Sherlock Holmes' erster Fall
Eine Studie in Scharlachrot ist nicht nur die erste Sherlock-Holmes-Geschichte, es ist außerdem einer der ersten Detektivromane, die veröffentlicht wurden. Zwar hat sich das Genre der Kriminalliteratur ...
Eine Studie in Scharlachrot ist nicht nur die erste Sherlock-Holmes-Geschichte, es ist außerdem einer der ersten Detektivromane, die veröffentlicht wurden. Zwar hat sich das Genre der Kriminalliteratur über die Jahrhunderte erweitert und vertieft, sodass der Aufbau und einzelne Kapitelüberschriften in Sir Arthur Conan Doyles Buch etwas ungeschickt erscheinen, doch den Meisterdetektiv erlebt man sofort in seinem Element. Als Sherlock-Holmes-Neuling kam mir Eine Studie in Scharlachrot wie gerufen, denn ich habe nicht nur das außergewöhnliche Talent von Holmes kennengelernt, ich habe außerdem einen Einblick in die Beziehung zwischen dem Detektiv und Dr. Watson erhalten.
Nachdem Dr. John Watson als Militärarzt in Indien und Afghanistan tätig war, wird er nach einer Schulterverletzung und einer anschließenden Typhus-Infektion im Jahr 1878 ausgemustert. Er kehrt nach London zurück und wohnt dort etwa drei Jahre von seiner sehr kleinen Versehrtenrente. Auf der Suche nach einer bezahlbaren Wohnung, stößt er dabei auf Sherlock Holmes. Watson lernt den vermeintlichen Wissenschaftler in einem Labor kennen und die beiden verstehen sich auf Anhieb recht gut. Nur ein paar Tage später beziehen sie ein Apartment in der Baker Street 221b. Während ihres Zusammenlebens erhält Dr. John Watson die Gelegenheit, den mysteriösen Fremden etwas besser kennenzulernen. Er bemerkt, dass Holmes einen strengen Tagesablauf einhält und somit eigentlich nichts zu verbergen hat, doch immer wieder kommen die unterschiedlichsten Leute vorbei, die Sherlock Holmes‘ Hilfe in Anspruch nehmen. Kurz darauf „outet“ er sich vor Watson als beratender Detektiv, eine sogenannte Ergänzung zur Kriminalpolizei. Die Leute kommen zu ihm, wenn kein anderer ein Verbrechen aufdecken konnte, denn Sherlock Holmes‘ Auffassungsgabe und sein Gespür für Details sind einzigartig.
Als nun die Meldung über einen Todesfall bei Sherlock Holmes und Dr. Watson eintrifft, überredet ihn Letzterer, den Fall anzunehmen. Drebber, so der Name des Ermordeten, liegt völlig unverletzt in seinem Haus. Neben ihm finden die Beamten den Ehering einer Frau sowie fremdes Blut, mit dem das Wort „Rache“ an die Wand geschrieben wurde. Sherlock Holmes untersucht den Tatort gründlich und beginnt anschließend seine eigenen Ermittlungen, die sich nicht mit denen der Polizei gleichen. Als die Kriminalbeamten den Detektiv dann auch noch darüber informieren, dass sie den Mörder festgenommen haben, scheint Sherlock Holmes wenig begeistert zu sein, denn er hat eine ganz andere Person im Visier…
Mir persönlich hat die erste Sherlock-Holmes-Geschichte unglaublich gut gefallen. Eine Studie in Scharlachrot ist nicht nur der Beginn einer Freundschaft zwischen Dr. John Watson und dem berühmten britischen Detektiv, es ist außerdem der Auftakt einer spannenden Reihe an Kriminalfällen. Vor allem Sherlock Holmes‘ Vorgehensweise sticht aus Arthur Conan Doyles Geschichten hervor: Der beratende Detektiv konzentriert sich auf die kleinen, scheinbar unwichtigen Hinweise. Während die Polizisten und auch Dr. Watson versuchen herauszufinden, wer das Verbrechen begangen haben könnte, noch bevor sie den Unfallort betreten haben, erscheint Sherlock Holmes stets mit einem klaren Kopf. Theorien aufzustellen, bevor man überhaupt alle Beweise sammeln konnte, gehört nicht zu seiner Devise, denn somit könnte sein Urteilsvermögen beeinflusst werden. Diese Vorgehensweise ermöglicht es ihm, Dinge zu sehen, die für die anderen Beteiligten als unwichtig erscheinen.
Es war außerdem unglaublich spannend zu lesen, wie schnell Sherlock Holmes seine Vermutungen aufstellt. Auch Dr. Watson, der Erzähler der Geschichte, ist sich nicht immer im Klaren darüber, welchen Weg sein Freund einschlägt und somit bleibt auch der Leser vorerst im Dunkeln und muss seine eigenen Vermutungen anstellen. Oft habe ich versucht, Sherlock Holmes auf die Schliche zu kommen und dachte, seinen Gedanken folgen zu können, doch zum Schluss hat er mich mit seiner Erkenntnis völlig aus der Bahn geworfen. Eine Studie in Scharlachrot ist spannend, unterhaltsam und stellt einen völlig eigensinnigen, aber genialen Hauptcharakter in den Mittelpunkt.