Rahel lebt in einem kleinen Dorf und ist als Tochter eines einfachen Holzfällers eine Außenseiterin. Nur ihre Eltern wissen um ihr Geheimnis, denn Rahel kann sich in ein Reh verwandeln und streift so immer wieder durch die Wälder. Als ein Jäger ihre besondere Fähigkeit entdeckt, flieht sie ins Schloss und findet Anstellung in der Küche. Die hat viel zu tun, denn die Brautschau des Prinzen findet statt und durch einen Zufall soll auch Rahel daran teilnehmen. Während sie den Prinzen immer besser kennen lernt, ziehen dunkle Mächte an den Fäden. Denn eigentlich wird gar keine Braut gesucht und Rahel ahnt nicht, was das mit ihr und ihren Fähigkeiten zu tun hat.
Ich hatte ein bisschen Probleme, in die Geschichte hineinzukommen. Das Tempus ist Präsens und die Gleichzeitigkeit sorgt bei mir immer für eine gewisse Distanz, die Spannung kommt weniger an. Nach den ersten Kapiteln hatte sich das aber gelegt. Rahel ist eine tolle Figur, von der ich gerne gelesen habe. Sie ist etwas unbeholfen und sieht manchmal den Wald vor lauter Bäumen nicht, aber sympathisch. Dagegen wirkt der Prinz wie ein klasse Melancholiker – fast schon wieder zu viel Klischee.
Während die Geschichte des Prinzen in Rückblicken, die noch seinen Vater betreffen, erzählt wird, lernt Rahel ihn in der Gegenwart kennen. Diese unterschiedlichen Sichtweisen formen ein schönes Bild und lassen das große Ganze erst am Ende erkennen. Manche Fäden bleiben dabei etwas in der Luft hängen. Rahels Angst etwa, ihre Verwandlung in ein Reh wegen der Jagd am Schloss, nicht aufhalten zu können, wird einmal angesprochen und ist dann einfach verschwunden.
Das Buch ist sehr auf Rahel konzentriert, so dass die Entwicklung des Prinzen zwar hier und da angedeutet wird, seine Taten dann aber doch unerwartet kommen. Rahels Hinwendung zu ihm passiert gemächlicher und das ein oder andere Mal habe ich mich gefragt, ob es wirklich von ihr ausgeht. Gerade am Ende blieb mir hier ein fahler Nachgeschmack. Er ist ein viel zu wankelmütiger Charakter, als dass ich ihm vertrauen könnte und gerade Rahel, deren Instinkt sonst so ausgezeichnet ist, ignoriert ihn hier. Dass die Beziehung zwischen den Beiden langsam mitgesponnen wurde und kein Absolutum war, hat mich sehr gefreut.
Etwas irritiert war ich auch durch die Auflösung um Rahels wahre Herkunft. Hier blieb sie viel zu gelassen, das Konfliktpotential wurde nicht einmal angekratzt und die Auflösung war mir zu simpel. Hier ein Friede-Freude-Eierkuchenbild zu produzieren, wo die Umwürfe in ihrer familiären Konstellation so weitreichend sind, wirkte fade. Nun solle es einen zweiten Teil geben und ich einige der Punkte sollen laut der Autorin dort wieder aufgegriffen werden.
Insgesamt war es eine schöne Geschichte. Einige Handlungsstücke fand ich unausgearbeitet oder eben einfach noch nicht abgeschlossen. Das lässt sich erst sagen, wenn ich auch den zweiten Teil kenne. Der Stil war angenehm, lediglich an das Präsens musste ich mich hier etwas gewöhnen. Für junge Leser eine empfehlenswerte Geschichte mit einer starken Heldin, Abenteuern und einem großen Geheimnis.