Roman | Ein sprachgewaltiges Buch über das Münchhausen-Stellvertreter-Syndrom | Nominiert für den Österreichischen Buchpreis 2024
August Drach wächst in einem Haus am Dorfrand auf, das Hölle und Paradies zugleich ist. Der Vater, von sich und dem Leben enttäuscht, misshandelt seinen Sohn, Zärtlichkeit hat er nur für die Hunde übrig. Trost findet August bei seiner Mutter, die ihn liebevoll umsorgt. Doch als der Vater die Familie verlässt, verwandelt sich die Zuwendung der Mutter: Sie mischt August heimlich Medikamente ins Essen, schwächt das Kind, macht es krank; von seiner Pflege verspricht sie sich Aufmerksamkeit und Bewunderung. Erst Jahre später gelingt es August, sich aus den Fängen der Mutter zu befreien, ein unabhängiges Leben zu führen, erste Liebe zu erfahren. Doch wie lernt ein erwachsener Mensch, das Rätsel einer Kindheit zu lösen, in der Grausamkeit und Liebe untrennbar zusammengehören? Wie durchbricht er den Kreislauf von Lügen und Betrügen? Und was passiert, wenn sich dieser Mensch, Jahre später, an den Ursprung des Schmerzes zurückwagt?
Sprachgewaltig, in packenden Bildern und Episoden erzählt Valerie Fritsch in ihrem neuen Roman von der Ungeheuerlichkeit einer Liebe, die hilflos und schwach macht, die den anderen in mentaler und körperlicher Abhängigkeit hält. Ein Entkommen ist nicht vorgesehen, es sei denn um den Preis, selbst schuldig zu werden.
Valerie Fritsch zeigt mit ihrem Roman, Zitronen, ein ernstes Thema.
Der Junge August wird erst von seinem Vater verprügelt. Seine Mutter pflegt seine Wunden, sonst macht sie nichts.
Als der Vater verschwunden ...
Valerie Fritsch zeigt mit ihrem Roman, Zitronen, ein ernstes Thema.
Der Junge August wird erst von seinem Vater verprügelt. Seine Mutter pflegt seine Wunden, sonst macht sie nichts.
Als der Vater verschwunden ist, kommt es noch schlimmer.
Seine Mutter versorgt ihn mit starken Medikamenten, die ihn richtig krank machen. Ich habe so einen Fall, Gott sei Dank, noch nicht erlebt.
August hat Glück, das er überlebt hat. Seine Zukunft ist aber geprägt von dieser Gewalt.
Die Autorin hat diese Geschichte glaubhaft mit gutem Ausdruck, geschildert.
Der Roman ist empfehlenswert.
In verschiedenen Episoden erzählt Valerie Fritsch eindringlich von versehrten Menschen, die verschiedene Formen der Gewalt erleben und ausüben und zeichnet mit ihren glaubhaften Charakteren ein leuchtendes ...
In verschiedenen Episoden erzählt Valerie Fritsch eindringlich von versehrten Menschen, die verschiedene Formen der Gewalt erleben und ausüben und zeichnet mit ihren glaubhaften Charakteren ein leuchtendes Porträt ihrer Psychen.
August Drach wächst in einem kleinen Dorf auf. Sein Vater ist gewalttätig, nur die Hunde, die liebt er. Eines Tages verschwindet er. Augusts Mutter beginnt daraufhin, ihrem eigentlich gesunden, nichtsahnenden Sohn allerlei Pillen und Stoffe in den Tee zu mischen, um ihn anschließend wieder voller Liebe und Inbrunst gesund zu pflegen.
Später zieht August in die Stadt, versucht ein normales Leben zu leben. Auf der Suche nach sich selbst verliebt er sich in Ava, deren Beziehung in der Gegenwart durch die undurchdringliche Vergangenheit eingeholt wird.
Mit einem sprachlichen Feuerwerk zeichnet die Autorin wahrliche Szenen auf das innere Auge, jeder Satz sitzt, die Beschreibungen poetisch anmutend. Ein paar Highlights findet ihr in den Slides.
Mit nur 186 Seiten ein ganz großer und intensiver Roman, den ich unbedingt empfehlen möchte!
