Auch Schüchtern zu sein ist voll okay - einfühlsam erzählte, hübsch bebilderte Geschichte mit toller Botschaft
Als sich der neue Nachbar Bill bei Kätzchen Nora und ihren Freunden vorstellt, bekommt Nora erst einmal einen ziemlichen Schrecken. Bill hat nämlich eine sehr laute Stimme und ist ganz schön aufdringlich. ...
Als sich der neue Nachbar Bill bei Kätzchen Nora und ihren Freunden vorstellt, bekommt Nora erst einmal einen ziemlichen Schrecken. Bill hat nämlich eine sehr laute Stimme und ist ganz schön aufdringlich. Während die anderen mit Bill viel Spaß haben, traut sich Nora nicht mitzumachen und beobachtet die Situation lieber aus der Ferne. Auch Eddi geht es ähnlich. Doch dann vermisst Bill sein Banjo. Ob Nora helfen kann?
Anna Böhm erzählt gut verständlich und sehr lebendig. Die Geschichte lässt sich dank der klaren, kindgemäßen, natürlichen und authentischen Sprache leicht und flüssig vorlesen. Viel wörtliche Rede sorgt dabei für Abwechslung. Bills Redebeiträge sind oft in Großbuchstaben und Sprechblasen gedruckt. So ist klar zu sehen, dass er etwas lauter und mit Temperament spricht.
Absolut gelungen sind die niedlichen, bunten, großen Bilder, die teils in Collagentechnik gestaltet sind. Die verschiedenen Figuren haben ausdrucksstarke und drollige Gesichtsausdrücke. Einige Elemente der Motive sind Fotos, aber erst nach genauem Hinsehen als solche zu erkennen. Auf den detaillierten Illustrationen gibt es sehr viel zu entdecken. Die Geschichte richtet sich an Kinder ab vier Jahren zum Vorlesen.
In das schüchterne Kätzchen Nora können sich zurückhaltende Kinder sicher gut hineinversetzen. Nora fühlt sich vom lauten, selbstbewussten Bill erstmal überfahren. Sie mag es nicht, im Mittelpunkt zu stehen, findet dann keine Worte für das, was sie empfindet und ausdrücken möchte. Doch dafür beobachtet Nora sehr genau und bekommt Dinge mit, die anderen entgehen. Während Schäfli und Maus Pauli keine Probleme mit Bills forscher Art haben, zieht sich Esel Eddi auch erst einmal zurück.
In Noras bunter Wohngemeinschaft tummeln sich ganz verschiedene Charaktere. Sie alle reagieren unterschiedlich, ergänzen sich aber prima und harmonieren gut miteinander. In dieser WG lässt es sich sicher wohlfühlen.
Selbstbewusstes Auftreten und „sich gut verkaufen zu können“ wird in unserer extrovertierten Gesellschaft immer wichtiger. Autorin Anna Böhm zeigt mit ihrer Geschichte feinfühlig und kindgemäß, dass aber auch ruhige, schüchterne Menschen unschätzbare Qualitäten besitzen. Sie brauchen eben häufig ein bisschen Zeit, bis sie sich öffnen. Im Umgang mit schüchternen Menschen lohnt es sich unbedingt, Geduld zu haben, denn ihre Stärken entfalten sich oft erst später. Nicht jeder muss schließlich ein Draufgänger oder eine „Rampensau“ sein.
„Ich bin ein bisschen schüchtern“ ist ein liebevoll illustriertes, einfühlsames, warmherziges Bilderbuch mit wichtiger Botschaft für alle schüchternen und weniger schüchternen Kinder, das gegenseitiges Verständnis für unterschiedliche Eigenschaften und Verhaltensweisen anbahnt.