Die Geschichte von Louise und Mika fühlt sich an wie eine liebevolle Umarmung!
Mit "Wie Wellen im Sturm" beginnt die neue Love-is-Reihe von Alicia Zett. Ohne große Erwartungen, aber mit Lust auf eine süße, queere Young-Adult-Romance habe ich mir das Buch für Bonuspunkte bei der Lesejury ...
Mit "Wie Wellen im Sturm" beginnt die neue Love-is-Reihe von Alicia Zett. Ohne große Erwartungen, aber mit Lust auf eine süße, queere Young-Adult-Romance habe ich mir das Buch für Bonuspunkte bei der Lesejury geholt und nun überraschenderweise in zwei Tagen weggesuchtet. Denn: die Geschichte von Louise und Mika fühlt sich an wie eine liebevolle Umarmung!
Schon das Cover ist ganz nach meinem Geschmack und steckt voller passender Details. Zunächst ist die Gesamtgestaltung in den Farben Rot, Orange, Weiß, Lila und Pink auf die lesbische Flagge abgestimmt. Das Wellenmuster des reflektierenden Covers passt zum Setting am Meer sowie dem Titel und die beiden Figuren sind als Illustration von Mi Ha sehr treffend zum Leben erweckt worden. Auch die Innenklappen der Broschur und die Kapitelanfänge sind mit Illustrationen wie dem Schulwappen des Internats Schloss Mare, und Wellen schön ausgestaltet. Am Ende des Buches ist außerdem eine Pronomentabelle zur richtigen Deklination von Neopronomen beigefügt, was für eine Nebenfigur hier relevant ist.
Erster Satz: "Kimaris Haare peitschten durch die Lüfte, während sie ihre Beine in Arokhs schuppige Flanken presste."
Die Geschichte beginnt mit einer kurzen Einführung in das Leben der gerade 16 gewordenen Louise, die nach einem verhängnisvollen Kuss zur Außenseiterin in ihrer Freundesgruppe geworden ist. Da sie nach dem Tod ihrer Eltern mit ihrem Bruder auf dem Bauernhof ihrer Großeltern lebt, Schwierigkeiten mit lauten Geräuschen, Gerüchen und neuen Situationen hat und am liebsten in ihre Geschichten vertieft auf einem Baum sitzt, fühlt sie sich auch so schon wie ein Sonderling und die neuen, verwirrenden Gefühle machen es nicht gerade besser. Als sie durch ein Stipendium die Möglichkeit erhält, an einem Internat an der Nordsee einen Neuanfang zu wagen und sich ganz ihren Geschichten zu widmen, sagt sie sofort zu und nach wenigen Kapitel geht´s dann schon auf ins Internat Schloss Mare, in dem nicht nur neue Freundschaften und Erfahrungen, sondern auch eine erste Liebe auf sie warten...
"Wir rasen weiter über die asphaltierte Straße und jagen durch die Nacht. Kühler Wind schlägt mir ins Gesicht und meine Haare fliegen wild durch die Luft. (...) Das hier ist definitiv gefährlich, aber es fühlt sich nicht so an. Es fühlt sich an wie das Beste, was ich je getan habe. Vielleicht ist es doch nicht so schwer, mutig zu sein."
Eine Geschichte über Fußball, Freundschaft, Queerness, Bauernhof, Internat und erste Liebe? Alicia Zett vereint hier eine Menge toller Motive, Settings, Tropes und Themen. Neben dem Internatsvibe und den Ferien auf dem Bauernhof (durch die ich mich an Kindheitslektüren wie die "Wilde Hühner", "Dolly" und Co zurückerinnert habe) spielt vor allem Fußball eine wichtige Rolle in dem Buch. Der Mannschafts- und Teamgeist der Spielerinnen und ihre Begeisterung für den Sport ist hier in jeder Zeile wiederzufinden. Für mich, die selbst jahrelang Fußball gespielt hat, war das total gut nachzuvollziehen und hat viele schöne Erinnerungen geweckt. Aber auch wer nicht so viel mit Fußball anfangen kann, wird sich in gewisser Weise in der Geschichte wiederfinden. Denn mit universalgültigen Themen wie Heimat, Freundschaft, Liebe, Träume und Dazugehören kreiert die Autorin eine absolute Wohlfühlatmosphäre.
