Wenn du's weißt, dann weißt du's
Nachdem ich kürzlich einen Beitrag über "Dark Romance" gelesen hatte, wollte ich mich ins Genre wagen. Leider war das Buch nicht die beste Wahl. Weniger, weil es skandalös wäre oder schlecht geschrieben. ...
Nachdem ich kürzlich einen Beitrag über "Dark Romance" gelesen hatte, wollte ich mich ins Genre wagen. Leider war das Buch nicht die beste Wahl. Weniger, weil es skandalös wäre oder schlecht geschrieben. Sondern weil über 240 Seiten sehr wenig passiert.
Rezi enthält Spoiler!
Worum geht es?
Seraphina hat sexuelle Phantasien, in denen sie gewaltsam und mit Würgen genommen wird, und begibt sich deshalb in Therapie auf einem einsamen Schloss.
Wie hat mir das Buch gefallen?
Wenn ein Buch ständig betonen muss, wie düster und geheimnisvoll alles ist, dann erzeugt das bei mir weniger Spannung als Ermüdung. Die Einleitung ins Geschehen wirkt irgendwie ungelenk und so, als müsste man die Figur nach Blackwood schaffen. Dass dort nicht seelisch, sondern körperlich therapiert wird, wird Leser:innen des Genres klar sein. Dafür gibt es ausführliche Umgebungsbeschreibungen - Leser:innen halten bitte ein Bingo für getäfelte Holzwände, unsichgtbare Türen, ein Labyrinth und ähnliches bereit. Wenn man als Konsument:in genau das mag, wird man daran seine Freude habe. Ich fand's ziemlich unkreativ.
Schade ist, dass ich den Ansatz, sich seine Ängste und Phantasien einzugestehen, was ein wichtiger Schritt zur Heilung ist, sogar nachvollziehen kann. Aber es kommt bei mir nicht an. Es hat mich auch emotional kaum gepackt.
Dafür lenkt uns die Autorin mit drei (oder vier?) Figuren ab, die alle charismatisch sind, alle einen Hang zu Gewalt und Kontrolle haben und auf eine liebenswerte Art übergriffig sind. Dass sie auch alle schwer zu unterscheiden sind, ist nicht wichtig.
Ca. 20 % des Buches nehmen die erotischen Szenen ein. Hat die Figur anfangs einen Hang zu Würgespielen und Messern, wird später simpler, aber zu dritt korpuliert. Erotisch fand ich das nicht, neu auch nicht. Es gibt Autor:innen, die das besser hinbekommen.
Was ich gut fand, war die Spannung am Ende. Ab dem letzten Drittel entspinnt sich ein Krimiplot, am Ende gibt es eine Szene, die an Shutter Island erinnert, und die Auflösung eines Rätsels, die schon nach der Hälfte offensichtlich war. Ich hatte nach 240 Seiten nicht das Gefühl, dass ich ein ganzes Buch gelesen habe, sondern nur die Hälfte eines größeren Werkes. Auch das: nicht gut. Trotzdem hat mich das im positiven Sinne aufgeregt. Denn natürlich fragt man sich, welche grausamen Dinge die drei Musketiere erleben mussten, damit sie so wurden, wie sie sind.
Auch das Motiv der leidenden Männern, die durch die ebenfalls leidende Frau erlöst werden, fand ich interessant und ich habe ein bisschen mitgefühlt.
Der Schreibstil ist unauffällig, etwas langatmig, aber genre-typisch.
Fazit
Ich honoriere die Arbeit, die alle Beteiligten investiert haben, aber für 17 Euro bekommt man sehr wenig. Bekanntes Setting, bekannte Motive, wenig emotionale Bindung. Leser:innen, die genau das mögen, werden ihren Spaß damit haben. Für mich war's nur gutes Handwerk.