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Veröffentlicht am 18.11.2024

Interessante Reihe mit verschenktem Potenzial

Vor der Stille
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Im Emsland wird eine junge Frau – Lisa Kramer - tot aus einem Kanal geborgen, doch bei der Obduktion wird Leitungswasser in der Lunge gefunden; Lisa muss also an einem anderen Ort gestorben sein. Die örtliche ...

Im Emsland wird eine junge Frau – Lisa Kramer - tot aus einem Kanal geborgen, doch bei der Obduktion wird Leitungswasser in der Lunge gefunden; Lisa muss also an einem anderen Ort gestorben sein. Die örtliche Sonderkommission ruft daher Hauptkommissarin Hanna Will und Kriminalpsychologe Jan de Bruyn zur Hilfe. Als ungleiches Ermittlerteam haben sie schon einige verzwickte Fälle gelöst, doch bei diesem kommen ihnen auch persönliche Dinge in die Quere.

„Vor der Stille“ ist bereits der dritte Band rund um Hanna Will und Jan de Bruyn. Neben dieser Reihe schreibt Autorin Anna Johannsen noch an einer weiteren; die „Inselkommissarin“ spielt auf den Nordfriesischen Inseln und umfasst bereits elf Bände. Die Handlung wird abwechselnd aus Hannas und Jans Perspektive in der dritten Person und der Vergangenheitsform erzählt. So erfahren wir als Leser/-innen gleichermaßen, was in ihren Köpfen vorgeht. Das private Geplänkel zwischen den beiden war mir persönlich jedoch manchmal etwas zu viel, da gleichartige Szenen sich stets wiederholen.

Ich muss zugeben, dass ich die ersten beiden Bände der Reihe nicht gelesen habe; für das Verständnis des Kriminalfalls ist das aber auch nicht vonnöten. Was hingegen fehlte, ist die Vorgeschichte zu Hannas und Jans Team, deren Vergangenheit und wie es dazu kam, dass die beiden nun etwas mehr als Kollegen sind. Aus diesem Band geht für mich auch nicht recht hervor, was die beiden so besonders macht, denn es sind mehr zufällige Entdeckungen, die den Fall voranbringen und nicht unbedingt Hannas und Jans spezielle Fähigkeiten.

Der Mordfall ist thematisch mit dem Influencerdasein und dem Einstellen von Nacktbildern auf gewissen Plattformen verbunden, was schnell zu einer Fülle an männlichen Verdächtigen führt, die alle – vorsichtig formuliert – nicht unbedingt Sympathieträger sind. Dazu hätte ich mir einen Hinweis auf dem Klappentext gewünscht, denn sexuelle Gewalt ist hier omnipräsent. Zudem führen die vielen möglich Täter, die teilweise auch recht spät eingeführt werden, dazu, dass als Leser/-in das Mitraten schwerfällt.

Fazit: Eine interessante Krimi-Reihe, die Potenzial verschenkt

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Veröffentlicht am 11.11.2024

Kurzweiliger Roman

Das kleine Café der zweiten Chancen
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Ein Unfall hat das Leben der Schülerin Himari Misaki komplett verändert. Seitdem ist ihre Karriere als Pianistin beendet und sie zieht zurück zu ihrer Mutter und Schwester nach Sapporo. Auf dem Weg zu ...

Ein Unfall hat das Leben der Schülerin Himari Misaki komplett verändert. Seitdem ist ihre Karriere als Pianistin beendet und sie zieht zurück zu ihrer Mutter und Schwester nach Sapporo. Auf dem Weg zu ihrem ersten Schultag ist Himari voller Angst, aber eine freundliche ältere Dame tröstet sie. Am nächsten Tag ist die Frau jedoch verschwunden, auch ihr Haus ist nicht mehr da und niemand erinnert sich an sie. Also macht sich die Schülerin auf den Weg zum „Tacet Yuguredo“, einem Café, das die ältere Dame ihr empfohlen hat. Dort, so erfährt sie, kann man in der Zeit zurückreisen – kann Himari so ihren Unfall rückgängig machen?

„Das kleine Café der zweiten Chancen“ ist der erste Roman der Mangaka Shiori Ota und wurde von Anemone Bauer ins Deutsche übersetzt. Erzählt wird aus der Perspektive der Protagonistin Himari in der Ich- und Vergangenheitsform. Da diese schon bald feststellt, dass sie eine so genannte „Zeitwächterin“ ist, können wir mit ihr und den Gästen des Cafés in die Vergangenheit reisen. Damit ähnelt die Geschichte sehr deutlich der bekannten „Bevor der Kaffee kalt wird“-Reihe, nur dass hier bei einer Reise in Vergangenheit die Zukunft verändert werden kann. Diese dauert jedoch nur genau 4 Minuten 33 Sekunden, so lange es benötigt, um einen Kaffee von Hand aufzubrühen.

