Toller Band
Im letzten Jahr hat der Manesse Verlag bereits Yosano Akikos Essays herausgebracht. Nun sind endlich auch ihre Tanka erschienen! Und zwar in einer Ausgabe, die sich an der Originalanthologie von 1901 orientiert ...
Im letzten Jahr hat der Manesse Verlag bereits Yosano Akikos Essays herausgebracht. Nun sind endlich auch ihre Tanka erschienen! Und zwar in einer Ausgabe, die sich an der Originalanthologie von 1901 orientiert und die alle Gedichte dieser Ausgabe im japanischen Original, in lateinischer Umschrift und in der deutschen Übersetzung von Eduard Klopfenstein beinhaltet.
Vieles von dem, was ich schon bei der Lektüre der Essays empfunden hatte, ist mir auch jetzt wieder durch den Kopf gegangen. Es ist unheimlich beeindruckend, wie progressiv Yosano Akiko schreibt, wie kraftvoll, selbstbewusst und im Grunde zeitlos das ist, was sie erzählt.
Die Themen und Motive sind bei einer Anthologie, die 399 Tanka umfasst, natürlich vielfältig. Schönheit, Vergänglichkeit, Farben und Jahreszeiten spielen ebenso eine Rolle wie die Freiheit und der Drang einer jungen Frau, aus ihrem Leben auszubrechen. Hier ein Beispiel:
"Du siehst und berührst nicht
meine zarte Haut unter der
das heiße Blut pocht
Bist du nicht einsam? Du!
Schulmeister des rechten Wegs"
Das ungestüme jugendliche Temperament spricht immer wieder aus den Zeilen. Und man kann sich vorstellen, dass es in der damaligen japanischen Gesellschaft sicher das Potential hatte, anzuecken. Gleichzeitig blitzt in manchen Tanka, wie dem folgenden, ein Humor zwischen den Zeilen hervor, eine Art Augenzwinkern, das mir die Dichterin unheimlich sympathisch gemacht hat:
"Ich bin verwirrt
So viele ähnliche Gesichter
gleichen dem Geliebten
Ihr macht euch einen Spaß
mit mir ihr Liebesgötter"
Ich empfehle diesen Band, das steht ganz außer Frage! Aber ich empfehle vor allem auch den Anhang und das Nachwort von Eduard Klopfenstein. Denn erst mit den Informationen aus dem Anhang lassen sich viele der Tanka richtig einordnen und verstehen.
Last but not least: Lieber @manesse.verlag, diese Übersetzung ist so eine großartige Leistung! Sollte da die Nennung des Übersetzers (und in diesem Fall ja auch Herausgebers) auf dem Cover nicht ganz selbstverständlich sein?