Leserunde zu "Die Glasschwestern" von Franziska Hauser

Ein fulminanter Roman über Lebenspläne und Neuanfänge
Cover-Bild Die Glasschwestern
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Mit Autoren-Begleitung
Franziska Hauser (Autor)

Die Glasschwestern

Roman

Dunja lebt mit ihren zwei Kindern und deren Vater in der Großstadt, ihre Zwillingsschwester Saphie in einem kleinen Dorf an der ehemals deutsch-deutschen Grenze. Als der Zufall auf irrwitzige Weise zuschlägt und innerhalb kurzer Zeit die Männer der beiden sterben, nähern die Schwestern sich einander wieder an. Dunja zieht in Saphies Hotel und damit zurück in die Welt ihrer Kindheit. Die Geschichte zweier sehr verschiedener Frauen und über die menschliche Fähigkeit, sich immer wieder neu erfinden zu können.

Ein Generationenroman aus dem ehemaligen Grenzgebiet, der alte Geschichten, Geheimnisse und Lügen zutage fördert und gleichsam ein Vergeben der Vergangenheit und Annehmen der Gegenwart ermöglicht.

Timing der Leserunde

  1. Bewerben 20.01.2020 - 09.02.2020
  2. Lesen 24.02.2020 - 15.03.2020
  3. Rezensieren 16.03.2020 - 29.03.2020

Bereits beendet

Teilnehmer

Diskussion und Eindrücke zur Leserunde

Veröffentlicht am 20.03.2020

Die ungewöhnlichen Glasschwestern

1

Bei dem Buch „Die Glasschwestern“ handelt es sich um einen Familienroman von Franziska Hauser, der im Jahr 2020 im Eichborn Verlag erschienen ist und in der gebundenen Ausgabe 432 Seiten umfasst.

Die ...

Bei dem Buch „Die Glasschwestern“ handelt es sich um einen Familienroman von Franziska Hauser, der im Jahr 2020 im Eichborn Verlag erschienen ist und in der gebundenen Ausgabe 432 Seiten umfasst.

Die Geschichte startet unmittelbar mit der Situation, dass die Männer der beiden Zwillingsschwestern Dunja und Saphie zeitgleich verstorben sind. Dunja und Saphie, die sehr verschiedenen von ihrem Charakter her sind und deren Leben auch bisher ganz ungleich verlaufen sind, gehen verständlicherweise auch mit ihrer Trauer und der ganzen Situation unterschiedlich um.
Dunja, die mit Winne verheiratet war und von ihm zwei Kinder hat, führte bisher ein eher konventionelles Leben. Saphie hingegen ist kinderlos geblieben und liebte schon immer das etwas Außergewöhnliche. Sie ist auch die Besitzerin eines Hotels.
Mit dem Tod ihrer Männer stehen die beiden „Glasschwestern“, wie sie in ihrem Heimatdorf aufgrund des Berufes ihres Vaters als Glasbläser genannt werden, vor einem Neubeginn.
Dunja beschließt im Hotel ihrer Schwester einzusteigen und Saphie steht zunehmend der Weg offen, sich von diesem abzunabeln.

Das Buch „Die Glasschwestern“ hat in meinen Augen Höhen und Tiefen. Als eine tolle Höhe sind sicherlich die beiden Schwestern und ihre Darstellung im Buch zu nennen. Ich konnte mir beide sehr gut vorstellen und die Entwicklung von beiden sehr gut nachvollziehen. Sie waren für mich stets greifbar und vor allem ab der Mitte des Buches wurden mir beide immer sympathischer.
Erwartet man von dem Roman viel Handlung und einen hohen Spannungsbogen, so wird man als Leser eher enttäuscht. Alles geht sehr langsam vonstatten und manchmal bringen die vielen Sprünge in den Gedanken der Personen und die Rückblicke zur Klärung der Gegenwart oftmals etwas Verwirrung in die Geschichte und stoppen den Lesefluss.

Fazit: Ein Roman der viel mehr Potential gehabt hätte, mich leider nicht sehr gepackt hat, aber dennoch nett zu lesen war.
Ich vergebe drei von fünf Sternen.

