Zu diesem Buch habe ich mich eindeutig durch das schöne Cover verführen lassen. Wer könnte dem Blick des kleinen Lämmchens auch widerstehen! Im Untertitel steht „Tagebuch eines Schäfers“. Die Kurzbeschreibung hat mich angesprochen, weil da von Entschleunigung die Rede ist. Axel Lindén sei ein Meister der Verdichtung, so liest man im Klappentext. Ich kann eigentlich gar nicht konkret sagen, was ich erwartet habe, aber irgendwie war dieses Buch völlig anders als gedacht.
Der Autor ist aus dem Großstadtleben ausgestiegen und lebt nun auf einem Bauernhof – für die Schafe und mit ihnen. Sein Bericht ist in Tagebuchform aufgebaut. Das Buch hat ja nur 160 Seiten, und auf vielen davon findet man gerade mal das Datum des betreffenden Tages und einen winzigen Abschnitt, manchmal auch nur einen einzigen Satz oder ein Wort.
Ich zitiere, am 15. September schreibt der Autor beispielsweise: „Ich bin krank. Wären die Schafe heute durch den Zaun geschlüpft, hätten sie das Weite suchen können. Habe das Wasser kontrolliert.“ Oder noch kürzer schreibt er am 17. Januar: „Noch ein paar Mutterschafe abgetastet. Sie waren schön fett, genau richtig.“ Aller guten Dinge sind drei, darum hier ein drittes Zitat, der Eintrag vom 22. November: „Sehe nach den Schafen, nass, kalt, windig.“ Dazu möchte ich nur sagen, es geht sogar noch kürzer als beim dritten Beispiel! Gerade im November fand ich auf vielen Seiten nur zwei oder drei Wörter.
Dazwischen kommen dann auch wieder viele interessante Gedankengänge des Autors. Er grübelt über vieles nach, was in seinem Leben geschieht. Einerseits wollte er aus der Tretmühle unserer Gesellschaft, in der es nur um Erfolg und Profit geht, entfliehen, aber letztendlich tut er mit seinen Schafen auch nichts anderes. Je sicherer er in dem wird, was er tut, umso mehr baut er die Herde aus, letztendlich auch, um damit ertragreich zu wirtschaften.
Da es ein Tagebuch ist, wird alles sehr realistisch beschrieben, was mir schon gefallen hat. Da wird nichts verklärt, sondern alles wird so geschildert, wie es ist. Da geht es auch um Krankheit und Tod, und Axel Lindén muss sich auch damit befassen, Schafe zu schlachten. Da ist es sicher besser, gar keine emotionale Bindung zu den Tieren einzugehen. Entsprechend distanziert sind auch die Berichte. Ab und zu wird eine amüsante Anekdote eingefügt, aber dann kommt auch die knallharte Realität zur Sprache, beispielsweise wenn sich ein Lamm so schwer verletzt hat, dass es erschossen werden muss. Der Autor legt selbst Hand an, und seine Kinder sehen zu. Diese Situation bleibt so stehen; auf emotionale Reaktionen (auch der Kinder) wartet man vergebens. Da habe ich mich schon gefragt, ob die Kinder, die dabei waren, das einfach so hingenommen haben, dass ein süßes kleines Lamm, kaum geboren, schon wieder abtreten muss? Dies ist nur ein Beispiel von mehreren. Vieles wird einfach mal in den Raum gestellt und so stehen lassen.
Anfangs, im Vorwort, als der Autor noch etwas gesprächiger war, fand ich, das Buch hätte etwas Meditatives. Mit der Zeit hat mich das Abgehackte dann doch ziemlich genervt. Wenn man davon ausgeht, dass man bei den kurzen Abschnitten sehr häufig umblättern muss, kommt mir eine Ähnlichkeit mit dem „Schafe zählen“ in den Sinn, hier abgewandelt zu „Seiten zählen“. So gesehen ist das Buch eine gute Einschlafhilfe. Es gibt einige gute, tiefsinnige Gedanken und interessante Ansätze im Buch, aber mir waren es eindeutig zu wenig. Mit ähnlichen Tagebüchern und Erfahrungsberichten ist es mir schon ebenso ergangen. Ich sehe wenig Sinn dahinter, dass heutzutage jeder Aussteiger gleich ein ganzes Buch aus seinem persönlichen Aufzeichnungen machen muss.