Das sagt Kriminalkommissar Yngvar Stubo zu seiner Frau Inger Johanne, als beide spät am Heiligabend von dem Mord an der sympathischen Bischöfin Eva Karin Lysgaard erfahren. Doch was verbindet die gütige Bischöfin, die sich sowohl für Homosexuelle als auch gegen den Schwangerschaftsabbruch einsetzt, den Strichjungen und den drogensüchtigen "Penner, beide am unteren Ende der sozialen Hierarchie stehend, den egozentrischen Künstler und die gutaussehende Australienreisende? Sie alle werden ermordet, möglicherweise von ein und demselben Täter. Wer sind hier die "Guten", wer hat hier Deck am Stecken und wie, um Himmels willen, fügen sich all die Lebensläufe, die uns von der Autorin vorgesetzt werden, zusammen?
Anne Holt legt mit "Gotteszahl" den vierten Krimi mit Ermittler Yngvar Stubo vor. Er ist nicht nur im Hinblick auf die Spannung, sondern auch auf die sprachliche und stilistische Gestaltung ein wahrer Lesegenuss. Die Autorin ist eine Meisterin der Übergänge: Humorvoll die Überleitung von der schaurigen Beschreibung der Bergung einer aufgedunsenen Wasserleiche zum Weihnachtsessen bei Kommissar Stubo und seiner Familie: vom Gruselfisch, der aus dem Auge der Leiche in den Mund des schockierten Augenzeugen fällt, leitet die Autorin nahtlos über zum Kabeljau-Augen essenden Kommissar und dem familiären Geplänkel am festlich gedeckten Tisch. An anderer Stelle werden Gedanken über das Nicht-Wissen, die ein Kapitel abschliessen, zu Beginn des nachfolgenden wieder aufgenommen. Die doch sehr vielschichtigen und weitläufigen Handlungsstränge werden so ineinander übergeleitet und der Leser hat angesichts der spannenden Handlung kaum eine Chance, den Faden zu verlieren.
Yngvar Stubo und seine Frau Inger Johanne, von Yngvars Kollegen als "the reluctant detective", die widerwillige, zögernde Ermittlerin bezeichnet, sind eine originelle und warmherzige Bereicherung der ermittelnden Teams der Krimi-Szene. Ihr Leben als Patchwork-Familie mit den beiden Töchtern Kristiane und Ragnhild, Kristianes Vater Isak, den Eltern/Schwiegereltern und Yngvars Enkel, wird immer wieder aufgegriffen und in die Handlung eingefügt und hat sich so als fester Bestandteil dieser Krimireihe etabliert. Diesmal spielt Kristiane im aktuellen Kriminalfall sogar eine entscheidende Rolle.
Anne Holt schreibt für ihre Fangemeinde - als langjähriger Leserin und Kennerin ihres Gesamtwerks fällt es mir schwer zu sagen, ob es ebenso leicht fällt, der Handlung zu folgen, wenn man vorher keines ihrer Werke gelesen hat, doch die vielen Bezüge auf frühere Werke legen die Empfehlung nahe, sich zunächst einmal mit den vorhergehenden Bänden der Stubo-Reihe auseinanderzusetzen.
Keine Sorge, es lohnt sich auf jeden Fall! Wen die teilweise doch etwas düstere, eben nordische Atmospäre bei Anne Holt, die doch immer wieder von humorvollen Elementen - sei es in Form von skurrilen Figuren, sei es durch das Einfügen einer heiteren Episode - durchsetzt wird, nicht schreckt, der könnte rasch zum Anne-Holt-Fan werden und in Zukunft wie ich jedem neuen Krimi dieser Autorin entgegenfiebern!