"Ich greife nach meinem Notizheft, hänge mir die Kopfhörer um den Hals und schlüpfe in meine dicke Winterjacke. Dann folge ich Mika nach draußen und versuche zu ignorieren, dass da gerade etwas in Mikas Augen war, das ich noch nie zuvor gesehen habe. Das bildest du dir sicher ein. Und was, wenn nicht?"
Anders als in vielen Young-Adult-Büchern gibt es dabei erfrischend wenig Schwierigkeiten oder Dramen und dadurch auch wenige großen Emotionen, sondern eher leise Entwicklungen, wodurch sich die Geschichte angefühlt hat wie eine liebevolle Umarmung. Auch der außergewöhnliche Schreibstil der Autorin sorgt dafür, dass man mit dem Lesen gar nicht mehr aufhören möchte. Egal ob der gemütliche Bauernhof von Louises Großeltern, das majestätische Internat direkt an der Nordsee oder den Ausflug nach London, die Autorin hat ein überraschendes Talent dafür, Orte lebendig werden zu lassen. Joggingrunden am Strand bei Sonnenaufgang, abendliche Ausflüge mit dem Fahrrad, Weihnachten auf dem Bauernhof, Hühnerstreicheln und verschneite Ausritte, ein Fußballturnier in London... die 446 Seiten sind voller wundervoller Momente, die ich so lebendig vor Augen hatte, als wäre es ein Film. Toll fand ich auch, dass hier immer wieder Ausschnitte aus dem Schreibprojekt der Hauptfigur über die Drachenreiterin Kimari, die sich in eine Prinzessin verliebt beigefügt sind. Auch diese, typografisch vom Rest abgehobene Passagen, sind so charmant geschrieben, dass ich sie am liebsten weitergelesen hätte.
"Dieser Kuss ist ruhiger, was ihn aber nicht weniger überwältigend macht. Ich glaube, ich könnte Mika auf jede erdenkliche Art küssen und alle davon würden mir den Atem rauben. Ihre Lippen öffnen sich, ich ziehe sie näher an mich, spüre ihr kühle Wange an meiner und alles an diesem Moment fühlt sich grenzenlos an."
Auch wenn ich also eine großartige Zeit mit dem Buch hatte, habe ich noch einige kleine Kritikpunkte. Denn der Plot an sich ist leider etwas vorhersehbar und durch recht viele Zeitsprünge gerafft. Unsere Hauptfigur und Ich-Erzählerin Louise kommt innerhalb von weniger Seiten im Internat an und wird ohne große Umschweife herzlich in die Freundesgruppe aufgenommen. Dadurch hat sie zwar Zeit und Raum für eine großartige Charakterentwicklung und ich empfand es auch als sehr vorbildhaft und herzerwärmend, wie schnell die anderen Mädels Lou ins Herz geschlossen haben. Etwas mehr Alltagsleben im Internat, ein paar mehr Herausforderungen und ein bisschen mehr Zeit für die Liebesgeschichte hätten aber definitiv nicht geschadet, um die Geschichte etwas komplexer und nicht so gradlinig zu machen. Auch die Freundesgruppe ist durch ihren offenen, toleranten Umgang miteinander sehr sympathisch, die Nebenfiguren bleiben aber an einigen Stellen noch etwas blass, sodass ich manchmal die Figuren verwechselt habe. Positiv hervorgestochen sind Mika und Tari (wie toll, dass die Autorin hier eine non-binäre Person vorkommen lässt!!!), aber auch andere haben viel Potenzial, sodass Band 1 viel Lust auf die anderen Bände der Reihe macht!
Fazit:
"Wie Wellen im Sturm" ist eine wundervolle queere Liebesgeschichte mit einem lebendigen Setting, einem außergewöhnlichen Schreibstil, einer tollen Charakterentwicklung, einer schönen Message und wichtigen Themen. Ich bin nun sehr neugierig auf die anderen Bände von Alicia Zetts Love-is-Reihe!