Die Drachs leben am Rande eines winzig kleinen Dorfes, in dem jeder jeden kennt und gleichzeitig keiner den anderen. August wächst hier umgeben von duftenden Apfelbäumen in scheinbarer Idylle auf, unter ...
Die Drachs leben am Rande eines winzig kleinen Dorfes, in dem jeder jeden kennt und gleichzeitig keiner den anderen. August wächst hier umgeben von duftenden Apfelbäumen in scheinbarer Idylle auf, unter der harten Hand des Vaters heran, die öfter ausrutscht als ermuntert, und mit einer vom Leben um die verdiente Aufmerksamkeit betrogenen Mutter, die lieber tröstet als beschützt. Liebe und Zuneigung sind hier untrennbar miteinander verbunden, das eine gibt es nicht ohne das andere, ja, beides bedingt sich sogar, und so drehen die drei sich in ihrem grausamen Mobile der Gewalt bis der Vater eines Tages einfach beschließt auszubrechen und verschwindet. Mutter und Sohn, ihres perfiden Puppenspielers beraubt, doch unfähig den ihnen zugeteilten Rollen zu entkommen, taumeln umeinander und steuern unaufhaltsam einer so ungeheuerlichen wie zwangsläufigen Tat entgegen.
Valerie Fritschs „Zitronen“ ist ein Buch, das ich Wort für Wort zitieren möchte und das ist paradoxerweise sowohl die Stärke des Textes, als auch seine Schwäche. Schmal ist der Roman und dabei extrem gehaltvoll, jedes Wort sitzt und jeder Satz lässt ein fertiges Bild in meinem Kopf entstehen. Das ist ohne Frage eine literarische Leistung, aber auch anstrengend. Ich mag es, mich in eine Geschichte hineinfallen zu lassen, ohne mich dabei konzentrieren zu müssen; die Sätze langsam in sich selbst, ihre Bedeutung hineinwachsen zu sehen. Die blumig-poetische Sprache scheint den bedrohlichen Inhalt hier fast zu erdrücken, sich über diesen zu erheben, statt ihn zu (unter)stützen. So blieben die Figuren für mich durchweg auf Distanz, nicht ganz greifbar. Nichtsdestotrotz eine große Empfehlung für alle, die sich auf das Thema „Münchhausen by proxy“ einlassen mögen und Lust auf gute Literatur hohen sprachlichen Niveaus haben!
Valerie Fritschs Roman "Zitronen" erzählt die bewegende und verstörende Geschichte von August Drach, einem Jungen, der in einem Umfeld aufwächst, das sowohl Hölle als auch Paradies ist. In einem Haus am ...
Valerie Fritschs Roman "Zitronen" erzählt die bewegende und verstörende Geschichte von August Drach, einem Jungen, der in einem Umfeld aufwächst, das sowohl Hölle als auch Paradies ist. In einem Haus am Dorfrand, geprägt von den Grauen des Missbrauchs durch seinen Vater und der manipulativen Liebe seiner Mutter, lernt August, mit den Widersprüchen von Zärtlichkeit und Gewalt umzugehen. Valerie Fritsch, geboren 1989 in Graz, ist eine gefeierte Autorin und Künstlerin, die bereits mit mehreren Preisen, darunter dem Brüder-Grimm-Preis, ausgezeichnet wurde. "Zitronen" ist Teil der übermorgen Buchreihe, die sich auf moderne, spannende und tiefgründige Literatur konzentriert und darauf abzielt, die Vielfalt und Qualität der Gegenwartsliteratur hervorzuheben.
Worum geht's genau?
In "Zitronen" entfaltet sich die Geschichte von August Drach, der in einem emotional instabilen Umfeld aufwächst. Sein Vater ist enttäuscht von seinem Leben und zeigt nur Zuneigung zu den Hunden, während seine Mutter, zunächst liebevoll, ihm heimlich Medikamente ins Essen mischt, um ihn zu kontrollieren und Aufmerksamkeit zu gewinnen. Als August schließlich in der Lage ist, aus dem Griff seiner Mutter auszubrechen und ein eigenes Leben zu führen, bleibt die Frage, wie er die Narben seiner Kindheit überwinden kann. Der Roman thematisiert die Komplexität von Liebe und Grausamkeit und lädt dazu ein, über die Auswirkungen von Kindheitstraumata nachzudenken.
