Cover-Bild Geisteswissenschaften
Band 26 der Reihe "Essener Unikate / Berichte aus Forschung und Lehre"
7,50
inkl. MwSt
  • Verlag: Universität Duisburg - Essen SSC
  • Themenbereich: Biografien, Literatur, Literaturwissenschaft - Literatur: Geschichte und Kritik
  • Genre: keine Angabe / keine Angabe
  • Ersterscheinung: 25.07.2005
  • ISBN: 9783934359260
Ulrich Schmitz, Ursula Renner, Gunter E Grimm, Ulrike Pospiech, Johannes F Lehmann, Kurt O Seidel, Christoph Chlosta, Helga Karrenbrock, Eva Lipkowski, Werner Schöneck, Rupprecht S Baur, Ulrike Hass, Clemens Kammler, Jochen Vogt

Geisteswissenschaften

Germanistik: Arbeit an/in der Kultur
Katrin Schmuck (Illustrator)

Vor einigen Jahren konnte man allerorten in den Feuilletons auch angeblich seriöser Meinungsveröffentlicher süffisante Kommentare darüber lesen, dass die Germanistik verzweifelt auf der Suche nach ihren Gegenständen sei. Daran war immerhin so viel richtig, dass von denen, die diese Wissenschaft professionell betreiben, intensiv darüber diskutiert wurde, ob die hergebrachten Themen nicht einerseits nach Streichungen, andererseits nach Ergänzungen verlangten. Ist etwas falsch daran, wenn eine Wissenschaft über ihre Gegenstände reflektiert? Eine rhetorische Frage. Das gleiche Problem wurde, nebenbei bemerkt, in anderen Geisteswissenschaften, insbesondere in den Philologien ebenfalls diskutiert; nur nahm man davon in den Medien nicht so viel Notiz – möglicherweise wäre man sonst ja auch ins Nachdenken geraten.

Die Germanistik hat diesen Prozess der Selbstreflexion und Neubestimmung unbeschadet überstanden. Es war nicht der erste in der Geschichte dieser Wissenschaft, und er wird auch hoffentlich nicht der letzte sein. Wesentlichen Anteil an den Diskussio-nen hatte die Frage, ob die Germanistik sich unter kulturwissenschaftlichem Aspekt neu definieren und ihre Gegenstände entsprechend bestimmen müsse. Manche sahen darin die Gefahr, dass die Germanistik als Einzelwissenschaft dann zu einer bloßen Zulieferin für eine übergeordnete (an den Universitäten übrigens kaum irgendwo vorhandene!) Disziplin 'Kulturwissenschaft' werden könne und dann nicht mehr die Möglichkeit habe, eigenen Erkenntnisinteressen nachzugehen. Man sah also die Gefahr eines Profilverlustes; und in einer Gesellschaft, die sich zunehmend nach Prinzipien der Werbung gestaltet, ist Profilverlust natürlich tödlich. Andere Mitglieder der ger-manistischen 'Zunft' waren dagegen der Meinung, dass es in allen Geisteswissenschaften immer primär um kulturelle Aspekte gegangen sei, dass also auch hinter der Germanistik stets ein kulturwissenschaftlicher Impetus gestanden habe und dass sich mit-hin, da sich die Kultur ändere, auch die Fragestellungen der Germanistik ändern müssten.

