Vererbte Wut
Alex Schulman hat mit seinem Roman „Verbrenn all meine Briefe“ einen sehr persönlichen Roman über die eigene Biografie geschrieben. Über sich selbst erschrocken bemerkt der Autor, dass nicht nur seine ...
Alex Schulman hat mit seinem Roman „Verbrenn all meine Briefe“ einen sehr persönlichen Roman über die eigene Biografie geschrieben. Über sich selbst erschrocken bemerkt der Autor, dass nicht nur seine Frau nicht länger gewillt ist seine Wutausbrüche zu ertragen, sondern dass er auch seinen Kindern Angst zu machen scheint. Er beginnt den Ursprung seiner Wut zu ergründen und sucht sich therapeutische Hilfe.
Jetzt möchte er mehr über den jähzornigen Großvater erfahren und beginnt intensiv zu recherchieren.
Neben Berichten über seine Recherche, gibt es immer wieder Kindheitserinnerungen des Autors in Bezug auf seine Großeltern und ein weiterer Erzählstrang wird durch das gefundene Recherchematerial wie z.b Briefe und Tagebücher gefüllt.
Es ist die Geschichte einer Dreiecksbeziehung ohne Happy End, soviel kann man vorwegnehmen. Die blutjunge Übersetzerin Karin heiratet den bekannten Schriftsteller Sven Stolpe, der sie immer mehr einengt und demütigt. Sie lernt Olof, einen jungen, aufstrebenden Schriftsteller kennen und verliebt sich in ihn. Ich mochte die vorsichtige Annäherung zwischen Karin und Olof, der ein ganz anderer Typ als ihr Ehemann ist. Karin gewinnt zunehmend an Selbstbewusstsein und blüht in ihrer Affaire auf.
Doch Sven in seiner Eifersucht lässt keinen Zweifel offen, dass man ihn nicht verlässt ohne selbst vernichtet zu werden.
Diese Familiengeschichte kommt wirklich einem Thriller nah und hat mich sehr erschüttert. Man kann sich natürlich fragen, ob es ethisch vertretbar ist die eigene sehr persönliche Familiengeschichte post mortem zu veröffentlichen, zumal sowohl der Schriftsteller Sven Stolpe als auch sein Konkurrent Olof Lagercrantz sehr bekannt waren. Ich denke aber schon, da sich der Autor das Einverständnis der Familien eingeholt hat und es sich um einen Roman handelt, der natürlich auch fiktionale Momente hat.
Ich finde Alex Schulman hat die tragische Geschichte seiner Familie sehr ehrlich, sensibel und respektvoll erzählt. Der Erzählstil hat mir ausgesprochen gut gefallen. Seine Geschichte macht es sehr nachvollziehbar, dass die toxischen Wesenszüge des Großvaters auch die nachfolgenden Generationen vergiftet hat.
S. 178 der Autor über seine Großmutter Karin :
„ und so ist sie mir in Erinnerung geblieben – selbst nach all den Jahren der Demütigungen durch Sven. Sie hatte Selbstachtung. Sie wurde zwar von ihm klein gemacht, erhielt sich aber eine Art Würde. Sie schrumpfte mit geradem Rücken.“