Titanen unter sich
Thomas Mann war ein begeisterter Goethe-Leser und ein großer Kenner von dessen Leben und Werk. In seinen Essays über den Titanen der deutschen Literatur zitiert er kenntnisreich aus Primär- und Sekundärliteratur. ...
Thomas Mann war ein begeisterter Goethe-Leser und ein großer Kenner von dessen Leben und Werk. In seinen Essays über den Titanen der deutschen Literatur zitiert er kenntnisreich aus Primär- und Sekundärliteratur. Als Leser lässt man sich nur zu gerne fesseln und vergisst dabei leicht, dass hier kein Literaturwissenschaftler mit fundierter Rechercheleistung spricht, sondern ein Künstler, der selbst Dichtung schafft. Im Anhang ist nur zu oft zu lesen, wo sich Mann vertan, falsch zitiert oder zugeordnet hat. Das beeinträchtigt den Spaß an der Lektüre allerdings nicht. Die Beweihräucherung Goethes hält sich dabei in Grenzen zu Gunsten von Textinterpretation und Editionsgeschichte. Besonders fesselte mich der längste Essay „Goethe und Tolstoi“ zwei Titanen, die erstaunlich viele Gemeinsamkeiten haben.
Es empfiehlt sich allerdings nicht die Essay-Sammlung am Stück zu lesen. Je weiter man kommt desto häufiger findet man Abschnitte, die Mann von sich selbst abgeschrieben hat. Ganze Passagen sind identisch und das wird nervig.
Als ein Leser, der weder von Goethe noch von Mann viel hält war ich äußerst positiv von diesem Buch überrascht. Literaturwissenschaftliche Abhandlungen und Essays interessieren mich immer und das hat mich wieder dazu gebracht zu einem Buch zu greifen, das eigentlich weit außerhalb meines Interessenfeldes liegt. Ich habe es nicht bereut. Ein hochinteressantes Werk, das vor allem in der „Ansprache im Goethejahr 1949“ auch einen Blick auf das Nachkriegsdeutschland und Exilliteraten wirft.