25 Jahre nach dem Tod von Sherlock Holmes erzählt sein jahrelanger Weggefährte Dr. John Watson eine Geschichte für die Zukunft, denn zu seinen Lebzeiten soll dieses „letzte“ Abenteuer der beiden nicht mehr veröffentlicht werden.
Es entspinnt sich eine Geschichte – über den Plot will ich für die hoffentlich noch vielen Leser nicht allzu viel erraten – in der es um Bereiche der englischen Gesellschaft geht, die auf düstere Weise miteinander verwoben sind. Watson beschreibt es einmal so, dass es ihm vorkommt als würde es in diesem Fall (der eigentlich mehrere Fälle sind) zwei Geschichten geben, deren Figuren plötzlich miteinander interagieren und bei ihm höchste Verwirrung stiften. Es kommt einem aber auch komisch vor, da geht es am Anfang um den Bereich Kunst, Galerien, teure Bilder, der sich ausweitet zu einer Verfolgungsgeschichte um schließlich ein paar grausame Morde und einen unwirklichen Verdächtigen zu enthüllen, der die Verschwörung, die gegen ihn im Gange ist, aufzudecken versucht. Der rote Faden ist dabei ein weißes Band, das zu dem „House of Silk“ führt. Ich muss sagen, bei der Skandalisierung, die bereits im Prolog angedeutet wurde, habe ich mir schon früh denken können, um was es sich dabei handeln muss. Das hat der Spannung aber keinen Abbruch getan und die letztliche Auflösung der Geschichte mit Überführung der Täter war durchaus überraschend.
Ich finde es einfach toll dass sich Anthony Horowitz an diese berühmte Figur und seinen Biographen herangewagt hat und dem Holmes-Oeuvre ein neues Kapitel hinzugefügt hat – natürlich unter der offiziellen Schirmherrschaft des Arthur-Conan-Doyle-Estate.
Für mich als Leser ist es unglaublich gut, wie sich Horowitz der Schreibweise seines Vorgängers anpasst und auch sonst an keiner Stelle durchblicken lässt, dass er ein anderer, modernerer Schriftsteller ist, der das Ganze etwa an der ein oder anderen Stelle ironisch überhöhen würde um sich von dem viktorianischen Vorbild wenigstens ein bisschen zu distanzieren. Nein, Horowitz hat es zu Recht vermieden einen Holmes aus der Sicht eines Autors des 21. Jahrhunderts zu fabrizieren: er hat die Zeit und ihren Protagonisten schlichtweg wiederaufleben lassen und das ist auch gut so. Die Stimmung des spätviktorianischen London mit seinen Nebeln, seinen Straßenkindern und Prostituierten, seinen mächtigen Clubs und schäbigen Opiumhöhlen hat Horowitz perfekt heraufbeschworen und man fühlt sich als Leser, als sei man mitten drin und werde jeden Moment in viktorianischer Kleidung zum Tee gebeten während draußen auf der Straße ein Zeitungsjunge schreit.
Ein Lob zuletzt an die hochwertige Aufmachung des Buches-eine haptische Sensation! Danke dafür!