Meine Meinung
Die Diskussion um das Buch in meiner Instagram-Buchbubble war äußerst polarisiert. Während einige begeistert von der Erzählweise waren, konnten andere nicht viel damit anfangen. Da das Buch für den Österreichischen Buchpreis 2024 nominiert wurde, wollte ich mir selbst ein Bild davon machen. Der Umschlag ist ein wahrer Blickfang: Er symbolisiert die Zerrissenheit der Geschichte – auf den ersten Blick aufgeräumt und in strahlenden Farben, offenbart sich bei genauerem Hinsehen eine zerbrochene, scharfe Ordnung. Der Titel „Zitronen“ weckt Assoziationen von Sommer, hat aber auch eine herbe, saure Note.
Der Einstieg in die Geschichte fiel mir anfangs nicht leicht. Der sehr eigenwillige und beschreibende Stil der Autorin erforderte etwas Eingewöhnungszeit, aber der Inhalt entpuppte sich als faszinierend. Während die Erzählung zu Beginn etwas gemächlich verläuft, zieht das Tempo gegen Ende plötzlich an – für mich persönlich fast zu abrupt. Ich habe viele Stellen im Buch markiert, die besonders eindrucksvoll waren.
Fritsch thematisiert eindrucksvoll die Koexistenz von Grausamkeit und Fürsorge sowie von Gewalt und Zärtlichkeit in einer kühlen, distanzierten Sprache, die die Erlebnisse des Protagonisten noch bedrückender erscheinen lässt. Sie verzichtet auf übertriebene Dramatik oder sentimentale Ausbrüche und bleibt neutral, während sie die Geschichte in einem fast chronologischen Stil präsentiert, der durch kraftvolle Metaphern aufgebrochen wird.
Inmitten dieser dunklen Erzählung stellen die Zitronen einen Hoffnungsschimmer dar, der in der traurigen Geschichte leuchtet. Das Zitronensymbol zieht sich durch das gesamte Werk, bleibt dabei jedoch unaufdringlich und voller Bedeutung. Besonders eindrucksvoll wird es in der Beschreibung eines Urlaubs in dem Land, wo die Zitronen blühen, in dem August schließlich aufblüht und das Leben neu entdeckt. Das Bild der Zitronen begleitet ihn sein ganzes Leben lang.
Fritsch thematisiert schwierige Themen wie Kindesmissbrauch und deren verheerende Folgen, die an manchen Stellen kaum auszuhalten sind. Einige Episoden sind detailreich, während andere lückenhaft bleiben, was die fragmentierte Natur von Augusts Erinnerungen widerspiegelt.
Insgesamt hat mir das Buch gefallen, auch wenn es nicht leicht zu verdauen ist. Valerie Fritsch schafft es, ein komplexes Thema mit einer eindringlichen Sprache zu verbinden und hinterlässt beim Leser einen bleibenden Eindruck. Dennoch hätten einige Aspekte der Erzählweise, insbesondere der abrupte Wechsel im Tempo, verbessert werden können.
Fazit
"Zitronen" von Valerie Fritsch ist eine bewegende und tiefgründige Erzählung über die Auswirkungen von Kindesmissbrauch und die Komplexität von Liebe und Grausamkeit. Trotz des eigenwilligen Stils und des teilweise abrupten Tempos verdient das Buch eine Bewertung von 4 von 5 Sternen, da es auf eindringliche Weise auf wichtige Themen aufmerksam macht.
Ein gewaltätiger Vater und eine Mutter mit dem Münchhausen Stellvertreter-Syndrom, die ihr eigenes Kind bewusst krank macht, um es bei sich behalten und umsorgen zu können. Das ist die traurige Kindheit ...
Ein gewaltätiger Vater und eine Mutter mit dem Münchhausen Stellvertreter-Syndrom, die ihr eigenes Kind bewusst krank macht, um es bei sich behalten und umsorgen zu können. Das ist die traurige Kindheit von August Drach (jun.), die ihn für immer prägen wird. Auch wenn er dem Elternhaus irgenwann entfliehen kann, sind die innerlichen Wunden so schlimm, das es ihn nicht loslässt und eines Tages an den Schauplatz der Tragödie zurückführt.
Eine bewegende Geschichte, die das Ausmaß und die Auswirkungen von Kindesmissbrauch erschreckend deutlich machen.