Cover-Bild Goodbye, Bukarest
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18,99
inkl. MwSt
  • Verlag: Urachhaus
  • Themenbereich: Belletristik - Biografischer Roman
  • Genre: Romane & Erzählungen / Erzählende Literatur
  • Ersterscheinung: 11.02.2020
  • ISBN: 9783825162115
Astrid Seeberger

Goodbye, Bukarest

Roman
Gisela Kosubek (Übersetzer)

Es ist ein Rätsel in ihrer Familiengeschichte, ein blinder Fleck. Von Bruno, dem ältesten Bruder ihrer Mutter – dem es gelang, dass alles, was er berührte, zu zittern auf hörte – hieß es immer, er sei bei Stalingrad gefallen. Es war eine Lüge: Als Astrid zufällig davon erfährt, muss sie die Suche nach Bruno aufnehmen, ohne erklären zu können, warum. Und diese Spur führt nach Bukarest …
Astrid begegnet Menschen, die Bruno nahekamen, und hört Lebensgeschichten voller Farbigkeit und Dramatik, die Streiflichter auf ihn werfen. Zusammen mit zahlreichen Bezügen zu Kunst und Literatur entsteht daraus ein dichtes Gewebe, auf dem Brunos Leben erscheint: seine Einsamkeit, die eisige Weite vieler Jahre und die vielen Momente menschlicher Wärme und größter Geistesverwandtschaft.
Astrid Seeberger ist ein bewegender, bildgewaltiger und poetisch dichter Roman über ein europäisches Schicksal gelungen.

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Veröffentlicht am 02.01.2021

Eine Geschichte, die lange in Erinnerung bleibt

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Astrids Mutter hat immer erzählt, dass ihr Bruder Bruno im Krieg gefallen ist. Erst nach dem Tod der Mutter erfährt Astrid, dass es eine Lüge war. Es gab nämlich Spuren, denen übrigens auch die Mutter ...

Astrids Mutter hat immer erzählt, dass ihr Bruder Bruno im Krieg gefallen ist. Erst nach dem Tod der Mutter erfährt Astrid, dass es eine Lüge war. Es gab nämlich Spuren, denen übrigens auch die Mutter nachgegangen war, dass Bruno den Kampf um Stalingrad überlebt hat.
Astrid, die ihre Mutter und Deutschland als siebzehnjähriges Mädchen verlassen hat und nach Schweden ausgewandert ist, beginnt die Suche nach ihrem verschollenen Onkel. Sie muss unbedingt erfahren, warum ihr Onkel nicht heimgekehrt ist. Und warum ihre Mutter gelogen hat? Welches Familiengeheimnis hat sie mit ins Grab genommen?

Die Suche hat Astrid zu den Menschen geführt, die ihrem Onkel damals begegnet sind. Aus ihren Geschichten erfährt sie nach und nach was Bruno widerfahren ist und wie er sein neues Leben gestaltet hat.

Die Geschichten, die Autorin in ihrem Buch erzählt, sind ein bewegendes Zeugnis der europäischen Geschichte in der Zeit vom Zweiten Weltkrieg bis Oktober 2015. Unter anderem berichtet sie über Lebensschicksale der Deutschen, die bis zum deutsch-sowjetischen Kämpfen in Russland gewohnt haben, über die Straflager in Sibirien und Kasachstan, sowie über die Zeit nach dem Tod von Stalin.

Auch die Geschichte Rumäniens und ergreifende Menschenschicksale unter der Diktatur von Ceausescu nehmen viel Platz in diesem hoch interessanten Buch ein.

Brunos Wegbegleiter erzählen Astrid, was sie damals erlebt haben. Einfühlsam schreibt die Autorin über die tragischen Schicksalsschläge, die sie hinnehmen mussten:
„Ein Schatten war auf ihr Leben gefallen.“ (115)
„Und sie weinten zusammen. In der Nacht konnte man die Tränen laufen lassen.“ (121)
Bewegend ist die Geschichte von Dmitri alias Hannes, der als Zwölfjähriger nach Sibirien in eine Arbeitskolonie für Kinder verbannt wurde.

Viel Kraft und Trost in der schweren Zeit spenden den Menschen Bücher, klassische Musik und Kunst. Bruno liebte die Bücher von Montaigne, Rousseau, Hölderlin, Keller, Mann, Musil, Tschechow, T. S. Eliot. Dinu, sein rumänischer Freund, liebte Musik, spielte Klavier und komponierte selbst. Naja, Dinus Schwester, studierte an der Kunstakademie in Bukarest und malte Bilder.
Auch Astrid teilt diese Interessen und erinnert sich an die Worte ihres Großvaters:
"Das Einzige, was in meinem Leben ein Zuhause gewesen ist, (….) waren die Bücher und Bilder. Die kann mir niemand jemals wegnehmen, nicht jene Bücher und Bilder, die zu meiner Herzensangelegenheit geworden sind (…….) Sie sind ein Teil von mir geworden, sie leben in mir". (134)

Das Buch von Astrid Seeberger fesselt und bewegt. Es kann ruhig zur Herzensangelegenheit werden.

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Veröffentlicht am 22.03.2020

Wie viele Diktaturen kann ein Mensch ertragen?

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Der Luftwaffenpilot Bruno Seeberger, der lange als verschollen geglaubte Onkel der Autorin Astrid Seeberger hat gleich drei Diktaturen überlebt: zuerst Hitlerdeutschland, dann Kriegsgefangenschaft in einem ...

