich mich für dieses Buch entschieden, um endlich zu lernen, ansehnlich zu schreiben.
Der erste Blick
Das Buch ist sehr schon gestaltet. Farblich harmoniert alles in Rosatönen und obwohl das nicht gerade meine Farbe ist, gefällt mir das Gesamtbild gut. Es enthält viele Bilder und noch mehr Schriftbeispiele. Unten auf der Seite steht ein Hinweis, in welchem Thema man sich bewegt, das finde ich sehr übersichtlich und so sieht man auch beim Blättern direkt wo man hin will. Hin und wieder entdecke ich Randnotizen und Kästchen mit Materiallisten. Zum Buch gehören zwei große Bögen voller Kopiervorlagen, die vor allem Schriftarten, Pausvorlagen zu Projekten und Dekoelemente enthalten.
Meinung – Inhalt und Anwendbarkeit
Wie bereits geschildert macht das Buch optisch wirklich was her. Beim Lesen und vor allem dem Versuch, meine eigenen Schönschrift zu entwickeln (wie der Titel verspricht) wurde ich jedoch enttäuscht.
Der Schreibstil der Autorin ist nett, aber für meinen Geschmack rückt sie sich selbst zu sehr in den Mittelpunkt. Schon das Vorwort enthält ihren persönlichen Weg zum Handlettering, in dem sie auch noch betont, die erste gewesen zu sein, die in Deutschland einen Handlettering Guide herausgebracht habe. Das wirkt unsympathisch auf mich und ich frage mich, warum mich ihre ganze Geschichte überhaupt interessieren soll, wenn ich doch eigentlich eher etwas zur Geschichte der (Schön-) Schrift wissen wollte. Aus dem Zusammenhang schließe ich, dass Tanja Cappell, die sich auch „Frau Hölle“ nennt, eine gewisse Fanbase hat und ich vermute einfach mal, ihr Buch soll am ehesten diese Fans ansprechen. Mich schreckt das leider erst einmal ab.
Im weiteren Verlauf schildert sie verschiedene Arten des Letterings und wie sie sich unterscheiden, auch geht sie auf diverse Schriftarten und deren Erkennungsmerkmale ein. Da ich ich noch gar nichts über das Thema weiß, gefällt mir dieser Teil ganz gut, denn ich kann wirklich etwas daraus lernen. Bezüglich Materialen wie Papier und Stifte stellt Frau Cappell ihre Favoriten für die verschiedenen Stile vor – hier finde ich das Schildern persönlicher Erfahrungen auch passend und interessant, obwohl mir das mit den vielen verschiedenen Stiften schon etwas viel wird und ich lieber mit den Stiften experimentiere die ich schon habe und die auch teilweise zu den von der Autorin empfohlenen gehören (Tombow Fudenoskuke hart und weich, Tombow Twintone und Tombow Dual Brush Pen). Beim googeln nach dem Papier stelle ich allerdings fest, dass nicht alles erhältlich ist und was ich finden kann entspricht überhaupt nicht meinen Bedürfnissen. Beispielsweise brauche ich keine Plakate zum Lettern wenn ich erst einmal nur die Technik erlernen will.
Und da sind wir auch schon beim größten Problem, das ich mit dem Buch habe: Der Titel verspricht zwar, man würde die „eigene Schönschrift“ erlernen, aber schon sehr früh wird darauf hingewiesen, dass Lettern gar nichts mit Schreiben zu tun hat sondern die Buchstaben vielmehr gemalt werden. Zur Verbesserung meiner Handschrift trägt das also allenfalls indirekt bei, indem die Muskeln in Hand und Arm gestärkt werden. Und zur „eigenen“ Schönschrift finde ich auch nichts. Natürlich muss man selbst kreativ werden um eine eigene Schrift zu entwickeln, aber das Buch weist einen förmlich an, die von der Autorin vorgegebenen Schriften abzumalen und sogar abzupausen, statt eigene Versuche zu riskieren. Selbst für die Projekte, die hinten im Buch vorgeschlagen werden, gibt es Pausvorlagen, was vielleicht hilfreich sein soll, meiner Meinung nach aber nicht gerade ermutigend wirkt, auch wenn im Text vorgeschlagen wird, selbst etwas zu schreiben. Denn wenn das perfekte Beispiel schon greifbar zum Abmalen vorliegt, wer macht sich dann noch die Mühe, selbst etwas zu gestalten, das am Ende nicht so perfekt aussieht?
Mir fehlen auch konkrete Hinweise, wie genau man üben sollte... Muss ich eine Reihenfolge einhalten? Erst etwas Neues anfangen wenn ich eine Schriftart perfekt beherrsche? Wie lange und wie oft sollte ich überhaupt üben? Übungsblätter sind auch keine dabei, lediglich zwei Zeilen pro Linienart auf der (gefalteten) Kopiervorlage, die man dann mühsam ausschneiden und zusammenkleben kann, um sich ein Übungsblatt zu basteln. Da hätte man mit wenig Aufwand etwas Nützlicheres produzieren können.
Insgesamt bin ich nicht komplett unzufrieden, da ich mithilfe des Buches einen Überblick über das Handlettering erhalten habe und mich jetzt besser entscheiden kann, was genau ich eigentlich lernen will. Und über Materialien sowie die verschiedenen Techniken und Schriftarten weiß ich jetzt auch etwas mehr, obwohl ich gerade zum Thema „Papier“ doch noch einige Unklarheiten habe.
Tanja Cappell hat ebenfalls im EMF-Verlag ein Übungsheft veröffentlicht, das möglicherweise als Ergänzung zu diesem Buch zu sehen ist und auf den ersten Blick mehr praktische Hilfe zu bieten scheint.