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10,00
inkl. MwSt
  • Verlag: Heyne
  • Themenbereich: Belletristik - Belletristik: zeitgenössisch
  • Genre: Romane & Erzählungen / Erzählende Literatur
  • Seitenzahl: 224
  • Ersterscheinung: 13.04.2021
  • ISBN: 9783453424142
Tanja Raich

Jesolo

Roman
Kinder sind kein Thema für Andrea. Sie hat einen Job, der okay ist. Sie führt seit vielen Jahren eine Beziehung mit Georg, die okay ist. Andrea will sich nicht festlegen, Georg will ein Fundament für ein gemeinsames Leben - ein Dilemma. Als sie aus dem jährlichen Urlaub in Jesolo zurückkommen, ändert sich alles – Andrea ist schwanger. Hin- und hergerissen entscheidet sie sich für das Kind – und geht damit einen Kompromiss nach dem anderen ein: Sie nimmt einen Kredit auf, obwohl sie nie Schulden haben wollte; sie zieht ins Haus ihrer Schwiegereltern, obwohl sie nie mit ihnen zusammenleben wollte. Von allen Seiten prasseln Ratschläge auf Andrea nieder, und sie wird in eine Mutterrolle gedrängt, mit der sie sich nicht identifizieren kann.

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Lesejury-Facts

Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 11.01.2020

Wie wird eine Mutter geformt?

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Andrea will keine Kinder, will in der Stadt leben und arbeitet gerne. Und dann ist sie plötzlich schwanger und zieht auf eine Baustelle im Haus ihrer Schwiegereltern mit einem Mann, den sie nicht liebt.

"Jesolo" ...

Andrea will keine Kinder, will in der Stadt leben und arbeitet gerne. Und dann ist sie plötzlich schwanger und zieht auf eine Baustelle im Haus ihrer Schwiegereltern mit einem Mann, den sie nicht liebt.

"Jesolo" liest sich nicht angenehm. Andrea verhält sich frustrierend passiv, treibt dahin, macht im Kopf Listen, dekliniert das ABC der Mutterschaft durch und träumt immer wieder von Wasser und Ohnmacht. Scheinbar wird sie, sobald sie schwanger ist, zum Spielball der Anderen, wird geformt und beeinflusst. Und kann sich nur mit unterschwellig aggressiven Aktionen wehren.

Ich habe selbst keine Kinder, habe aber oft davon gelesen, welchen Einfluss der Partner, Familie, Nachbarn, gesellschaftliche Vorstellungen auf eine Mutter nehmen.

Die Autorin Tanja Raich stellt dies so dar, als sei es unabwendbar. Als werde die Frau schwanger zum Objekt, zur Trägerin eines neuen Lebens, die von Hormonen vernebelt, stumm bleibe.

Aber Andrea ist auch bereits vor der Schwangerschaft unentschieden, hat keinen konkreten Plan für ihre Zukunft, ist mit Georg nicht glücklich. Sie weiß nur, dass sie keine Kinder will, nicht aufs Dorf ziehen will, weiter arbeiten will.

Warum zur Hölle bekommt sie dann das Kind? Die Autorin verrät es nicht.

Ich vermute, die Autorin übergeht dies aus erzählerischen Gründen, um zu verdeutlichen, welche Konsequenzen eine Schwangerschaft haben kann. Aber diese Konsequenzen warten auch auf eine Frau, die sich auf ihr Kind freut. Es kann zu großer Frustration führen, wenn die Frau zwar glückliche Mutter ist, aber nicht von ihrem Mann unterstützt wird, wenn sie aus dem Beruf ausscheidet und nicht weiss, ob die Stelle bei ihrer Rückkehr noch da ist, wenn die Anderen alles besser wissen und sich einmischen.

Ein Kind zu haben, berührt die Partnerschaft, den Beruf, die Unabhängigkeit, das Bild bei Verwandten und Nachbarn. Kindergärtenplätze, Gesetze zum Arbeitsschutz und finanzieller Unterstützung sowie zum Schwangerschaftsabbruch werden relevant.

Frauen müssen sich über ihre Wünsche klar sein, sie äußern und sich mit ihrem Partner einigen. Tut man dies nicht, kann es laufen wie in diesem Roman.

Ein sehr wichtiges Thema!

Veröffentlicht am 05.11.2020

Leider enttäuschend

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Ich weiß nicht, liegt es an mir, liegt es am Adrenalin, oder bin ich tatsächlich glücklich. Vielleicht gibt es im Leben nur wenige Momente, in denen man’s spürt. (S. 20)

Andreas Leben ist okay; ihr Job, ...

