Montalban gerät in Versuchung
Wenn man den 23. Band der Montalbano Krimis liest, bleibt es nicht aus, dass man den Commissario wie einen alten Freund kennt. Man weiß um seine kulinarischen Vorlieben, geht fast täglich mit ihm zur Trattoria ...
Wenn man den 23. Band der Montalbano Krimis liest, bleibt es nicht aus, dass man den Commissario wie einen alten Freund kennt. Man weiß um seine kulinarischen Vorlieben, geht fast täglich mit ihm zur Trattoria von Enzo und anschließend zur Mole, um über das Alter zu sinnieren. Ich amüsiere mich über die altbekannten Namensverballhornungen des Catarella oder die Leidenschaft des Fazio alle Personen bis in die dritte Generationen zu verfolgen und ärgere mich über die immer gleichen Telefonate mit Lydia, aber trotzdem bin ich immer wieder fasziniert, wie Andrea Camilleri aus einigen Puzzlestücken einen logischen spannenden Kriminalfall aufbaut.
Zwei Sprengstoffattentate vor leer stehenden Lagerräumen, ein – zwei anonymen Briefe, einer Nachbarin, die Montalbano schöne Augen macht und einem jungen attraktiven Damenmodeverkäufer, das sind die Eckpunkte die dem Commissario zu schaffen machen. Er fühlt sich wie in einem Spiegellabyrinth gefangen, was ist echt und was ist Schein? Er ist ein wenig müde geworden, kokettiert mit seinem Alter, aber wenn es darauf ankommt, funktioniert sein Scharfsinn, genau wie seine Reflexe.
Schnell wird ihm klar, dass seine Nachbarin Liliana ganz eigene Interessen verfolgt und ihn aus Berechnung umgarnt, aber er macht das Spiel mit und spielt auch gleichzeitig mit dem Feuer, denn den Reizen einer schönen Frau kann Montalbano nur schwer widerstehen.
Camilleri ist ein Könner, er schreibt elegant und vermittelt so wunderbar die Stimmung Siziliens, dass ich sofort hinreisen möchte. Mich verwundert, dass er es auch noch nach so vielen Büchern um Commissario Montalbano schafft, den Leser zu fesseln, auch wenn sich in diesem Band die Spannung erst spät aufbaut. Aber umso überraschender sind die Haken, die geschlagen werden, bis sich aus einigen scheinbar ganz verschiedenen Ereignissen eine logische Auflösung ergibt.
Wenn Krimi Reihen anwachsen, lässt oft die Qualität und die Originalität nach, aber nicht so bei Camilleri. Lediglich die häufigen Wiederholungen seiner kulinarischen Vorlieben und die täglichen Streitereien mit Lidia am Telefon finde ich allmählich störend.
Trotzdem: ich habe bisher alle Bände gelesen und werde auch in Zukunft keinen verpassen.