Der Herbst des Lebens und viel mehr als ein Brexit-Roman.
„Herbst“ ist der erste Band des Jahreszeitenquartetts der 1962 in Schottland geborenen Ali Smith, die mit diesem Roman zum vierten Mal auf der Shortlist des Man Booker Prizes platziert war.
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„Herbst“ ist der erste Band des Jahreszeitenquartetts der 1962 in Schottland geborenen Ali Smith, die mit diesem Roman zum vierten Mal auf der Shortlist des Man Booker Prizes platziert war.
Hier werden die gesellschaftspolitischen Veränderungen und der gegenwärtige Zustand nach dem Brexit-Votum beschrieben, aber auch die Themen Freundschaft, Kurzlebigkeit, Flüchtigkeit und Vergänglichkeit spielen eine Rolle.
Der 101-jährige jüdische Pflegeheimbewohner Daniel, ein ehemaliger Schlagerkomponist, liegt im Sterben.
Die 32-jährige Aushilfdozentin Elizabeth, seine ehemalige Nachbarin, begleitet ihn in dieser letzten Phase seines Lebens.
Sie sitzt jeden Tag lesend an seinem Krankenbett und jedes Mal, wenn er aus seinem Dämmerschlaf erwacht, fragt er sie: „Was liest Du gerade?“
Daniel hatte eine große Bedeutung in Elizabeths Leben. Er war gleichermaßen Vaterersatz, Vertrauter, Freund und Mentor, führte sie in die Welt der Bücher ein und ermunterte sie durch Fragen und Diskussionen zu selbstbestimmtem, unabhängigem und kritischem Denken.
Er begleitete sie sozusagen ins Erwachsenenleben, was von ihrer Mutter skeptisch beäugt wurde.
Ist es nicht verdächtig, wenn sich der Fremde aus dem Nachbarhaus so intensiv der Tochter widmet? Muss man nicht misstrauisch werden, wenn man deren gegenseitige Zuneigung wahrnimmt?
Während dieser letzten gemeinsamen Zeit im Pflegeheim, in der Elizabeth dem Greis etwas von dem zurückgeben möchte, was er ihr einst geschenkt hat, hängen sie zusammen Gedanken nach und schweigen in Erinnerungen und Rückblenden.
Es sind gegenwartsbezogene Gedanken, wie Kunst, Rassismus und Brexit-Votum, Rückblenden in die Zeit des Krieges und Erinnerungen an die Kindheit, die die beiden beschäftigen und verbinden.
Ali Smith schreibt anschaulich, ergreifend und poetisch und appelliert subtil an mehr Menschlichkeit. Den typisch britischen Humor hat sie dabei gekonnt eingebaut.
„Herbst“ ist ein beeindruckender und wortgewandter Roman, der Politik fast nebenbei, äußerst unaufdringlich, unterhaltsam und poetisch vermittelt und viele Denkanstöße gibt.
Ich empfehle dieses besondere, außergewöhnliche und aktuelle Buch, das mich bald in seinen Bann zog, äußerst gern weiter, bin nun gespannt auf die Folgebände und freue mich schon sehr darauf, sie zu lesen.