Bescheiden, aber wohlbehütet in einer kleinen Pfarrei in Nordengland aufgewachsen, muss die junge Agnes Grey ihre Familie verlassen, um eine Stellung als Gouvernante anzutreten. Schon bald machen die verwöhnten Kinder und das respektlose Verhalten der reichen Herrschaften ihr das Leben schwer, aber mit Großmut und Geduld gelingt es Agnes, sich und ihren Idealen treu zu bleiben. Doch dann trifft sie den jungen Hilfspfarrer Edward Weston, und in Agnes erwachen zarte Gefühle. Aus autobiographischen Elementen formt sich ein persönlicher Blick auf das Leben einer unverheirateten, gebildeten Frau im viktorianischen England. Ein literarisches Frauenschicksal, das auch heute noch zu rühren vermag. – Mit einer kompakten Biographie der Autorin
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Die autobiographische Geschichte der Gouvernante, erzählt von der jüngsten Schwester von Charlotte und Emily Brontë - Anne Brontë. Diese Geschichte ist realitätsnah und authentisch im Vergleich mit den ...
Die autobiographische Geschichte der Gouvernante, erzählt von der jüngsten Schwester von Charlotte und Emily Brontë - Anne Brontë. Diese Geschichte ist realitätsnah und authentisch im Vergleich mit den anderen Romanen von Brontë-Schwestern wie „Jane Eyre“ oder „Sturmhöhe“. Und dafür liebe ich sie. Das Buch hat mich mit den Beschreibungen vom viktorianischen England und die ganz unterschiedlichen Menschen erobert.
Agnes ist bescheiden und geduldig, sie leidet in der ersten Familie. Sie verkraftet gehorsam die Schicksalsschläge. Ihre Anständigkeit und Hilfsbereitschaft, moralische Stärke und Selbstaufopferung haben mich fasziniert. Ihre Werte stehen über ihre persönlichen Wünsche. Anne schreibt über die Gouvernante aus ihrer eigenen Erfahrung und man glaubt jedem Wort, weil es anders einfach nicht vorstellbar ist. Der Schreibstil ist wunderschön. Es gibt auch die Liebesgeschichte, wobei es nicht das wichtigste im Buch ist. Trotzdem hat Agnes eine Hoffnung auf ein Happy End, anders als im Leben von Anne Brontë.
„An einem schönen Tag in der letzten Februarwoche ging ich im Park spazieren und genoss den dreifachen Luxus des Alleinseins, eines Buches und des guten Wetters.“
Agnes Grey wächst als Pfarrerstochter in bescheidenen, aber sehr glücklichen Verhältnissen auf. Schwester Mary und ihr fehlt es an nichts. Die Liebe ihrer Eltern ist groß, auch wenn es der Familie oft ...
Agnes Grey wächst als Pfarrerstochter in bescheidenen, aber sehr glücklichen Verhältnissen auf. Schwester Mary und ihr fehlt es an nichts. Die Liebe ihrer Eltern ist groß, auch wenn es der Familie oft an Geld fehlt. Agnes möchte dann etwas zum Familienleben beitragen und sich als Gouvernante beweisen. In ihrer Vorstellung wird sie sich um brave, liebe Kinder kümmern und deren Vertraute sein. Leider wird sie dahingehend enttäuscht. Zu dieser Enttäuschung bettet sich das Heimweh zu ihrer Familie und viele andere zwischenmenschliche Hürden, von denen sie nie geträumt hätte.
Agnes beschreibt auf unterhaltsame, und ihre direkte Art ihre Rolle als Erzieherin im 19. Jahrhundert bei zwei wohl betuchten Familien. Mit Einblick in ihre Gedankenwelt, ihre Prinzipien und ihren Charakter lässt sie uns an ihren Erfahrungen, Anstrengungen und Erlebnissen teilhaben. Die Geschichte lässt sich fließend und unaufgeregt lesen, hat teilweise einen flachen Spannungsbogen und dann wieder doch Stellen, wo man mitfiebert. Manche Szenen waren etwas zu langatmig, aber dies tut der Geschichte keinen Abbruch. Agnes als Hauptprotagonistin der Geschichte ist sympathisch, ehrlich, loyal und sehr selbst reflektiert für diese Zeit, was man leider von den Nebenfiguren an den Schauplätzen, an denen sie sich aufhält, nicht behaupten kann. Sie lernt verzogene, hinterlistige, unmoralische Kinder und Familien kennen und hat, trotz ihres Auftrages als Erzieherin, keine Handhabe gegenzusteuern. Wird Agnes in dieser Geschichte ihr Glück finden?
Fazit:
Die Geschichte hat mir gut gefallen, ich konnte auch gut folgen. Der Lesefluss war für mich immer gegeben. Der Schreibstil der Autorin ist wundervoll, die Charaktere grundsätzlich sehr sympathisch, einige nicht so. Das Ende hätte für meinen Geschmack etwas länger dauern und detaillierter sein können, denn ich hätte gerne gewusst, was sich da noch entwickelt. Aber das ist nur mein Empfinden, weil ich den Schluss so toll und liebreizend fand. Schade, dass ich dieses Buch nicht schon früher im Regal hatte! Ein toller Klassiker, den man gelesen haben sollte.
Von meiner Seite auf jeden Fall eine Leseempfehlung und eine Kaufempfehlung dieses wunderbaren Reclam-Exemplars – 4/5 Sternen.
Als sich eine junge, vornehme Frau aus gutem Hause entscheidet, einen Geistlichen zu heiraten, wird sie enterbt und verliert jeglichen Kontakt zu ihrer Familie. Von da an muss sie auf alle Annehmlichkeiten ...
