Nach ihren Abenteuern in Berlin und Potsdam zieht es Alena und Julius diesmal nach Göttingen, da es sich der mittlerweile fast fünfzigjährige Julius in den Kopf gesetzt hat, zu studieren um doch noch Medicus werden zu können- vor Jahren fiel er unschuldig in Ungnade und versucht es daher nochmals unter einem anderen Namen. Doch das Geld ist knapp, so muss sich Julius in den kommenden drei Jahren immer wieder als Puppenspieler verdingen; sehr zum Verdruss seiner Professoren und manch reicher Studierenden, denen der arme, ältere aber unglaublich ehrgeizige Julius ein Dorn im Auge ist.
Aber dank des befreundeten Studenten Heinrich, der immer wieder Julius Nähe sucht und sich wenig später als junge Frau mit Namen Henrietta entpuppt, gelingt es Julius die richtigen Leute kennen zu lernen. So bekommt er eine bezahlte Nebenbeschäftigung in einem Hospital angeboten und darf dort bereits Kranke behandeln. Drei Bergleute, die sich nach einem Unglück bei dem sie einige Zeit verschüttet waren, in komatösem Zustand befinden, wecken besonders seine Neugierde und er beginnt an ihnen diverse Versuche auszuprobieren, die sie wieder zurück ins Leben holen sollen. Julius Bemühungen zeigen erste kleine Erfolge, da stirbt der erste der drei Männer. Zu allem Überfluss spitzt sich der Zwist mit einem reichen Mitstudenten zu, der nach einem Streit unglücklich zu Tode kommt und auch zu Hause hängt der Haussegen schief, seitdem Alena glaubt, Julius habe ein Verhältnis mit Henrietta begonnen. Wird Julius die Mordvorwürfe, die ihm gemacht werden; entkräften können und wird es eine gemeinsame Zukunft für Alena und ihn überhaupt noch geben können?
Der bereits dritte Band um den Puppenspieler Julius und die Klagefrau Alena ist auch sehr gut verständlich für Leser, die die Vorgängerbände noch nicht kennen sollten- ich zumindest kam sehr schnell hinein und im Großen und Ganzen hat mir dieser historische Roman ganz gut gefallen. Wolf Sernos Schreibstil ist eingängig und leicht, er bedient sich einer zeitgemäßen Aussprache, was für ausreichendes historisches Kolorit sorgt und die Geschichte ist durchaus abwechslungsreich konzipiert.
Leider habe ich auch ein paar Kritikpunkte anzubringen, die mich davon abhielten dem Roman eine bessere Bewertung zu geben. Sicherlich, Julius und Alena sind den Lesern, die die Vorgängerbände kennen, bereits bekannt, doch ich glaube nicht, dass mein Eindruck, selbst in dem Fall hätte ich die beiden ersten Teile zuvor gelesen , anders ausgefallen wäre- ich finde einfach dass Julius und Alenas Charaktere zu wenig Tiefe besitzen, was übrigens auch sämtliche Nebenfiguren angeht. (besonders im Falle von Henrietta/Heinrich ist es sehr auffallend. Julius und die Studentin in Männerverkleidung begegnen sich wenige Male, trinken zusammen in einer Kneipe, dann offenbart sich Henrietta Julius gegenüber und nach einem einzigen Kuss ist sie bereits unsterblich in den Puppenspieler verliebt? Ansonsten erfährt man nichts über diese Romanfigur- was sie außer unbedingt ein weiblicher Medicus zu werden antreibt, welche Gedanken, Ängste und Nöte sie bewegen etc. Man spürt hier ganz deutlich, dass Henrietta einfach nur als Mittel zum Zweck dient- nämlich um einen künstlichen Zwist zwischen dem Heldenpaar zu schaffen; ich fand hier hat es sich der Autor etwas zu leicht gemacht, schade!)
Im Fokus stehen in diesem Roman definitiv Julius Studien- alles andere gerät (sieht man einmal von Alenas Reise nach Kassel ab, wo sie als Klagefrau gegen Bezahlung, arbeitet) zur absoluten Nebensache und wird ein wenig stiefmütterlich behandelt. So schließt Alena nur, weil sie zwei lange blonde Haare auf dem Gehrock ihres Julius findet, gleich darauf, dass er fremd gegangen ist und reagiert in meinen Augen, bevor sie den Mann überhaupt zur Rede gestellt hat, völlig überzogen.
Sämtliche Probleme werden fast problemlos aus dem Wege geschafft. Da Julius und Alena wegen ihres unterschiedlichen Glaubens nicht heiraten dürfen, es sei denn einer von ihnen konvertiert- tritt ein liebeswertes Gaunerduo auf den Plan, das beiden gefälschte Papiere besorgt und obwohl Alena einst eine Novizin war, regen sich keinerlei Zweifel bei diesem Betrug bei ihr? Das fand ich ebenfalls sehr unglaubwürdig und zu sehr auf Biegen und Brechen konstruiert!
Auch die gemeinsamen Dialoge der beiden Liebenden sind recht schlicht gestrickt- hier hätte ich mir ebenfalls ein wenig mehr Substanz gewünscht, als das übliche Allerweltsgeplänkel und die Scherze, die beide miteinander austauschen. Einen tiefgründigeren Austausch des Heldenpaars sucht man leider vergebens. Und auch die Kriminalhandlung hat mich etwas unbefriedigt zurück gelassen- hier ahnt der aufmerksame Leser sehr schnell, wer Julius wirklich etwas Böses will.
Nicht das mich jemand falsch versteht, wer einen leichten historischen Unterhaltungsroman sucht und nichts wahnsinnig Tiefschürfendes oder zumindest eine ausgefeiltere Krimihandlung erwartet, wird sich sicherlich gut unterhalten fühlen. Schlecht ist der Roman keinesfalls, doch wer mehr erwartet, könnte durchaus enttäuscht werden.
Interessant fand ich jedoch die medizinischen Ausführungen, denen sich der Autor auch nochmals im „Nachspann“ ausführlicher widmet.