Selbstbestimmtes Sterben oder Leid ohne Ende?
Hervorragend recheriert, dezidiert und differenziert geschrieben, exzellent recheriert und sehr lesenswert erfährt mehr über Suizid.
Wenn ein Mensch sich infolge von Depressionen das Leben nimmt, stellt ...
Hervorragend recheriert, dezidiert und differenziert geschrieben, exzellent recheriert und sehr lesenswert erfährt mehr über Suizid.
Wenn ein Mensch sich infolge von Depressionen das Leben nimmt, stellt sich die Frage, ob dies selbstbestimmt ist im eigentlichen Sinne des Wortes, und nicht eher dem Leid der Erkrankung geschuldet. Hat sich seit Robert Enkes Tod grundlegend etwas geändert?
Suizid ist immer noch ein großes Tabu. Selbst wenn jemand terminal irreversibel erkrankt ist und selbstbestimmt von eigener Hand sterben will, polarisiert das ohne Ende.
In diesem hervorragend recherierten Buch von Thomas Macho behandelt er den Suizid in der Moderne, nachdem die Macht der Kirchen spürbar abnahm und viele Umwälzungen alles auf den Kopf zu stellen schien..
In 13 Kapiteln geht er auf verschiedene Aspekte ein. Wem gehört mein Leben? Suizid vor der Moderne, Werther-Effekte, Fin-de-Siècle-Suizide, Suizide in der Schule, Suizid, Krieg und Holocaust, Philosophie des Suizids in der Moderne, Suizid der Menschengattung, Praktiken des politischen Suizids, Suizidaler Terrorismus, Bilder meines Todes: Suizid in den Künsten, Orte des Suizids, Debatten um Sterbehilfe und assistierten Suizid und ein Nachwort.
Er bringt dafür zahllose Beispiele aus Literatur und Realität, aus Biographien von ( bekannten ) Menschen, die durch eigene Hand starben, der Historie, im Windschatten von geschichtlichen Katastrophen.
Es ist eine psychosoziale Kulturhistorie des Freitodes. Er spürt ihm ebenso im popkulturellen Kontext nach. Was fasziniert auf dunkle Weise soviele Künstler daran? Warum fasziniert und stößt dieses Phänomen zugleich ab? Ruft Angst und Abwehr hervor, sowie Unverständnis aber zugleich ein Bedürfnis es verstehen zu wollen?
Ich finde es gut, daß er ebenso auf Suizid im politischen und terroristischen Rahmen eingeht, denn da spielen Zwang, Verzweiflung und je nachdem auch Verblendung hinein.
Orte des Suizids ist ebenso sehr interessant, weil wohl jeder von uns solche Lokalitäten nennen kann, die Menschen, die ihrem Ende ein Leben setzen wollen, "magisch" anziehen. Oder der Nachahmungseffekt, den man seit Goethe den Werther-Effekt nennt.
Das Buch ist sehr informativ, aufschlußreich, nicht trocken, hat diverse SW-Abbildungen, Anmerkungen und ein Namensregister. Sollte man nicht verpassen!