Eine bewegende Geschichte
Tiền ist ein schüchterner Junge, der seinen Eltern zuhause gerne Märchen vorliest. Vor allem für ihn und seine Mutter, die als junge Frau aus Vietnam flüchten musste, sind diese Geschichten eine Form der ...
Tiền ist ein schüchterner Junge, der seinen Eltern zuhause gerne Märchen vorliest. Vor allem für ihn und seine Mutter, die als junge Frau aus Vietnam flüchten musste, sind diese Geschichten eine Form der Kommunikation, die ihnen ermöglicht, ihre Gefühle auszudrüciken. In der Schule hat Tiền nur zwei Freunde: Claire und Julian. Als er sich in Julian verliebt, wird die Schulleitung darauf aufmerksam und droht, Tiềns Geheimnis auffliegen zu lassen. Wie soll aber er die Worte finden, um mit seiner Familie über alles zu sprechen?
„Der magische Fisch“ ist die erste Graphic Novel des auch als Trungles bekannten Comiczeichners und Illustrators Trung Le Nguyen. Die Geschichte besteht aus insgesamt drei Handlungssträngen: die Gegenwart, in der Tiền und seine Familie leben, die Vergangenheit, in welcher Mutter und Vater aus Vietnam fliehen sowie die drei Märchen, die Tiền vorliest. Besonders ist dabei, dass jeder dieser Stränge seine eigene Farbgebung und eigenen Zeichenstil hat. Die Märchen sind dunkelblau und eher verspielt, die Vergangenheit gelb und etwas reduzierter, die Gegenwart rot und eher realistisch. So ist auf einem Blick ersichtlich, in welcher Ebene wir uns gerade befinden.
Tiềns Homosexualität ist ein zentrales Element der Graphic Novel. Er selbst zweifelt nicht, sondern weiß sehr gut, wer er ist – nur die Reaktion seiner Umwelt bereitet ihm Sorgen. Die Schule reagiert überfordert und Tiền wird gezwungen, ein Gespräch mit einem Priester zu führen und schließlich wird auch die Mutter informiert – Szenen, die unglaublich wütend machen, weil einem Jungen so die Möglichkeit genommen wird, sich im eigenen Tempo und auf eine selbst gewählte Weise zu outen.
Die Beziehung zwischen Tiền und seiner Mutter wird davon bestimmt, dass sie eigentlich keine gemeinsame Sprache haben. Der Sohn ist mit Englisch aufgewachsen, die Mutter mit Vietnamesisch und so nutzen die beiden die Märchen, um über Dinge zu kommunizieren, für die sie einfach keine Worte haben. Diese Erzählungen sind es auch, die Tiềns Mutter erlauben werden, mit ihm über seine Identität zu sprechen. Was für eine bewegende Geschichte!