Als sich eine junge, vornehme Frau aus gutem Hause entscheidet, einen Geistlichen zu heiraten, wird sie enterbt und verliert jeglichen Kontakt zu ihrer Familie. Von da an muss sie auf alle Annehmlichkeiten verzichten, die sie bislang kannte, doch bereuen wird sie ihre Entscheidung nie.
Spätestens als ihre Töchter Mary und die jüngere Agnes geboren werden, ist ihr Glück perfekt. Doch ihr Mann kann nie ganz überwinden, dass er seine Frau um so vieles gebracht hat, und investiert in riskante finanzielle Geschäfte. Als sich seine Hoffnungen zerschlagen, steht die Familie einem Schuldenberg gegenüber. Während die ältere Tochter Mary selbst gezeichnete Aquarelle verkauft, will Agnes eine Stelle als Gouvernante antreten, um die Familie unterstützen zu können.
Doch obwohl Agnes überzeugt ist, als Erzieherin zurechtzukommen, da sie sich selbst noch gut in ihre Bedürfnisse einzufühlen zu können glaubt, stößt sie vor viele Probleme. Während die Erwartung an sie kaum größer sein könnten, hat sie bei der Wahl ihrer Erziehungsmethoden allerlei Einschränkungen hinzunehmen.
»Hätte sie der Gattung der Tiere angehört, wäre Matilda akzeptabel gewesen in ihrer Lebhaftigkeit, Vitalität und ihrem Bewegungsdrang, als menschliches Wesen aber war sie ungeheuer einfältig, ungelehrig, gleichgültig und unvernünftig und somit eine Qual für jemanden, der die Aufgabe hatte, ihren Verstand zu entwickeln, ihre Umgangsformen zu verbessern und ihr zu helfen, sich zu schmücken und zurechtzumachen, was sie, im Gegensatz zu ihrer Schwester, wie alles andere auch verachtete.«
Agnes merkt schnell, dass die Wertevorstellungen ihrer Schützlinge und ihrer Familien weit entfernt von ihren eigenen liegen. Da sie sich kaum mit jemandem austauschen kann, der ihr ähnlich ist, beginnt die junge Frau, zu vereinsamen.
›Agnes Grey‹ erzählt die Geschichte einer jungen Frau, die durch ihre berufliche Stellung in einer Art ›Dazwischen‹-Zustand leben muss. Weder zu den vornehmen Personen gehörend, die sie erziehen muss, noch zur Dienerschaft, scheint sie für die meisten Menschen um sie herum fast unsichtbar zu sein. Sie wird selten gegrüßt oder angesprochen, noch seltener nach ihrem Befinden gefragt.
Doch während Agnes für die meisten ihrer Mitmenschen unsichtbar ist, nimmt die junge Frau die Welt um sie herum wahr: die Liebeleien und Verfehlungen ihrer Schüler und Schülerinnen. Zwar ist diese Wahrnehmung durchweg durch Agnes besonderen Blick auf die Welt gefärbt – sie ist christlich erzogen und schätzt vor allem christliche Tugenden wie die Nächstenliebe –, doch ermahnt sie sich mehrmals zur Reflexion.
So legt Anne Brontë in ihrem Romandebüt ›Agnes Grey‹ eine Charakterstudie vor, die durch die kontrastierende Gegenüberstellung von Personen an Schärfe gewinnt.
»… da ich es aber mit eigenen Augen sah und auch darunter litt, konnte ich nur folgern, dass übermäßige Eitelkeit genau wie Trunksucht das Herz verhärtet, die natürlichen Anlagen verkümmern lässt und die Gefühle verdirbt; und dass Hunde nicht die einzigen Geschöpfe sind, die, nachdem sie sich bis obenhin satt gefressen haben, sich noch über das freuen, was sie gar nicht mehr herunterbringen, dem hungernden Bruder aber noch den kleinsten Bissen missgönnen.«
Dieser wunderschöne Schuber, dessen einzelne Romane mit Nachworten versehen sind, lädt dazu ein, die drei großen Romane der Brontë-Schwestern vergleichend zu betrachten.
So fällt auf, dass ›Agnes Grey‹ weit weniger unheimlich und rätselhaft erscheint als das Anwesen in ›Jane Eyre‹ oder die Moorlandschaft von ›Sturmhöhe‹. Auch die zerstörerische Leidenschaft, die vor allem ›Sturmhöhe‹ innewohnt, scheint dem Roman fern. Und doch erzählt ›Agnes Grey‹ auf seine Weise die Geschichte einer jungen Frau, die sich ihren Weg vor dem Hintergrund gesellschaftlicher Stellungen, Hinterlist und Liebe zu erkämpfen suchte.
»Das menschliche Herz ist sehr dehnbar: Schon eine Kleinigkeit lässt es schwellen, aber es bedarf großer Anlässe, es zum Bersten zu bringen. Denn wenn auch ›schon ein wenig mehr als nichts das Herz beunruhigt, braucht’s doch kaum weniger als alles‹, es zu brechen. So wie unsere Gliedmaßen besitzt auch das Herz eine eigene lebendige Kraft, die es gegen Verletzungen von außen stark macht.«
Nach ›Agnes Grey‹ veröffentlichte Anne Brontë (1820–1849) nur ein weiteres Werk – ›The Tenant of Wildfell Hall‹ (›Die Herrin von Wildfell Hall‹) –, bevor sie 1849 im Alter von 29 Jahren verstarb. Doch das im Vergleich zu ›Jane Eyre‹ und ›Sturmhöhe‹ oft weniger bekannte Werk der jüngsten der Brontë-Schwestern ist definitiv eine nähere Betrachtung wert.