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Veröffentlicht am 18.03.2020

Familienroman mit besonderem Sprachstil - tiefsinnig, aber stellenweise ziemlich anstrengend

1

Saphie lebt mit ihren beiden erwachsenen Kindern in der Stadt und arbeitet als Deutschlehrerin für Ausländer, Dunja führt ein Hotel in ihrem Heimatdorf an der früheren innerdeutschen Grenze. Dunja und ...

Saphie lebt mit ihren beiden erwachsenen Kindern in der Stadt und arbeitet als Deutschlehrerin für Ausländer, Dunja führt ein Hotel in ihrem Heimatdorf an der früheren innerdeutschen Grenze. Dunja und Saphie sind definitiv besondere Schwester, Zwillingsschwestern, von den Nachbarn auch „Glasschwestern“ genannt. Wie es der Zufall so will, sterben ihre beiden Ex-Ehemänner ausgerechnet am selben Tag. Die Trauer führt die Frauen zusammen, beide verarbeiten den Verlust aber auf völlig unterschiedliche Weise....

Franziska Hauser hat einen sehr außergewöhnlichen Schreibstil, für mich war er recht herausfordernd und manchmal anstrengend zu lesen. Sie schreibt aus der Perspektive der Schwestern, stets im Präsens, schildert all ihre Gedanken und Vorstellungen ungefiltert . Dabei kommt es immer wieder auch zu Zeitsprüngen, Gedanken laufen schließlich nicht chronologisch ab. Es fiel mir oft schwer, konzentriert zu lesen, ich empfand den Stil teilweise als überfrachtet, fast wie „Reizüberflutung“. Die unklare Sprache wirkt oft aber auch poetisch. Immer wieder finden sich im Text beeindruckende Formulierungen wie:
„Die Verbindung, die sie eben noch zueinander gesucht haben, wird zu einem schwarzen Loch und lässt die Schwestern wie zwei Sterne im All um Lichtjahre auseinanderrasen. Eine unheimliche Stille entsteht, und die Telefonleitung will nicht das leiseste Geräusch mehr übertragen.“
Die verwendeten Metaphern lassen viel Raum für Interpretationen. Auffällig auch die besonderen Kapitelüberschriften, Sprichwörter, wie „Was man sich wünscht, das glaubt man gern“, die immer mehr oder weniger versteckten Bezug zum Inhalt des Abschnitts haben und mir gut gefallen haben.

Durch den speziellen Schreibstil, der alle Gedanken der Schwestern exakt darstellt, werden die Schwestern für den Leser- zumindest im Moment des Lesens- zwar durchsichtig wie Glas, sind aber bei der Flut an Informationen über sie trotzdem sehr schwer zu fassen. Dunja und Saphie ändern im Laufe der Handlung ihrer Rollen, haben so beide etwas Uneindeutiges, Ambivalentes an sich. Daher waren sie mir trotz der sehr ausführlichen Charakterisierung emotional nicht besonders nah. Andere Figuren wie bspw. den Hotelangestellten Nino empfand ich als sympathischer.

Die Charaktere bestimmen die Handlung. Wichtiger Faktor der Handlung ist, was der Tod der Exmänner in den Schwestern bewirkt. Oft wird der Plot durch die Gedanken der Schwestern vorangetrieben. In den Köpfe der beiden „arbeitet“ es ständig und so gibt es immer etwas zu erzählen. Am Ende gelangt die Autorin zu einem stimmigen, runden Ende.

Franziska Hauser hat definitiv einen interessanten, nachdenklich stimmenden Roman geschrieben. Trotz aller negativen Gedanken der Figuren, einen mit positivem, versöhnlichem Abschluss. Anstrengend, herausfordernd, uneindeutig und ambivalent aber genauso besonders, künstlerisch und bemerkenswert. Ich werde „Die Glasschwestern“ noch öfter auf verschiedene Weise deuten, die beiden „undurchsichtigen“ Schwestern bleiben mir sicher noch länger in Erinnerung. Wer einen Faible für außergewöhnliche Sprache mit vielen Metaphern hat und Gelesenes gerne interpretiert, der wird an diesem Roman seine wahre Freude haben.

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Veröffentlicht am 16.03.2020

Ungewohnt anders, sprunghaft

2

Die Zwillingsschwestern Dunja und Saphie, die im Dorf „Die Glasschwestern“ genannt werden, leben völlig unterschiedliche Leben. Hier dürfen wir sie ein Stück weit ihres Lebens begleiten. Der erste Teil ...

