"Warum hast du das gemacht?" Er schob die Strähne aus meinem Gesicht, und mein Atem blieb stehen. Er berührte mich. Einfach so. Wir bewegten uns auf gefährlichem Gebiet. Wenn jemand uns beobachtete... Zieh dich zurück , sagte ich zu mir selbst. Geh weg, jetzt. Aber ich stand wie angewurzelt da und blickte hinauf in seine dunklen Augen.
Inhalt:
Eine neue Zukunft, mit schrecklichen Gefahren und einer Liebe, wie Tag und Nacht.
Zwei ist ein Mädchen von unten. Zusammen mit ihrer Enklave, ihrem Stamm, lebt sie im Untergrund von New York. Säureregen hat die Bewohner, vor langer Zeit nach unten in die U-Bahn-Tunnel getrieben. Gefangen in einer neuen Welt, formt die Enklave neue Gesetze und Tagesabläufe. Einer davon ist die große Namensgebung. Durch ein Ritual, bekommt ein Blag, ein ehemaliges Kind, seinen Namen und seinen neuen Beruf zugeteilt. Auch Zwei bekommt ihren Namen und die Kennzeichnung von sechs Schnitten auf ihren Untenarmen, die sie als eine Jägerin auszeichnen. Damit ist sie nun anerkanntes Mitglied ihrer Gemeinschaft. Voller stolz, dass sie kein Zeuger, welche für Nachwuchs sorgen müssen, oder Schaffer, welche alle nützlichen Dinge für die Gemeinschaft herstellen geworden ist, freut sie sich auf ihre bevorstehenden Aufgaben als Jägerin. Doch als sie dem verschlossenen und Außenseiter Bleich, zugeteilt wird, ist sie zunächst mehr als skeptisch. Denn Bleich ist alles Andere als anerkannt. Vor einigen Jahren kam er alleine durch die U-Bahn-Schächte. Keiner wusste woher, keiner wusste wie er überleben konnte. Denn in den Tunneln wimmelt es von Gefahren. Die wohl größte Gefahr stellen die Freaks dar. Mutationen, die vom Blutdurst getrieben werden und alles verschlingen wollen, was sich ihnen in den Weg stellt.
Und dann kommt der Tag des Schreckens, der Tag der Wende. Als Zwei und Bleich von einer Patrouille zurückkehren, wird ein guter Freund von Zwei nach Oben verbannt, sein sicheres Todesurteil. Ohne lange zu überlegen nimmt Zwei, die Schuld auf sich und wird somit an seiner Stelle verbannt. Doch zu aller Überraschung, ist Bleich bereit ihr zu folgen, denn schließlich sind sie Partner. Es beginnt ein brutales, schreckliches und verstörendes Abenteuer für die Beiden. Denn Oben ist anders, als sich die Menschen aus dem Untergrund zuflüstern und es birgt grausame, neue Gefahren.
Schreibstil:
Ann Aguirre hat einen außergewöhnlichen, aber angehemen Schreibstil. Dabei fällt es dem Leser sehr leicht, direkt in ihren Worten und damit auch in der Geschichte zu versinken, denn ihre Worte sind einfach gewählt und bauen durch eine gewisse Banalität und Grausamkeit, einen unglaublichen Spannungsbogen auf, der erst auf der letzten Seite hoch abreißt. Die Autorin bringt schnell auf den Punkt was sie sagen will, formuliert demnach relativ simpel und erschafft so eine passende Atmophäre, die perfekt zu der Geschichte und ihrer Grundidee passt. So ziert sie sich zum Beipeiel nicht, jede Brutalität und jedes Blutbad genau zu schildern, genau diese Tatsache, machen das Leseerlebnis in diesem Buch zu etwas ganz neuem. Dazu ist jedoch anzumerken, dass Ann Aguirre an manchen Stellen, auch durchaus poetisch und wunderschöne Sätze kreieren kann. Diese passen dann oftmals auch perfekt in die Situation und beschreiben demnach zum Beispiel schöne oder auch romantisch Stellen und verursachen beim Leser ein süßes, leises Kribbeln in der Magengegend. Demnach ist zu sagen, dass die Autorin sich gut darauf versteht, ihren Schreibstil den passenden Momenten anzupassen und somit jeden Leser, wie im Strudel, in ihre Geschichte zu ziehen.
