Währt Schuld ewig?
Zdenka Becker ist eine niederöstereichische Autorin, geboren in der Slowakei, die nicht weit entfernt von mir wohnt. Ich bin sehr froh, dass ich sie vor einigen Jahren entdeckt habe und verfolge seitdem ...
Zdenka Becker ist eine niederöstereichische Autorin, geboren in der Slowakei, die nicht weit entfernt von mir wohnt. Ich bin sehr froh, dass ich sie vor einigen Jahren entdeckt habe und verfolge seitdem ihre Autorenkarriere. Ihr neuer Roman erzählt die Geschichte eines älteren Paares mit Rückblicken in Briefform.
Hilde und ihr dementer Mann Karl leben in ihrem Haus im fiktiven Fischbach in der Nähe der niederösterreichischen Landeshauptstadt. Der Großteil ihres Lebens ist vorüber und Hilde steht vor der Entscheidung, ob sie und ihr Mann ins Seniorenheim ziehen sollen, so wie es ihre Kinder vorgeschlagen haben. Noch hat sie einen netten Zivildiener, der ihr im Garten hilft und eine Nachbarin, die ihr im Haushalt zur Hand geht. Doch Hilde spürt ihre alten Knochen und Karl lebt bereits größtenteils in der Vergangenheit. Doch bevor sie ihr Haus verlassen, muss Hilde noch die Kiste mit den Briefen, die ein Geheimnis enthalten, finden. Die Schuld, die auf ihr lastet, darf nicht an die Öffentlichkeit dringen...
Bevor das Haus verkauft wird, möchte Hilde die Briefe nochmals lesen, die ihr Karl geschrieben hat, als sie frisch verlobt waren und er in den Krieg ziehen musste....
Die Idee zu diesem Roman hatte Zdenka Becker, als sie beim Umbau ihres Hauses auf dem Dachboden alte Briefe gefunden hat. Einige davon hat sie als Vorlage genommen und darumherum eine fiktive Geschichte gewebt. Wir begleiten Hilde, die mit ihrer Schwester und deren Tochter auf dem heimatlichen Hof schwer schuften mussten, während Hilde Verlobter Karl in den Krieg zieht. Wie viele andere Frauen sind sie auf sich selbst gestellt und müssen "ihren Mann stehen".
Zu Beginn steht Karl noch hinter dem Gedanken des NS-Regimes, während Hilde eher skeptisch ist. Als er in Berlin eingesetzt wird, versuchen sie durch den Briefwechsel ein kleines Stück Nähe und Verbundenheit zu erleben. Doch Karl arbeitet als Ingenieur im Flugzeugbetrieb und darf nichts über seinen genauen Aufenthalt oder seine Arbeit schreiben. So bleiben die Briefe oft emotionslos und wirken einseitig. Zu dieser Zeit wurde auch nicht wirklich viel über Gefühle gesprochen und der Krieg hat den Menschen zusätzlich einiges abverlangt. Die Briefe sind in einfachen Worten gehalten, passend zum schulischen Abschluss von Hedi. Trotzdem konnte ich nicht wirklich die Liebe zwischen den Beiden spüren....
Zdenka Becker erzählt in ihrem neuen Roman eine Geschichte, wie sie wohl viele Menschen während des Zweiten Weltkrieges erlebt haben: Trennung, Schmerz und Verlust. Dazu kommt noch die Darstellung der Rolle der Frau zu dieser Zeit, die sich nach dem Krieg wieder wandelte. Erschreckend waren für mich so einige Parallelen zum Beginn des Zweiten Weltkrieges mit dem Krieg in der Gegegenwart.
Der Roman ist leise und eine Form von Briefroman - aber nicht nur. Gefallen hat mir der Wechsel zwischen Gegenwart und Vergangenheit. Dem Geheimnis in der Vergangenheit kam ich ein kleines bisschen auf die Spur, allerdings nur einem Teil davon. Die Figuren sind authentisch, blieben mit allerdings in den Briefen zu emotionslos. In der Gegenwart konnte ich Hilde viel besser greifen. Hier wird auch sehr deutlich, wie es älteren Menschen geht, denen es schwer fällt loszulassen.
Die Zeit während des Krieges wurde sehr bildhaft dargestellt. Der Unterschied zwischen Stadt und Land war eklatant. Die Gefühle von Hilde, die kurze Zeit in Berlin bei ihrem Mann lebte und sich dort nicht heimisch fühlte, war für mich spürbar. Zerrissen zwischen ihrer Schwester, die ihre Hilfe auf dem Hof benötigte und dem Wunsch endlich ihren Verlobten zu heiraten und mit ihm gemeinsam in Berlin zu leben, reiste Hilde zwischen Fischbach und Berlin hin und her und war doch nicht glücklich. Mich erinnert einiges an die Situation einer Mutter in der Gegenwart, die sich oft zwischem ihrem Job und ihren Kindern aufreibt und immer das Gefühl hat, nicht genug gegeben zu haben.
Das Ende war berührend und hat mir gut gefallen.
Fazit:
Ein leiser Roman, der einen Einblick in eine ganz normale Familie gibt, die während des Zweiten Weltkrieges zu überleben versuchte. Dass es dabei auch ein kleines kriminelles Geheimnis gibt, erweckt die Neugier des Lesers. Ein Buch, das auf leise Art nachdenklich macht.