Die Zwillingsschwestern Dunja und Saphie, die im Dorf „Die Glasschwestern“ genannt werden, leben völlig unterschiedliche Leben. Hier dürfen wir sie ein Stück weit ihres Lebens begleiten. Der erste Teil wird mehr aus der Sicht von Dunja, der zweite eher aus der Sicht von Saphie dargestellt. Wenngleich natürlich in jedem Teil auch die anderen Figuren zu Wort kommen.

Wir steigen direkt beim Tod der beiden Männer ein und befinden uns inmitten von Gefühlschaos, Familienstrukturen die sich im Ändern begriffen sind, Geheimnisse die sich lüften wollen.

Der Schreibstil von Franziska Hauser war für mich anfangs nicht einfach. Er ist nicht geradlinig, eher sprunghaft wie Gedanken nun einmal sein können. Immer wieder gibt es durch die Figuren Rückblicke um dem Leser die Vorgeschichte der Schwestern näherzubringen. Auch hier lesen wir nicht in einer chronologischen Abfolge, sondern bruchstückweise, oder wie in Scheiben geschnittene Lebensgeschichten.

Da sich mit dem Tod ihrer Männer für beide Schwestern ihr gesamtes Leben zu ändern beginnt, hinterfragen sie auch vieles. Diese Fragen werden teilweise bis zu einer Lösung durch-, teilweise nur angedacht. Manches bleibt am Ende offen, anderes kann sich der Leser selbst beantworten. Ich würde diese Geschichte mit einem offenen Ende bezeichnen.

Der Spannungsbogen bewegt sich während des Buches nicht wirklich stark. Die Geschichte ist interessant zu lesen, trotzdem hat mir ein gewisser Höhepunkt gefehlt. Die verschiedenen Figuren sind schon greifbar, setzen dann aber wieder Handlungen, die ich nicht ganz nachvollziehen kann. Im Großen und Ganzen ist diese Familie einfach schräg.

Das Cover ist ein etwas ungewöhnlicher Blickfang mit seinen Grautönen. Die hellere Mitte hat mich beim ersten Blick ins Buch gezogen, neugierig gemacht. Das Buch ist hochwertig gearbeitet mit einem Lesebändchen versehen.

Mein Fazit ist, dass ich hier ein Buch habe dass ungewöhnlich anders ist, nicht unbedingt die erwartete Spannung und Entwicklung aufbringt, aber auf alle Fälle den Leser zum Nachdenken anregt.

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Veröffentlicht am 16.03.2020

Dieser Roman lässt sich wahrlich schwer in eine Schublade stecken.

3

Es geht um Schwestern die an der ehemals deutsch-deutschen Grenze aufgewachsen sind.
Ihr Vater war Glasbläser und er hat diesen Beruf bis zur Wende ausgeführt.
Dunja heiratet und zieht in die Stadt, Saphie ...

Es geht um Schwestern die an der ehemals deutsch-deutschen Grenze aufgewachsen sind.
Ihr Vater war Glasbläser und er hat diesen Beruf bis zur Wende ausgeführt.
Dunja heiratet und zieht in die Stadt, Saphie blieb im Dorf und leitet mit ihrem Mann ein Hotel.
Was den beiden Schwestern nun widerfährt, ist doch ein mehr als ein Zufall.
Beide Ehemänner sterben gleichzeitig. Daraufhin zieht Dunja aus der Großstadt zurück ins kleine
Grenzdorf ihrer Kindheit und zu ihrer Schwester ins Hotel.

Ein Familienroman über Lebensplanungen und vor allem über Veränderungen. Die Schwestern entwickeln
sich gegensätzlich und haben beide ihre Midlifecrisis so kurz vor dem 40. Geburtstag. Aber auch die
Schwester Lenka und die Kinder von Dunja haben mit sich zu tun. Es geht um Homosexualität, Umweltaktivismus,Kommunen, Selbstfindung bis zu ungeklärten Vaterschaften. Alle müssen sich der Vergangenheit stellen um in Zukunft ruhig Leben zu können.

