100 Jahre alt und noch immer aktuell
Wir haben es hier mit der Neuauflage von Walter Lippmanns Buch aus dem Jahre 1922 zu tun. Lippmann (1889-1974) liebäugelt zuerst mit sozialistischen Ideen. Doch dann entwickelt er sich zum Vordenker eines ...
Wir haben es hier mit der Neuauflage von Walter Lippmanns Buch aus dem Jahre 1922 zu tun. Lippmann (1889-1974) liebäugelt zuerst mit sozialistischen Ideen. Doch dann entwickelt er sich zum Vordenker eines amerikanischen Imperialismus. Die USA sollten ihr demokratisches Verständnis über die ganze Welt ausbreiten – natürlich inklusive der Industrie. Allerdings, ist hier immer das weiße Amerika gemeint.
Lippmanns Überlegungen zufolge erleben die Menschen den größten Teil ihrer Erfahrungen nicht selbst, sondern profitieren (?) von den Erzählungen anderer. Hier, so sagt Lippmann, spielen die Medien eine große Rolle, in denen mittels Schlagzeilen, Vereinfachungen, gängigen Vorurteilen und vorgefassten Meinungen eine bestimmte Stimmung erzeugt oder gefestigt wird. Er erfindet dafür den Begriff „Stereotyp“, der aus dem Buchdruck entlehnt ist und siedelt die Menschen in einer Pseudowelt an, in der er durch geschicktes Streuen von Halb- und/oder Viertelwahrheiten recht gut manipulierbar ist.
Doch Walter Lippmann möchte keine gezielte Einflussnahme, sondern möchte die Zusammenhänge darstellen. Erst dadurch, „dass wir die Autoritäten vermehren, denen wir freundliches Gehör schenken“ (S. 213) geraten wir in geistige Abhängigkeiten, die abzulegen, sehr schwer möglich sind.
Lippmann misstraut den von Anzeigen abhängigen Medien und plädiert für eine öffentliche rechtliche Institution der Information. Ob ein „Staatsfunk“ wirklich wahrheitsgemäß berichtet? Ich habe da angesichts der diversen Diktaturen so meine Zweifel.
Um diesen Manipulationen entgegenzuwirken, empfiehlt Lippmann Bildungsmaßnahmen. Denn die Durchschnittsbürger einer Demokratie seien damit überfordert, komplexe gesellschaftliche Zusammenhänge zu durchschauen und damit leichte Opfer von Propaganda und Manipulation.
Meine Meinung:
Obwohl das Buch demnächst 100 Jahre auf dem Buchrücken hat, ist es aktueller denn je. Walter Lippmann ist ein früher Warner vor den derzeitigen Entwicklungen à la „Fake News“.
Die Einführung der beiden Professoren für Ökonomie Walter Ötsch und Silja Graupe ist lesenswert und aufschlussreich. Lippmanns Analysen regen nach wie vor zu vielschichtigen Diskussionen an. Schade irgendwie, dass Walter Lippmann zwar den Aufstieg der USA zur Supermacht erleben, aber deren aktuellen Abstieg nicht mehr ertragen muss.
Interessant finde ich den Einfluss Lippmanns auf das „14-Punkte-Programm“ von Präsident Woodrow Wilson von 1918. Damit sind die Weichen im vom Ersten Weltkrieg zerstören Europa gestellt worden.
Fazit:
Ein Klassiker zum Thema „Meinung“ und deren Manipulation sowie die Mechanismen der Propaganda. Gerne gebe ich 5 Sterne.