Die Mehrheit der Germanistinnen und Germanisten neigt heute wohl der zweiten Meinung zu. Das fällt insofern auch recht leicht, als aus der Einbindung der eigenen Themen in einen übergreifenden kulturwissenschaftlichen Fragehorizont ein Profilverlust eigentlich gar nicht resultieren kann. Denn so, wie eine kulturwissenschaftliche Ger-manistik darauf angewiesen ist, von einer allgemeinen Kulturwissenschaft etwas über Relevanz und fachübergreifende Kontexte ihrer Ergebnisse zu erfahren, so ist eine allgemeine Kulturwissenschaft auf kompetente Beiträge spezialisierter Disziplinen an-gewiesen, wenn sie nicht vor sich hin dilettieren will. Spezialistinnen für deutsche Sprache und Literatur werden also weiter benötigt werden, auch wenn sie sich (was sie aber eigentlich in der langen Geschichte ihrer Disziplin in ihrer Gesamtheit nie gemacht haben) in ihren Kenntnissen nicht auf deutsche Sprache und Literatur beschrän-ken können, und auf Sprache und Literatur ebenso wenig. Denn auch wenn die mo-dernen Gesellschaften zunehmend weniger von Wissen als von Unterhaltung geprägt werden, wird niemand ernsthaft bestreiten wollen, dass es eine sinnvolle Sache ist, sich auch mit deutscher Sprache und Literatur zu beschäftigen.

Schon die Bezeichnungen einiger germanistischer Teilfächer an der Universität Duisburg Essen, die sich von denen an manchen anderen Universitäten unterscheiden, zeigen, dass man es hier besonders ernst damit meint, bei aller notwendigen Spezialisie-rung übergreifende Themenzusammenhänge nicht aus dem Auge zu verlieren: Literaturwissenschaft statt 'neuere deutsche Literaturwissenschaft', Linguistik statt 'Sprachwissenschaft', germanistische Mediävistik statt 'Ältere Germanistik' oder 'Deutsche Philologie'. Das auf die Zusammenschau möglichst vieler sinnvoller Aspekte ausgerichtete Duisburg-Essener Profil ist ferner dadurch gekennzeichnet, dass der Bereich Deutsch als Fremdsprache/Deutsch als Zweitsprache hier in die Germanis-tik integriert ist. Ferner gibt es einen Schwerpunkt Literaturvermittlung und Medienpraxis, der gleichermaßen theoretisch wie berufspraktisch orientiert ist und in dem, früher als an allen anderen deutschen Universitäten, insbesondere die Filmwissenschaft in germanistische Fragestellungen einbezogen wurde. Und dass alle diese Bereiche auch Eingang finden in die Ausbildung von Lehrerinnen und Lehrern des Fachs Deutsch aller Schulstufen, versteht sich von selbst. Schon rein quantitativ war diese Ausbildung hier immer ein Schwerpunkt, und unsere Vertreter der Sprach-, Literatur- und Mediendidaktik sind, wie man ohne jede Übertreibung feststellen kann, führend bei der Entwicklung neuer Unterrichtsmaterialien, didaktischer und methodischer Konzepte. Das betrifft nicht nur die traditionellen Printmedien, sondern auch die neuen elektronischen Medien. Alle germanistischen Teilfächer verfügen unter ande-rem über eine bemerkenswerte Internetpräsenz.

Einen kleinen Ausschnitt aus dem breiten Arbeitsbereich der Germanistik an der Universität Duisburg-Essen wollen wir Ihnen mit dieser Ausgabe der UNIKATE vorstellen; es kann wirklich nur ein kleiner Ausschnitt sein, und wer an einem größeren Überblick interessiert ist, der kann sich in unseren Forschungsverzeichnissen einen Überblick verschaffen. Trotz der Begrenztheit des Überblick ist das, was Sie in diesem Heft lesen können, repräsentativ: Sie finden hier einerseits das enge Nebeneinander von Forschung, Lehre und außeruniversitärer Perspektive 'unserer' Germanistik dokumentiert. Dieses Nebeneinander wird zum In- und Miteinander dort, wo die präsentierten Forschungsergebnisse Bedeutung in verschiedenen Bereichen der primären und der Weiterbildung haben; entsprechende Impulse reichen dann über die Lehrerausbildung in den Bereich der Schule weiter. Ferner zeigt sich in allen Beiträgen die starke Affinität zu interdisziplinären Themenstellungen und Arbeitsweisen; sie greifen aus in Dis-ziplinen wie Geschichte, Kunstgeschichte, Mediengeschichte und Medientheorie, Soziologie und Mentalitätsgeschichte.

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