Die Schreibweise ist sehr schön und die Kapitelüberschriften kleine poetische Highlights.
Die Autorin wollte die Veränderungen und Entwicklungen der Charaktere beschreiben. Dazu hat sie auch ganz besondere Namen ausgewählt. Altdeutsche Monatsnamen, weil auch der Handlungszeitraum ein ganzes Jahr durchläuft.
Auch die Landschaftsbeschreibungen sind wundervoll formuliert.

Leider hat der Roman einige Längen. Vor allen, wenn es um Saphies Gedankengänge geht.
Es ist zeitweilig sehr langatmig und nicht einfach diese komplizierten und verqueren Gedanken zu verfolgen.
Die Autorin verliert sich immer wieder in Nebensächlichkeiten. Das alles bremst den Lesefluss gewaltig
Die Konsequenz ist, man verliert den Faden und die Lust weiterzulesen.

Schade, es sind einige gute Ansätze vorhanden aber im Großen und Ganzen ist es eine Geschichte, die den Leser
nicht in den Bann zieht. Dazu kommen die Charaktere. Sie sind zwar gut gezeichnet, aber man kann sich
nur schwer mit ihnen identifizieren. Menschen, verwoben und verstrickt in ihren Problemen und Sorgen, scheinen sie manchmal nicht alltagstauglich.
Sie bleiben fremd, es ist schwer sie zu verstehen, sich in sie hineinzuversetzen.
Dieser Roman lässt sich wahrlich schwer in eine Schublade stecken.
Ein recht ungewöhnlicher Roman, der zeigt, was eine Familie alles aushalten muss bzw. kann.

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Veröffentlicht am 16.03.2020

hinterlässt gemischte Gefühle

5

Heute möchte ich euch mal ein Buch vorstellen, das ich in einer Leserunde bei der Lesejury lesen durfte. Vielen Dank an die Lesejury für das Leseexemplar!

Die Zwillingsschwestern Dunja und Saphie verlieren ...

Heute möchte ich euch mal ein Buch vorstellen, das ich in einer Leserunde bei der Lesejury lesen durfte. Vielen Dank an die Lesejury für das Leseexemplar!

Die Zwillingsschwestern Dunja und Saphie verlieren beide am gleichen Tag ihre Männer. Dunja war bereits von ihrem Winne getrennt , und dessen Tod passte für sie irgendwie in sein Konzept. Denn die Beziehung war nicht immer das, was sie erwartet hätte. Winne drückte sich gerne vor der Verantwortung, sei es bei der Kindererziehung oder im Haushalt. So war Dunja oft auf sich alleine gestellt. Sie trauert zwar um Winne als Mensch, fühlt sich aber auch erleichtert, dass sie nicht mehr um ihn kümmern muss.

Saphie im Gegenzug fällt aus allen Wolken. Ihr alkoholkranker Mann Gisbert war für sie mit dem Hotel eine Lebensaufgabe. Saphie übernahm die Verantwortung, dass das Hotel läuft, und gleichermaßen ihr Mann durch den Alkohol nicht zuviel anstellen konnte. Ihre Trauerphase kommt zeitverzögert, denn sie fühlt sich in der Verpflichtung, dass das Hotel ja laufen muss.

Die jüngere Schwester Lenka ist die dritte im Bunde: flippig, und wenig ans bodenständigen Familienleben gebunden. Die Zwillingsschwestern Dunja und Saphie sind genervt von Lenka und der Aufmerksamkeit um ihre Person. Mit dem Einflug eines Filmteams liegt der Fokus auf Lenka, die die Aufmerksamkeit sichtlich genießt. Die Zwillinge würden jedoch sehr gerne sich um die Trauerbewältigung und die Zukunft kümmern. Aber die Vergangenheit um den alten Grenztunnel schwebt permanent wie eine Gewitterwolke über der Familie, die auch noch in der Gegenwart ihre Macht präsentiert.

Zugegebenerweise, der Einstieg ins Buch fiel mir schwer. So recht wollte ich mit den Protagonisten nicht warm werden. Dunja wirkt für mich recht blaß, während ihre Zwillingsschwester einen sehr strebsamen Eindruck hinterlässt, der schwer fällt, loszulassen. Gleichermaßen wirkt die jüngere Schwester Lenka, als könnte sie nicht abschätzen, wann es Zeit ist, sich zurück zu nehmen. Allein bei der Beerdigung ist sie diejenige, die mit Tränen übertreibt. Als später ein Film über den Grenztunnel gedreht wird, artet dieser Filmbeitrag darin aus, dass Lenka der Mittelpunkt eines Familiendramas ist.