Zuhause fühlt Himari sich nicht mehr wohl. Ihre Mutter hält noch immer ihren Karriereplänen fest, obwohl ihre Tochter nicht mehr Klavier spielen kann. Der Vater lebt im Ausland und ihre Schwester straft Himari mit Missachtung. Nur im Café „Tacet“ bei den Inhabern Hayare und Higure, Hund Mokka und dem Stammgast Kobayashi fühlt sie sich geborgen. Als sie erfährt, dass sie selbst ihre eigene Vergangenheit nicht verändern kann, ist sie zunächst untröstlich, aber vielleicht kann sie ja anderen auf ihrem Weg helfen?

„Das kleine Café der zweiten Chancen“ ist ein Mix aus einer zusammenhängenden Romanhandlung und kurzen Episoden, in denen im Café eine Person in die Vergangenheit reist. In eine dieser Zeitreisen wird Himari selbst verwickelt, was sie sehr emotional und mitreißend macht. Das Ende des Romans kommt dann aber sehr plötzlich und deutet klar auf einen zweiten Band hin.

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Veröffentlicht am 09.11.2024

Wichtiger Roman, aber manchmal etwas überfrachtet

Was wir nicht kommen sahen
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Eines Abends verlässt die 18-jährige Ada das Haus und nimmt sich mit einem Sprung von der Brücke das Leben. Zurück bleiben Jenny und Dominik, ihre Eltern, die vom Tod ihrer Tochter völlig überrascht sind. ...

Eines Abends verlässt die 18-jährige Ada das Haus und nimmt sich mit einem Sprung von der Brücke das Leben. Zurück bleiben Jenny und Dominik, ihre Eltern, die vom Tod ihrer Tochter völlig überrascht sind. Ada war doch glücklich? Vor kurzem erst hatte sie sich eine solide Followerschaft mit ihren Gaming-Streams erarbeitet und das Hobby schien ihr Spaß zu machen. Doch dann stößt Jenny auf erste Hinweise und geht ihnen nach. Vor ihr tut sich ein Abgrund auf, vom dem sie bisher nichts geahnt hatte.

„Was wir nicht kommen sahen“ ist der neue Roman der Autorin Katharina Seck, die in den unterschiedlichsten Genres zuhause ist. Die Handlung wird abwechselnd aus der Perspektive von Ada und Jenny in der dritten Person und dem Präsens erzählt, was der Geschichte eine gewisse Unmittelbarkeit verleiht. Zwischendurch sind immer wieder Kapitel eingestreut, in denen „die Anonymität“ zu Wort kommt; das sind Menschen, die direkt oder indirekt zu Adas Selbstmord beigetragen haben. Interessant ist an der Erzählweise außerdem, dass sie mit Adas Tod beginnt und dann sowohl in der Gegenwart (in den Ermittlungen Jennys), als auch der Vergangenheit (in Adas letzten Wochen) weiterläuft.

Mit Stichworten wie Cybermobbing, Doxxing und Swatting greift die Autorin sehr zeitgemäße, aber auch wichtige Themen auf, die zeigen, welches Ausmaß die Gewalt im Internet bzw. den sozialen Medien annehmen kann, ohne dass die Täter ihrem Opfer auch nur einmal begegnen müssen. Auch die so genannte Incel-Bewegung wird aufgegriffen, die in Ada als Frau, die ihre Meinung sagt, eine starke Bedrohung empfindet. Doch das Buch zeigt auch, wie Unbeteiligte zu Mitläufern werden – um nicht aufzufallen oder zum Außenseiter zu werden.

„Was wir nicht kommen sahen“ ist ein emotionales und wichtiges Buch, das ich durchaus als zukünftige Schullektüre sehe. Manchmal merkt man ihm jedoch stark an, dass die Autorin auch aktivistisch tätig ist, denn es werden sehr viele Schlagworte verwendet und weitere Themen kurz angerissen, so dass alles etwas überfrachtet wirkt. Das tut der Bedeutsamkeit der Geschichte jedoch keinen Abbruch.

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Veröffentlicht am 30.10.2024

Wunderbare Wohlfühlrezepte

Ottolenghi Comfort
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Was ist eigentlich Comfort Food? Diese Frage beantwortet Koch und Autor Yotam Ottolenghi in seinem neusten Kochbuch „Comfort“. In der Einleitung geht es zunächst darum, welche Kriterien solche Gerichte ...

Was ist eigentlich Comfort Food? Diese Frage beantwortet Koch und Autor Yotam Ottolenghi in seinem neusten Kochbuch „Comfort“. In der Einleitung geht es zunächst darum, welche Kriterien solche Gerichte erfüllen müssen: sie sollen nahrhaft, bequem zubereitbar, nostalgisch und genussvoll sein – auch wenn natürlich jeder von uns ganz eigene Vorstellungen von „Wohlfühlessen“ hat. Gemeinsam mit seinen Mitarbeiterinnen Helen Goh, Verena Lochmuller und Tara Wigley hat Ottolenghi hier nun wunderbare Rezepte zusammengetragen – aus den unterschiedlichsten Kategorien und Länderküchen, die sich alle aus der Herkunft und den Lebensläufen des Teams ergeben.

