Viel Rilke, etwas Lou, wenig Kunst
Bis unsre Seelen Sterne sind. Rilke und Lou Andreas-SaloméGekriegt hat mich das Buch mit dem Versprechen einer interessanten Frau und ihres Liebhabers, eines genialen Schriftstellers. Bekommen habe ich einen sensiblen Mann, der andere bewundern muss, aber kaum ...
Gekriegt hat mich das Buch mit dem Versprechen einer interessanten Frau und ihres Liebhabers, eines genialen Schriftstellers. Bekommen habe ich einen sensiblen Mann, der andere bewundern muss, aber kaum partnerschaftliche Beziehungen eingehen kann. Und eine Frau, die sich zu intellektuellen Männern hingezogen fühlt und ihnen als Spiegel und Muse dient. Gefehlt hat aber letztlich das künsterlerische Schaffen beider.
Worum geht es?
Das Buch erzählt überwiegend das Leben Rainer Maria Rilkes, ein Stück das Leben Lou Andreas-Salomés. Und ein kleines Stück ihrer Männer. Es ist ein belletristisches Buch, das Gespräche nachstellt und mit Briefen und Tagebucheinträgen ergänzt.
Wie hat mir das Buch gefallen?
Ich wusste lange Zeit nur mäßig, um wen es tatsächlich geht. An manchen Stellen nimmt Salomé viel Raum ein, an anderen Rilke. Besonders, als es um Carl Andreas-Salome und Friedrich Nietzsche geht, hatte ich das Gefühl, im falschen Buch zu sein.
Es ist interessant zu lesen, wie Rilke um sich selbst kreist, sehr empfindsam ist und wie die Beziehungen zu seinen Frauen dem gleichen Schema folgen: Er himmelt sie an, aber sobald sie sich ihm nähern, verpufft die Energie und er flüchtet sich in Einsamkeit. Schreiben kann er nur durch Leiden. Die Kunst ist sein lebenslanger Partner, der er vieles unterordnet. Rilke ist ein Mensch, der in diesen (manischen?) Phasen viel Aufmerksamkeit von seinem bewundernden Objekt braucht und Energie absaugt. Salome erkennt das und hält daher nach drei intensiven Jahren nur noch brieflichen Kontakt zu Rilke. Trotzdem ist sie die einzige Frau, zu der Rilke bis zu seinem Lebensende ein vertrauensvolles Verhältnis hat.
Im Vergleich dazu wirkt Salome etwas blass. Warum sie verheiratet war, die Ehe aber nicht vollzogen hat, und Beziehungen zu mehreren Männern hatte, wird nicht aufgeklärt. Auch, warum sie sich zu geistigen Männern hingezogen fühlt, ist nicht ganz klar. Ich hätte aber vom Buch erwartet zu lesen, welchen Beitrag Salome zum Schaffen ihrer Liebhaber leistet. Sie wirkt eher als Spiegel, aber ich denke, dass sie sehr wohl auf gleicher Ebene mit den Männern gearbeitet hat. Sie hat Rilke das Schwülstige abgewöhnt, vermute ich. Aber wie die beiden an seinen Texten gefeilt habe, war kaum zu lesen.
Auch Salome als Künstlerin kommt wenig zu Wort. Sie war vielseitig interessiert, hat bei Freud Einblicke in die Psychoanalyse bekommen. Aber sie war als Figur wenig präsent.
Ich hatte auch bei Rilke das Gefühl, auf der Stelle zu treten, weil sich das Buch ständig mit seiner Einsamkeit und seinem Hadern mit neuen Situationen beschäftigt. Weniger mit ihm als Künstler.
Dass das Buch sowohl zwischen Figuren als auch Zeiten wechselt, hat mich nicht gestört. Es kann aber für Leser:innen verwirrend sein.
Gut gefallen hat mir, dass sich die Fußnoten als kleines Pop-Up öffnen, man also nicht im Buch springt, sondern an der Stelle bleibt. Mir erleichert das das Lesen.
Fazit
Die Idee ist gut, die Aufbereitung mäßig. Dass mir Rilke durch das Buch eher unsympatisch wurde, ist ein Effekt, und ich habe vieles über Lou Andreas-Salomé gelernt. Trotzdem ist es ein Buch, das man lesen KANN, aber nicht lesen MUSS.