Auch die Kinder Dunjas wirken seltsam. Beide überfordert mit dem Tod des Vaters, der doch nicht so der Held ist, für den sie ihn hielten. Augusta mutiert zum Protestkind: Protest gegen die Familie, Protest gegen das soziale System. Sie war mir am unsympathischsten, und war für mich ein unzufriedenes Nörgelkind. Jules dagegen war das komplette Gegenteil: er konnte sich nicht mitteilen; erst als es in einem Selbstmordversuch endet, kann er sich mitteilen. Leider wird seitens der Familie kaum darauf eingegangen.

Die Geschichte des Grenztunnels nimmt leider keine größere Rolle ein. Jedoch habe ich mich auch gefragt, welche Rolle der Tunnel einnehmen muss, um die Geschichte der Glasschwestern zu erzählen. Er spielt keine übergeordnete Rolle.

Der Titel des Buches „Die Glasschwestern“ findet im Buch mehrfach Anwendung. Nachts wird Saphie von einem Glasmenschen verfolgt, der gleichzusetzen ist mit dem inneren Ich. Beide Schwestern gehen ihren eigenen Weg, um mit der Trauer umzugehen. Während Dunja recht schnell die Trauer wegsteckt, holt die extreme Trauerbewältigung Saphie erst spät ein, dafür umso heftiger. Hier hat die lokale mysteriöse Dorfpsychologin mit den Schwestern viel zu tun.

Mit den Glasschwestern hat die Autorin Franziska Hauser ein Werk geschaffen, dessen Tragweite erst sich nach und nach eröffnet. Jeder geht mit dem Verlust eines geliebten Menschen anders um. Manch einer sucht Gespräche, manch einer vergräbt sich in seinen Erinnerungen. So war für mich der Grenztunnel auch die Verbindung zwischen Vergangenheit und Gegenwart. Man hat sich in den Tunneln der Erinnerungen umgeschaut, man weiß, dass diese Erinnerungen da sind, aber es reicht, wenn dieser auch wieder verschlossen ist. Der gläserne Mensch ist nicht nur gleichzusetzen mit dem eigenen inneren Ich, sondern auch mit der Vergangenheit des Vaters, der vor der Wende als Glasbläser gearbeitet hat. Dunja nimmt dessen Arbeit wieder auf, und geht darin auf. Saphie selber steht für mich auch für den Wandel, den das Dorf durchlebt hat. Früher etwas altmodisch, hat eine neue Generation neue Häuser gebaut, und die Damen es Dorfes treffen sich regelmäßig in der Sauna. Saphie selber fühlt sich nicht immer zugehörig, weiß aber um die Wichtigkeit solcher Treffpunkte.

Die Glasschwestern stehen für so einiges. Für die Bewältigung von Trauer, aber auch Familiengeheimnissen. Die Geschichte birgt einen gewissen Zauber eines Neuanfangs, wie auch immer dieser aussehen mag. Manch Neuanfang ist nicht klar, sondern bleibt am Anfang grau. Ob sich der Nebel lichten kann, bleibt einem selbst überlassen. So passt auch das Buchcover mit ins Konzept.

Ein schwieriges Buch, das mich stellenweise nicht überzeugen konnte aufgrund der Protagonisten. Manche Erzählsprünge haben sich anders entwickelt, als ich sie mir vielleicht gewünscht hätte. Aber es hat mich nachdenken lassen. Und das schätze ich an dem Buch.

Kleines Highlight im Buch sind die kleinen Zitate, die am Anfang jedes Kapitels stehen.

„Der Funke glimmt auch in der toten Asche“.

Ach, bevor ich es vergesse noch eine abschließende Anekdote. Die Autorin hat die Namen der Protagonisten nach einem Altdeutschen Kalender vergeben. Auch wenn der Name der Großmutter statt Brigäne eigentlich Brangäne heißen sollte, finde ich, ist dies der ausgefallenste Name im Buch.

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