Jedes Rezept ist dabei sehr übersichtlich aufgebaut: In der linken Spalte sind die Zutaten und ggf. benötigten Utensilien zu finden; in der rechten folgen zunächst einleitende erklärende, manchmal aber auch persönliche Worte und dann die Zubereitungsanleitung in gut gegliederten Absätzen. Ergänzt wird alles durch den tollen Fotos von Jonathan Lovekin, die bei manchen Rezepten sogar eine Doppelseite mit Schritt-für-Schritt-Bildern einnehmen. Schön fand ich auch, dass zwischendurch Fotos des Teams bei der Arbeit oder beim gemeinsamen Essen zu sehen sind.

Im Buch sind Rezepte aus allen Rubriken vorhanden, die für mich unter das perfekte Comfort Food fallen, so zum Beispiel Suppen, Eintöpfe, Nudelgerichte, Frittiertes und Gebratenes, Nachtisch oder Gebäck. Es gibt süße und herzhafte Gerichte, solche aus dem europäischen oder dem asiatischen Raum, Fusionküche, mit Fleisch oder ohne – hier wird sicherlich jede
r etwas für sich finden können. Was als nächstes ausprobiert werden soll, kann mit einem von zwei bunten Lesebändchen markiert werden, was ich ich sehr praktisch finde. Auf den letzten Seiten ist schließlich noch ein alphabetisches Register nach Rezepten und Grundzutaten zu finden.

Comfort Food schmeckt am besten in Gemeinschaft, es spendet uns Trost und gibt Halt, weil wir so einen Teil unserer Kultur oder unserer Kindheit immer mit uns nehmen können – egal wo wir leben. All das bringt „Comfort“ wunderbar zum Ausdruck.

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Veröffentlicht am 27.10.2024

Emotionaler Roman über das Erwachsenwerden unter schwierigen Umständen

Mandel
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Schon seit seiner Geburt kann Yunjae keine Emotionen empfinden; Gefühle wie Wut, Angst oder Freude sind ihm fremd und unverständlich. In der Schule gilt er daher als psychopathischer Außenseiter, aber ...

Schon seit seiner Geburt kann Yunjae keine Emotionen empfinden; Gefühle wie Wut, Angst oder Freude sind ihm fremd und unverständlich. In der Schule gilt er daher als psychopathischer Außenseiter, aber sein Leben zuhause mit Großmutter, Mutter und dem kleinen Buchladen, den sie führen, ist ein gutes. Mit Übungen und kleinen Zetteln versucht seine Mutter, Junjae angemessene Reaktionen beizubringen und ihm so den Umgang mit anderen zu erleichtern. Doch dann lässt ein furchtbares Ereignis den 16-Jährigen allein zurückbleiben.

„Mandel“ ist der Debütroman der südkoreanischen Schriftstellerin, Regisseurin und Drehbuchautorin Won-pyung Sohn und wurde von Sebastian Bring ins Deutsche übersetzt. Der Titel bezieht sich darauf, dass Yunjaes Mutter ihm jeden Tag Mandeln zu essen gibt, weil sie hofft, dies würde seine Alexithymie – so heißt seine Krankheit – heilen. Die Handlung wird in vier Teilen sowie einem Pro- und Epilog von Yunjae selbst erzählt, so dass für uns Leser*innen etwas greifbarer wird, was in seinem Inneren vor sich geht.

Ohne die Hilfe seiner Großmutter und Mutter fehlt dem Jungen zunächst jeder Anker. Um eine gewisse Routine beizubehalten, versucht er, das Antiquariat der Familie über Wasser zu halten; Hilfe erhält er dabei von Dr. Shim, dem örtlichen Bäcker. Nachhaltig verändert sein Leben sich jedoch, als seltsame Umstände ihn mit Gon zusammenführen, einem neuen Jungen an seiner Schule. Der empfindet Yunjae, der keine Furcht spüren kann, geradezu als Provokation, kann er doch die restlichen Schüler problemlos herumschubsen. Doch nach und nach freunden die ungleichen Jungen sich an und teilen ehrliche Gespräche miteinander.

Als Yunjae älter wird, scheint sich nach und nach etwas an seiner Alexithymie zu verändern. Besonders spürt er das im Umgang mit Mitschülerin Dora, die ihn als einzige nicht meidet, doch das fröhliche Mädchen und Gons aggressives Auftreten wollen nicht zueinander passen. „Mandel“ ist ein emotionaler Roman über das Erwachsenwerden unter schwierigen Umständen und vor allem über Freundschaft. Das Ende wirkte, für mich persönlich, jedoch etwas aufgesetzt.

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