Idee/Umsetzung:
Die Idee von Ann Aguiree ist durchaus neu und unverbraucht und bietet eine grausame und erschreckende Zukunftsvision, die zum Nachdenken anregt. Dabei ist ihr Konzept sehr gut durchdacht und nahezu perfekt umgsetzt. Im Anhang des Buches findet sich demnach eine kleine Erläuterung, warum sie sich für verschiedene Elemente in ihrer Geschichte entschieden hat. Ich persönlich finde diesen Anhang durchaus interessant und auch spannend, denn er erzählt etwas über die Autorin und legt offen, dass ihre Ideen auf wahren Ereignissen gründen. Jedoch will ich an dieser Stelle nicht zu viel verraten, denn ich möchte euch nicht diese kleine Entdeckung vorweg nehmen. Demnach muss ich festhalten, dass die Grundidee und dessen Umsetzung sehr kraftvoll und glaubhaft verwirklicht wurden. Die einzige Schwäche aus meiner Sicht war, dass für den Leser sehr viele Frage offen geblieben sind und auch einige Dinge einfach nicht genau genug erklärt wurden. Somit wirkt besonders das Ende, an einigen Stellen ziemlich abgebrochen und die Antworten verlieren sich geradezu hinter den Buchstaben, die urplötzlich und überraschend, das schnelle Ende offen legen. Demnach schmeckt die letzte Seite dieser grausamen Dystopie, bitte auf der Zunge nach und man sucht vergebens, nach einem weiteren Kapitel, welches einem alle offenen Fragen beantwortet. Man bleibt also ein wenig unzufrieden und neugierig zurück.
Charaktere:
Die dargestellten Figuren in "Die Enklave", sind jede für sich einzigartig und unglaublich liebevoll dargestellt. Besonders die Buchheldin Zwei, wächst dem Leser schnell ans Herz. Sie ist mutig, kämpferisch, ohne Angst und sehr liebevoll. Oft zweifelt Zwei an dem System von ihrer Enklave, doch imme setzt sich ihre warme und herzliche Art durch und besiegt jeden Zweifel. So kann man nur staunen, als sie sich freiwillig für ihren Freund verbannen lässt und damit dem sicheren Tod entgegen sieht. Es hat mir richtig Spaß gemacht, mit ihr durch einen Strudel aus Gefühlen zu wandeln, zu kämpfen und auf eine bessere Welt zu hoffen die irgendwo, fern verborgen liegt. Aber auch ihre Gegenfigur Bleich ist eine tolle, männliche Nebenfigur zu Zwei. Er ist verschlossen, rücksichtsvoll, kämpferisch und in ihm lebt der Wille der Rebellion. Denn er ist mehr als unzufrieden mit den Regeln der Enklave. Schnell wird klar, dass die beiden, wie Tag und Nacht sind und sich gerade deshalb so sehr anziehen. Denn ist Zwei oftmals zwischen Regeln und Freiheit hin und her gerissen und zweifelt, so ist Bleich voller Kraft und Mut etwas zu verändern. Bleich und Zwei sind demnach ein unglaubliches Gespannt, die den Leser durch die Seiten hinweg begleiten und zum Mitfiebern animieren. Ich habe beide sehr ins Herz geschlossen und denke, dass ich sie nun sehr vermissen werde.
Cover:
Ich finde, diesmal könnten die Cover unterschiedlicher nicht sein. Denn zwar spiegeln die beiden letzten Cover, die Stimmung und die Welt von Ann Aguirre perfekt wieder: grau, gefährlich und primitiv. Doch ist für mich das deutsche Cover trotzdem, um einiges schöner und viel ansprechender. Denn es wirkt nicht so robust, wie die Anderen beiden, ist aber trotzdem passend. Ich muss also zugeben, dass diesmal das deutsche Cover meinen ganzen Zuspruch bekommt. Denn hätte ich eines der anderen Cover gesehen, wäre ich niemals, auch nicht im Entferntesten, darauf gekommen die Geschichte hinter dem Buchdeckel zu entdecken.
Fazit:
"Die Enklave" von Ann Aguirre ist eine spannende, gruselige und an den Nevern ziehende Geschichte, die seinen Leser direkt nach den ersten Seiten in eine erschreckende Zukunftsvision zieht. Dabei packt die Autorin einen durch ihren, auf Situationen abegstimmten Schreibstil, der einen berührt und zugleich auch ängstigt. Ich finde hier ist eine unglaubliche Geschichte entstanden, die eine ausgeprägte und erfrischende Grundidee, mit liebevollen und einzigartigen Charakteren vermischt. Auch wenn am Ende einige Fragen offen bleiben, so lässt einen dieses Buch verstört und nachdenklich zurück. Ich hoffe sehr, dass wir bald weitere atemberaubende und spannende Geschichten von Ann Aguirre erwarten können. Ich bin jedenfalls gespannt und voller Neugierde.