Flanieren mit Herz und Hirn
Was tun Touristen, wenn sie zum ersten Mal in einer Stadt sind, die sie noch nicht kennen? Bestenfalls schauen sie in dem Reiseführer nach Highlights, die man unbedingt gesehen haben muss, hetzen dann ...
Was tun Touristen, wenn sie zum ersten Mal in einer Stadt sind, die sie noch nicht kennen? Bestenfalls schauen sie in dem Reiseführer nach Highlights, die man unbedingt gesehen haben muss, hetzen dann von einem Ort zum anderen, machen ein Foto für die Daheimgebliebenen und das war‘s dann schon. Ein Flaneur hingegen spaziert entspannt durch die Straßen, schaut, riecht, hört, beobachtet, genießt mit allen Sinnen, bekommt ein Gefühl für das Drumherum, die Kultur, das Leben, die Menschen und verliebt sich vielleicht sogar leidenschaftlich in diese Stadt. So ist es zumindest mir mit London bei unzähligen Besuchen ergangen.
Vincent Klink, Sternekoch und Flaneur, hat diesen Herzensplatz für Venedig reserviert. Wer aber glaubt, dass sich ein Küchenchef nur für das interessiert, was auf dem Teller liegt, ist hier auf dem falschen Dampfer…ähm, auf dem falschen Vaporetto. Das heißt, wer Klinks Buch über Paris und/oder Wien nicht kennt und einen kulinarischen Reiseführer erwartet, sollte die Finger von „Ein Bauch spaziert durch Venedig“ lassen. Alle anderen sind zu einem sinnenfreudigen, informativen und von einem Kenner geführten Besuch der Lagunenstadt eingeladen.
Natürlich kommt auch die „Cucina Veneziana“ mit ihren typischen Gerichten nicht zu kurz, im Anhang gibt es dazu ein eigenes 11-seitiges Kapitel, sowie diverse in den Text eingestreute Rezepte. Aber der Großteil des Buches widmet sich der Baukunst und der Malerei, kenntnisreich durch Hintergrundinformationen ergänzt. Und auch die kritischen Anmerkungen zu dem überbordenden Tourismus mit seinen negativen Folgen und den dubiosen Praktiken der Verwaltung, die historische Kleinode an den Meistbietenden verschleudern, kommen zu ihrem Recht. Abgerundet werden die Stadtspaziergänge im Anhang durch eine separat aufgeführte Auswahl von Kirchen mit Kunst sowie einem ausführlichen Quellen- und Literaturverzeichnis für die vertiefende Lektüre.
Fazit: Eine rundum gelungene Liebeserklärung an Venedig.