Jeder, der irgendwie anders ist ...
Durch den atmosphärischen, plastischen Erzählstil wird Historie bei Bettina Szrama reanimiert und Menschen wieder greifbar!
Das Buch beruht auf einem wahren Fall.
Ein verwilderter Junge, ein sogenanntes ...
Durch den atmosphärischen, plastischen Erzählstil wird Historie bei Bettina Szrama reanimiert und Menschen wieder greifbar!
Das Buch beruht auf einem wahren Fall.
Ein verwilderter Junge, ein sogenanntes "Wolfskind" taucht 1724 nahe Hameln auf. ( Vorsicht! Der Rattenfänger von Hameln hat ein Alibi und gute Anwälte zwecks Abwehr potentieller Verleumdung. )
Es ist der Casus des "Wilden Peters". Das sorgt natürlich für allerlei Blätterrauschen in der damaligen Gesellschaft, vor allem beim Kurfürsten von Hannover und dessen Hof. ( Nein, Gerhard Schröder ist nicht gemeint, grrr! ).
Kommissar Aristide Burchards ist der Ermittler in den Fängen dieses Enigmas. Peter kann oder will nicht sprechen und höchst verdächtig prangt das kurfürstliche Wappen auf dem Fetzen am Hals des nackten " Unzivilisierten".
Peter hat insofern Glück, daß sich Grete, die Tochter des Armenhausaufsehers, in dessen Institution er gelandet ist, sich seiner annimmt. Grete bringt den Beweis an sich.
Gemeinsam mit Peter kann sie fliehen und entgeht auch so ( erst einmal? ) einer Zwangsverheiratung.
Es ist eine gefährliche, riskante Reise um an den englischen Hof King Georg des Ersten zu gelangen.
Warum zeigt ein Lord, eine hannoversche Prinzessin und ein Celler Zuchthausaufseher auffallendes Interesse? Weiß einer von ihnen, wer Peter wirklich ist?
Aristide und Grete treffen immer wieder aufeinander. Der Beweis ist immens wichtig. Er wird sogar Gretes Leben retten und bald feststellen, daß er enger in das Mysterium um Peter involviert, als er gedacht hätte. Haben Grete und Aristide eine gemeinsame Zukunft? Wer ist Peter? Was steckt dahinter? Hat auch er eine Zukunft?
Die Geschichte erinnert sogleich an jenen anderen berühmten Fall des Kaspar Hauser, der Ansbach elektrisierte. Er wurde ermordet. Ein Mysterium bis heute. Er könnte dem Hochadel entstammen.
Dieses Buch hier ist sehr gut recheriert und von einer intensiven atmosphärischen Dichte. Die Autorin zeigt große Empathie mit ihren vom Schicksal schwer gebeutelten Hauptprotagonisten und setzt dies warmherzig um.
Bettina Szrama schreibt sehr fesselnd und haucht der vermeintlich toten Materie Historie äußerst vital Leben ein.
Diese Menschen aus einer längst versunkenen Epoche erstehen plastisch vor dem inneren Auge, so daß man meint ihre Körperwärme zu spüren, wenn man nur die Hand ausstreckt.
Der Erzählstil ist geschmeidig und elegant, aber nicht abgehoben oder glatt.
Mit Grete ist eine mutige Protagonistin in die literarische Welt der Historie geboren worden, die trotz ihrer zweifellos vorhandenen Ängste, Sorgen und Nöte, Stärke und Courage beweist, was gewiß nicht leicht war.
Grete ist eine weitere weibliche Figur im Pantheon der Historienbücher, die eine bleibende Impression hinterlassen wird.
Man zittert mit, hängt, ist berührt und empört. Macht, Intrigen, Mord, Manipulation, annodazumal genauso schlimm wie heute, wenn nicht noch schlimmer. Nur heute trägt die Gemeinheit ein modernes Gewand, ist jovial, kann charmant sein und ist deswegen nicht immer als solche erkennbar. Die Sophistikation macht auch vor Schlechtigkeit nicht Halt.
Es ist jedenfalls ein Buch, das beim Lesen die Zeit aufs Beste dahinschmelzen läßt.