Originell, unterhaltsam und interessant!
Etwas, das seit über 50 Jahren existiert, ist fester Bestandteil, gibt Orientierung und Halt.
Der Kiosk, den Margrit und Rosa-Maria in einem Dorf in den Schweizer Bergen betreiben, ist so ein Fixpunkt. ...
Etwas, das seit über 50 Jahren existiert, ist fester Bestandteil, gibt Orientierung und Halt.
Der Kiosk, den Margrit und Rosa-Maria in einem Dorf in den Schweizer Bergen betreiben, ist so ein Fixpunkt.
Allerdings einer, dessen beste Jahre schon der Vergangenheit angehören.
Die Leuchtreklame auf dem Dach zieht die Aufmerksamkeit trotzdem immer noch auf sich und die Zapfsäule ist nicht nur die einzige Tankmöglichkeit im Ort, sondern auch das Rudiment der einst zum Kiosk gehörigen Tankstelle.
Noch immer wird man hier freundlich und diskret mit Waren, Nachrichten und Informationen versorgt.
Was Arno Camenisch da macht, ist einfach nur originell:
Er lässt Margrit und Rosa-Maria ihren Kiosk für uns öffnen und von ihren „goldenen Jahren“, in denen alles besser war, erzählen.
Dieses Erzählen geschieht über ein Gespräch, das die beiden so ganz en passant an einem typischen Arbeitstag mit dem immergleichen Ablauf miteinander führen. Dabei wechseln sie munter zwischen den verschiedensten Themen hin und her.
Über die Damen selbst erfahren wir dabei aber nichts, obwohl sie ohne Punkt und Komma schwatzen und tratschen. Nicht einmal, ob sie Familien haben, Schwestern oder Freundinnen sind.
Aber aus Andeutungen kann man schließen, dass sie einst nichts haben anbrennen lassen.
1969, im Jahr des Summer of Love und der Mondlandung, haben die beiden inzwischen über 70-jährigen Frauen ihren Kiosk eröffnet und vor kurzem haben sie ihr 50-jähriges Jubiläum gefeiert!
Dazwischen ist so einiges passiert und über all das wird frisch-fröhlich geplaudert.
Vom bedeutungslosen aber interessanten Klatsch und Tratsch bis hin zur hohen Politik und großen Weltgeschichte.
Sie erinnern sich an einen Dreh für einen James Bond-Film mit Roger Moore, an die Tour de Suisse, daran, dass Sportler, Fans und Prominente bei ihnen eingekauft haben.
Einmal hatte sogar eine Kundin mit einem Los von ihnen in der Lotterie gewonnen.
Sie haben diverse Liebesgeschichten und Skandale miterlebt und dem Pfarrer verkauften sie diskret Sexheftchen. Ereignisse wie Tschernobyl oder der Mauerfall in Deutschland fallen ihnen genauso ein, wie Hochwasser-Katastrophen und Lawinenunglücke. Auch um den Klimawandel kommen sie in ihrem Plausch nicht herum.
Die beiden haben mit ihrem kleinen Geschäft, das sie renoviert und modernisiert haben, wenn es nötig war, allen Widrigkeiten getrotzt. Sie haben alles überstanden und sind noch heute das Zentrum im Dorf.
Alles ist picobello.
Alles hat seine Ordnung.
Alles geht seinen gewohnten Gang. Alles wird gehegt und gepflegt.
Dass die Umgehungsstraße ihnen die Laufkundschaft rauben und ihren Niedergang bedeuten könnte, ist eine nicht von der Hand zu weisende Befürchtung.
Mal sehen, was draus wird. Unterkriegen lassen sich die beiden optimistischen und tapferen Seniorinnen auf jeden Fall noch nicht.
Mir gefiel nicht nur der Inhalt, sondern auch die außergewöhnliche, alpenländisch gefärbte Sprache und der nostalgische Ton der Damen in ihrem erfrischenden Zwiegespräch über das Vergangene.
Dass ich das ein oder andere Wort nachschlagen „musste“, war überhaupt kein Problem für mich. So wird man schlauer
Ich kann gut nachvollziehen, dass der Autor mit seinem ganz besonderen Buch auf der Longlist des Deutschen Buchpreises 2020 gelandet ist.
Ich empfehle dieses schmale und äußerst unterhaltsame Bändchen, das mir gute 2 Stunden Lesevergnügen verschaffte sehr gerne weiter!