Sprachlich intensiv, inhaltlich bewegend
Eine Hamburger Lehrerin entdeckt auf einem alten, reichlich verschwommenen und unscharfen Foto, das Wehrmachtssoldaten bei der Erschießung von russischen Zivilisten zeigt, ihren Vater als einen der Schützen.
Obwohl ...
Eine Hamburger Lehrerin entdeckt auf einem alten, reichlich verschwommenen und unscharfen Foto, das Wehrmachtssoldaten bei der Erschießung von russischen Zivilisten zeigt, ihren Vater als einen der Schützen.
Obwohl ihr Vater schon sehr alt ist und mittlerweile in einem Seniorenheim lebt, beschließt sie, ihn zur Rede zu stellen und herauszufinden, ob er auf dem Bild zu sehen ist oder nicht. Sie stellt ihm also die berüchtigte Frage, was er denn im Krieg gemacht hätte. Eine Reise in eine finstere Zeit beginnt...
Das Buch – ca. 280 Seiten dick – ist sehr schnell zu lesen; ich hatte es nach zwei Tagen schon durch. Natürlich wird man als Leser sofort von der Frage gepackt, ob denn wirklich der Vater auf den Bildern zu sehen ist – die Auflösung auf den letzten Seiten ist verhältnismäßig verblüffend.
Der Weg dorthin führt über ein abwechslungsreich erzähltes Kaleidoskop eines Soldatenschicksals in den vierziger Jahren an der Ostfront, grausamsten Krieg, den die Menschheit jemals erleiden musste. Ulla Hahn findet sehr durchschlagende, effektvolle Formulierungen, die den Horror von damals gut in Worte fassen:
„Als wir uns raustrauen, ist das Gelände mit den Leichen russischer Soldaten übersät. Ein Panzer rollt darüber. Ein zweiter, dritter durch den blutigen Brei. Grausige Überreste in den Raupenketten. Von Menschen. Sogar unser Feldwebel bebt vor Entsetzen. Dazu die Schreie. Schreie von Verwundeten, Schreie von Wahnsinnigen...“ (Seite 39 in meiner 2006 erschienenen, zweiten Auflage).
Der Stil des Buches ist unmittelbar und an Stellen wie der soeben zitierten ziemlich verstörend. Ich habe in Paul Carells Buch „Unternehmen Barbarossa im Bild. Der Russlandkrieg fotografiert von Soldaten (Berlin 1967)“ eine Fotographie gesehen, die dem geschilderten Bild oben recht ähnlich sieht, woran man die Realitätsnähe und Wirklichkeitstreue von Ulla Hahns Buch doch gut sehen kann.
„Unscharfe Bilder“ ist aber nicht nur ein grausiger Frontbericht, sondern auch eine unaufdringliche Lehrstunde über Schuld, Vergessen und Erinnerung. Ich habe das Buch nachdenklich und tief bewegt zur Seite gelegt, als ich es gelesen hatte.