Der Luftwaffenpilot Bruno Seeberger, der lange als verschollen geglaubte Onkel der Autorin Astrid Seeberger hat gleich drei Diktaturen überlebt: zuerst Hitlerdeutschland, dann Kriegsgefangenschaft in einem der vielen Lager Stalins und zuletzt Ceausescus Diktatur in Rumänien. Die Autorin erfährt erst spät, dass Bruno nicht über Stalingrad abgeschossen wurde, sondern in einem Gulag und anschließend in Bukarest gelebt hat. Er hat geheiratet, hat einen Sohn großgezogen, hat den Freitod seiner geliebten Frau Naja nur schwer überwunden.
In einer Diktatur, egal welcher Couleur, kann man nicht still und versteckt vor sich hinleben. Die Diktatur umfasst jeden einzelnen wie ein Krake, saugt ihn aus, bestimmt sein Leben bis ins kleinste Detail. Man überlebt nur durch das Errichten von Schutzräumen, die man mit geliebten Menschen und Schicksalsgenossen teilt. Dieser Schutzraum kann ein Wort sein, wie Kaolin, oder ein Stück Brot das einem unverhofft zugesteckt wird, oder das Melken einer Kuh, oder Musik aus einem Lautsprecher, ein Bild, dass seine Aura auch dann noch ausstrahlt, als die Schergen des Regimes das Bild längst abgeholt haben, oder einfach nur die Zwei- oder Dreisamkeit in Zeiten der größten sozialen Oppression. Diese Schutzräume bieten kurze Momente des Glücks, das von keiner Behörde zerstört werden kann, denn sie sind tief in unserem Innersten verankert. Und sind gleichzeitig auch unser eigener Anker im Leben. Dank dieser Schutzräume konnte Bruno Seeberger überhaupt überleben.
Ihm selbst begegnen wir im Roman „Goodbye Bukarest“ nur in den Rückblicken der Menschen, die ihn gekannt haben. Zuerst der junge Dmitri Fjodorow alias Hannes Grünhoff, ein junger Strafgefangener im Lager in Kasachstan, dann der Sänger Wolfgang Müller, der zwar Bruno nicht gekannt hat, aber seinen langjährigen Partner und Schwager Dinu Adamescu. Zum Schluss kommt Jakob Seeberger, Brunos Sohn zu Wort, der die Geschichte über Brunos Leben abrundet. Dinu Adamescu selbst nimmt seine und Brunos Geschichte auf einer CD auf, er erzählt von der Flucht aus Sowjetrussland, die abenteuerliche Fahrt nach Bukarest, das Leben in einer einst so wundervollen und lebenshungrigen Stadt die unter Ceausescu immer mehr erlischt, an Lebensfreude und Esprit verliert. Ceausescu lässt ganze Straßenzüge und Wohnviertel niederwalzen, weil er einen monströsen Prunkpalast mit Potemkinschen Boulevards bauen will. Die Securitate bespitzelt immer offener und brutaler alle Menschen, ein Entkommen gibt es nicht. Die Prunkbauten verschlingen Unmengen an Geld, Geld das das Land nicht hat und von den Wehrlosen genommen wird. Das ganze Land leidet an Hunger, Kälte, schlechter Versorgung. Ceausescus Imponiergehabe färbt ab, Demokratie ist ein leeres Wort im Land des Titanen der Titanen, des „meist geliebten Sohnes seines Volkes“, des „größten Steuermanns und Denkers“.
Bruno Dinu und Jakob erleben das Ende der Diktatur nicht mehr in Rumänien. Dinu ist schon früher geflohen, Bruno und Jakob nach Najas Tod, zehn Jahre vor dem Ende der Willkürherrschaft. Die drei verfolgen das unrühmliche Ende der Diktatur wie wir alle anderen, im Fernsehen. Es war die erste gefilmte Revolution. Im Buch beschwert sich Bruno, der Prozess der beiden Diktatoren, Elena und Nicolae Ceausescu sei viel zu kurz gewesen, er hat nicht einmal eine Stunde gedauert vom Verlesen der Anklageschrift bis zum Urteil, das auch sogleich vollstreckt wurde. Ich aber sage, es war richtig so. Nachdem die Bilder ausgestrahlt wurden, fiel im ganzen Land kein Schuss mehr, ein blutiger Bürgerkrieg wurde durch unwiderrufliche Bekanntgabe von Ceausescus Tod im Keim erstickt, Ceausescus Schergen tauchten ab, der Tod durch Heckenschützen war gebannt.
Astrid Seeberger ist eine großartige Erzählerin. Ihre Sprache ist schlicht und direkt, um dann wie en passant sehr bildhafte und bezaubernde Vergleiche zu verwenden. So beschreibt Bruno die Dämmerung als eine leuchtende blaue Weite in der sich die Konturen der Erde auflösen. (S. 75). Oder wie Naja erklärt, warum sie am liebsten am Vormittag malt: da findet der Pinsel die Bilder. „Dann braucht man ihn nur malen lassen, und nicht mit eigenen Ideen zu kommen“ (S. 202). Es sind nicht außergewöhnliche Worte, die Seeberger hier verwendet. Die Worte kommen mitten aus dem Wortschatz, doch durch diese Anordnung in Sätzen ergeben sich Bilder von ungeahnter Stärke und Schönheit.

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