Was habe ich eigentlich aus dem gemacht, was mir geschenkt worden ist?
Was habe ich eigentlich aus dem gemacht, was mir geschenkt worden ist?
„Ich weiß nicht, ob ich auf mein eigenes Sterben vorbereitet bin. Ich hoffe es. Was ich gelernt habe, ist, dass ich nichts verschiebe. ...
Was habe ich eigentlich aus dem gemacht, was mir geschenkt worden ist?
„Ich weiß nicht, ob ich auf mein eigenes Sterben vorbereitet bin. Ich hoffe es. Was ich gelernt habe, ist, dass ich nichts verschiebe. Ist man gesund und munter und jung genug, will man von diesem Thema nichts wissen, es ist zu weit weg. Ist man selbst Mittelpunkt des Themas, gibt es kein Später oder Irgendwann.“
Der Journalist und Autor Uwe Schulz, der zudem auch als Radiomacher und Medientrainer tätig ist, befasst sich in seinem Buch „Nur noch eine Tür“ mit einem Thema, das alle Menschen früher oder später betrifft. Er präsentiert seinen Lesern wahre Geschichten – Geschichten vom Sterben und vom Tod, vermeidet es hierbei jedoch, ermahnend oder belehrend zu wirken. Der Tod ist ein Thema, das die meisten meiden, mit dem sie sich erst dann auseinander setzen, wenn die Situation sie dazu zwingt. In insgesamt siebzehn Kapiteln lässt der Autor Interviewpartner zu Wort kommen, die er zu diesem Thema befragte, und zum Teil sehr tiefe Einblicke in ihr Gefühls- und Gedankenleben gaben, zum Teil sogar posthum durch Tagebucheinträge aus den letzten Tagen ihres Lebens. Durch die größtenteils emotionalen Berichte und Erzählungen erfährt man über eine breite Gefühlspalette, die Ratlosigkeit, Trauer, Unruhe, Verwirrung sowie die Angst vor dem Kontrollverlust im letzten Lebensabschnitt umfasst. Seine Interviews behandeln auch die ewige Frage nach dem, was nach dem Tod kommen mag, dem Sinn und dem Ziel des Lebens. Der Glaube spielt in vielen Fällen eine tragende Rolle und es gibt Todeskandidaten, die sich plötzlich der Religion zuwenden. Uwe Schulz thematisiert den christlichen Glauben an die Auferstehung, und die Befragten erzählen über ihre Ansichten und Erfahrungen. So verschieden die Charaktere der Menschen und ihre Ansichten, ihre Art zu Leben sind, so verschieden ist auch ihr Umgang mit dem Thema Sterben. Manche wehren sich bis zu ihrem Tod dagegen, diesem offen zu begegnen und sich damit auseinander zu setzen.
Die Interviewpartner des Autors sind sowohl Glaubende, als auch Agnostiker, er befragte junge Menschen, die ihr Leben erst begonnen hatten, wie sehr alte Menschen, die bereits auf ein reiches und erfülltes Leben zurück blicken durften. Uwe Schulz schloss auch jene Personen, die in der Betreuung und Pflege in Krankenhäusern und Hospizen tätig sind, in seine Interviews ein und durfte einiges aus deren reichem Erfahrungsschatz an seine Leser weiter geben. So erzählt beispielsweise ein beinahe siebzigjähriger ehrenamtlicher Sterbebegleiter von seiner Beobachtung, dass es Sterbende nicht mehr interessiert, ob sie beruflich oder finanziell etwas im Leben erreicht hatten. Diese Menschen lehrten ihn seiner Meinung nach Demut, Vertrauen und Milde. Er ist nach seiner jahrelangen Erfahrung felsenfest davon überzeugt, dass man sich der Konfrontation mit Krankheit und Sterben nicht entziehen sollte.
Tief berührt hat mich das Schicksal einer bewundernswerten mutigen jungen Frau, die durch eine fortschreitende Muskelerkrankung ans Krankenhausbett gefesselt ist, Licht und Geräusche meiden muss, und deren gesamte Welt sich nur noch auf wenige Quadratmeter beschränkte. Trotz ihres unabwendbaren Schicksals lässt sie sich nicht entmutigen, sondern kämpft für ihre Träume. Sie studierte unter schwersten Bedingungen, wurde Bestseller-Autorin und ist der Überzeugung, dass man im Inneren zu Sterben beginnt, sobald man aufhört, sich selber Ziele zu setzen.
Besonders erwähnenswert finde ich auch eine leitende Palliativärztin und eine Sozialarbeiterin, die gemeinsam als Team in einem Hospiz in Kentucky arbeiten. Beide erzählen aus ihren Erfahrungen, und die Sozialarbeiterin betont ganz besonders die Wichtigkeit, geliebten Menschen zu sagen, was sie einem bedeuten bzw. dass man sich bemühen sollte, eine etwaige Kluft möglichst zu überbrücken, bevor es dazu zu spät sein könnte. Sie glaubt, dass es im Kern um die Persönlichkeit geht, um den ganz persönlichen Glauben und die innere Kraft. Und dass unsere Art zu leben auch unsere Art zu Sterben beeinflussen würde. Die Ärztin hingegen weist auf die Macht der Berührung hin und erzählt, dass es ihren Patienten sehr viel bedeuten und eine Berührung weit mehr ausdrücken würde, als die besten Worte es vermögen. „Wer es versteht, zu lieben, versteht auch zu sterben“ ist ihre feste Überzeugung.
Dieses Buch bietet eine solche Fülle an Erfahrungsschätzen, dass es eine echte Bereicherung bedeutet, sich darin zu vertiefen, von den einzelnen Schicksalen, die beispielhaft für Tausende andere stehen, zu lesen. Einer Statistik zufolge sterben global mehr als 56 Millionen Menschen pro Jahr – ein Schicksal, das jedes Lebewesen auf dieser Erde zu 100% betrifft. Und genau aus diesem Grund ist es vielleicht ratsam, sich irgendwann im Laufe seines eigenen Lebens einmal damit zu beschäftigen… um Ängste zu verringern, Streit und Unfrieden rechtzeitig zu beenden, oder Vorkehrungen treffen zu können. Vielleicht aber auch, um Wünsche nicht endlos hintan zu stellen und Dinge, die man gerne tun würde, immer wieder aufzuschieben. Um sich im Hier und Jetzt Zeit für die Menschen zu nehmen, die man liebt, und zu erkennen, was die echten Werte des Lebens sind, um die es in den letzten Stunden unseres Lebens geht: nämlich um Glaube, Liebe und Beziehungen.
Ganz besonders berührt haben mich folgende Aussagen in diesem Buch:
„Manchmal wünsche ich mir, jemand würde mich an die Hand nehmen und mich führen, so wie mein Vater das getan hat.“
„Trauern ist eine sehr einsame Angelegenheit“ (Clive Staples Lewis)
„Was habe ich eigentlich aus dem gemacht, was mir geschenkt worden ist?“
Fazit: „Nur noch eine Tür“ ist ein Buch, das sehr viele Aspekte des Sterbens aufzeigt, mit einem reichen Erfahrungsschatz Betroffener aufweisen kann, und dem Leser auf interessante Art und Weise dargeboten wird. Besonders berührend fand ich den letzten Teil, in dem der Autor anstelle eines Nachwortes über seine eigenen, persönlichen Erfahrungen mit dem Tod seiner Mutter schreibt. Eine ausführliche und empfehlenswerte Lektüre, die das Thema Sterben aus sehr vielen Perspektiven beleuchtet.