Ich weiß nicht, liegt es an mir, liegt es am Adrenalin, oder bin ich tatsächlich glücklich. Vielleicht gibt es im Leben nur wenige Momente, in denen man’s spürt. (S. 20)

Andreas Leben ist okay; ihr Job, ihre Beziehung mit Georg, alles okay. Bis sie im alljährlichen Urlaub in Jesolo aus den ihr aufgezeigten Wegen bricht: Sie will ihre Zukunft noch nicht manifestieren, doch Georg möchte ein sicheres Fundament für ihr gemeinsames Leben, eine Familie, zwei Autos, ein Haus. Hin- und hergerissen findet sich Andrea zwischen den Fronten wieder, aus dem Dilemma scheint es keinen Ausweg zu geben. Als sie aus dem Urlaub wiederkommen, ändert sich jedoch alles – sie ist schwanger. Getrieben von den Erwartungen ihrer Freunde und Bekannten entscheidet sie sich für das Kind – und für eine gemeinsame Zukunft mit Georg, geht dafür einen Kompromiss nach dem anderen ein. Sie zieht ins Haus ihrer Schwiegereltern auf dem Dorf, obwohl sie immer in der Stadt wohnen wollte; sie nimmt einen Kredit auf, obwohl sie das nie wollte. Von allen Seiten prasseln Ratschläge auf Andrea nieder, und sie wird in eine Mutterrolle gedrängt, mit der sie sich nicht identifizieren kann.
Mit prägnanter Wortwahl und lakonischem Stil begleitet Tanja Raich in ihrem Debütroman eine junge Frau in den zehn Monaten ihrer Schwangerschaft, und erzählt von den Ambivalenzen von Beziehung, Schwangerschaft und Familie sowie gesellschaftlichen Rollenzuschreibungen. Andrea leidet darunter, fügt sich unverständlicherweise jedoch allen Plänen der Familie ihres Freundes, trifft selbst keine bewussten Entscheidungen. Ihre scheinbar willenlose Art und ihre Unfähigkeit, ihre Bedenken zu kommunizieren, hat mir das Lesen sehr anstrengend gemacht. Bis zuletzt nimmt sie einfach alles hin, fügt sich ein, ohne auch nur ansatzweise querzuschlagen. Diese passive Art setzt die Autorin sprachlich jedoch wunderbar um: Der Roman lebt von seiner depressiven Stimmung, kurzen Sätzen und Monologen sowie der Erzählperspektive aus der zweiten Person. Zweifelsohne versucht Tanja Raich ein wichtiges Thema aufzubereiten, und so hat die Botschaft des Romans mich durchaus erreicht, doch insgesamt bin ich enttäuscht von dem Roman.

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Veröffentlicht am 17.08.2020

Stillleben der Spießigkeit

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Jesolo, ein piefiger Familienurlaubsort, der in die Jahre gekommen ist. Szenerie und Stimmung ist von der ersten Seite an klar gesetzt. Der Titel gibt den ersten Klang im Text: Jesolo - nicht mehr nicht ...

Jesolo, ein piefiger Familienurlaubsort, der in die Jahre gekommen ist. Szenerie und Stimmung ist von der ersten Seite an klar gesetzt. Der Titel gibt den ersten Klang im Text: Jesolo - nicht mehr nicht weniger.

Die Protagonistin Andrea, 35 Jahre alt, ist von der eigenen Lebenswelt und vor allem vom Lebensgefährten maßlos gelangweilt und vermisst die große weite Welt in vielen Hinsichten. Sie empfindet Familie als einzwängendes Korsett und möchte dem alltäglichen entrinnen.

Sie wird schwanger und es wird die Geschichte ihrer Schwangerschaft erzählt - und es ist keine Gute. Nebenbei arbeitet sie ihre eigene schwierige Kindheit auf.

Wer dieses Buch gelesen hat wird entweder depressiv oder will weder Kinder noch in einem Dorf leben.



Hinzu kommt die ermüdende Erzählform, denn der Text ist aus ihrer Sicht an ihren Partner gerichtet.



In einer Beziehung erlebt man im besten Fall Geborgenheit, einen Partner mit dem die eigenen Wünsche in Erfüllung gehen, dem man grenzenlos Vertrauen schenken kann, viel Freude miteinander teilt und das Leben genießen kann.

Was tut man aber, wenn die erste Verliebtheit abflaut oder gar die ersten Jahre ins Land gegangen sind und man selbst merkt, dass die Vorstellung über die Zukunft des Partners nicht die eigenen sind?

Wie weit darf die Zuneigung aus Verbundenheit den eigenen Wünschen und Lebensvorstellungen im Widerspruch stehen? Und was tun wenn man in ein Leben hingeratene ist, was man so gar nicht wollte?



Dies ist das Grundgedankenspiel des Romans von Tanja Raich.

Aus der Ich-Perspektive beschreibt sie die rationalen wie irrationalen Handlungen und Gedanken, die mit diesem inneren Krieg und der Krise der Leidenden zusammenhängt.

Sicher fragte ich mich des Öfteren warum sie den Kerl nicht verlässt und sich neue Perspektiven eröffnet, aber genau das ist ja das Schwere. Der Sprung ins Unbekannte - es gibt viel zu gewinnen, aber eben doch auch viel zu verlieren. Ich finde ihre passive Haltung anstrengend und wenig selbstbestimmt.



Ach, und nicht zu viel Italien erwarten trotz Titel und Auftakt. Kann falsche Erwartungen wecken. Wobei Erwartungen sehr wohl ein zentrales Thema des Romans darstellt.


Fazit: Der Roman trifft den Kern der Misere, es ist nur die Frage, ob man das Ganze mitdurchleben möchte in Buchform.

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