Cover-Bild Nichts, was uns passiert
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12,00
inkl. MwSt
  • Verlag: btb
  • Themenbereich: Belletristik - Belletristik: zeitgenössisch
  • Genre: Romane & Erzählungen / Erzählende Literatur
  • Seitenzahl: 176
  • Ersterscheinung: 14.10.2019
  • ISBN: 9783442718900
Bettina Wilpert

Nichts, was uns passiert

Roman
Ausgezeichnet mit dem ZDF-aspekte-Literaturpreis für das beste literarische Debüt des Jahres 2018.

Anna sagt, sie wurde vergewaltigt. Jonas sagt, es war einvernehmlicher Geschlechtsverkehr. Aussage steht gegen Aussage. Nach zwei Monaten nah an der Verzweiflung zeigt Anna Jonas schließlich an, doch im Freundeskreis hängt bald das Wort „Falschbeschuldigung“ in der Luft. Jonas’ und Annas Glaubwürdigkeit und ihre Freundschaften werden aufs Spiel gesetzt.

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Lesejury-Facts

Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 08.04.2020

Zwei Perspektiven, zwei Wahrheiten

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Hey, ich habe heute wieder eine Rezension für euch. Nachdem ich folgendes Buch bereits Anfang des Jahres gelesen habe, wird es Zeit, es euch näher vorzustellen. Sicherlich werden es viele von euch auch ...

Hey, ich habe heute wieder eine Rezension für euch. Nachdem ich folgendes Buch bereits Anfang des Jahres gelesen habe, wird es Zeit, es euch näher vorzustellen. Sicherlich werden es viele von euch auch schon kennen. Und sei es nur oberflächlich von Instagram oder aus dem Buchladen. Ich habe mich mit einer Literaturbesprechung zu »Nichts, was uns passiert« von Bettina Wilpert sehr schwer getan. Das lag vorwiegend an dem sehr sensiblen Thema, an dem man sich als Autor schnell auch in die Nesseln setzen kann. Das Taschenbuch erschien im Oktober 2019 im btb-Verlag.

Fußball-Weltmeierschaft 2014 in Brasilien: Die Studenten Anna und Jonas lernen sich in Feierlaune und unter dem Einfluss von viel Alkohol in Leipzig kennen. Schnell kommen beide ins Gespräch und verbringen eine gemeinsame Nacht, ohne Aussicht auf eine weitere Verabredung. Kurz darauf aber treffen sie sich auf der Geburtstagsfeier eines gemeinsamen Kommilitonen wieder und landen im Bett. Am nächsten Morgen ist für Anna klar, dass sie vergewaltigt wurde. Viele Wochen später zeigt sie Jonas an. Als er mit dem Vorwurf konfrontiert wird, bricht eine Welt für ihn zusammen. Völlig schockiert über die komplett andere Wahrnehmung Annas beginnt für ihn ein Spießrutenlauf. Anna muss sich folglich als Falschbeschuldigerin und Jonas sich als Vergewaltiger verunglimpfen lassen. Was geschah wirklich?

Passend zur immer noch sehr aktuellen #MeToo-Debatte, schreibt Wilpert über eine widersprüchliche Beischlaf-Erinnerung zweier Mittdreißiger. Für Anna war es eine Vergewaltigung, für Jonas ein klassischer One-Night-Stand. Auf dokumentarische Weise erzählt Bettina Wilpert die Erinnerungen einer Nacht, die Jonas und Anna anschließend völlig unterschiedlich wahrgenommen haben. Dabei greift sie auf die Aussagen von Mitmenschen zurück, die beide Protagonisten gut zu kennen scheinen und die sich dem Druck einer Parteinahme ausgeliefert sehen. Wilpert urteilt nicht, sie beschreibt die Wahrnehmungen beider Charaktere auf glaubhafte und nachvollziehbare Weise. So schafft sie eine gesellschaftliche Tragödie, die einen Schuldigen sucht, aber keinen zu finden vermag.

Der Erzählstil ist zweifelsohne das Besondere an Wilperts Roman, denn, es gelingt ihr in jeder Zeile, ihre Leser unbeeinflusst zu fesseln und ihnen ein eigenes Urteilsvermögen zu erlauben. Die Erinnerungen von Anna und Jonas sind so verschieden und so in die Irre führend, dass es unmöglich scheint, sich auf eine Seite zu schlagen. Und genau das möchte die Autorin erreichen. Sie sensibilisiert für das Wesentliche: ein sexuelles Erlebnis mit einem Ausgang, der im Verborgenen bleibt. Mir gefielen sowohl die Idee der Geschichte, als auch die Figuren, der Schreibstil und die aus meiner Sicht herausragende Umsetzung all dieser Faktoren.

Bettina Wilpert ist ein spannendes, intelligentes und sehr nachdenklich machendes Debüt gelungen. Ein moralisches Trauerspiel, dass den Nerv der Zeit trifft.

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Veröffentlicht am 15.02.2020

Ein spannender, reflektierter und bewegender Roman zu einem sensiblen Thema

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Kurzmeinung

Nichts, was uns passiert von Bettina Wilpert hat mich sehr beeindruckt. Die Autorin nimmt sich des sensiblen Themas Vergewaltigung an und macht daraus einen spannenden, reflektierten und bewegenden ...

Kurzmeinung

Nichts, was uns passiert von Bettina Wilpert hat mich sehr beeindruckt. Die Autorin nimmt sich des sensiblen Themas Vergewaltigung an und macht daraus einen spannenden, reflektierten und bewegenden Roman.



CN: Vergewaltigung



Meine Meinung:

Dieses Buch hat mich sehr bewegt und noch lange in mir nachgehallt. Immer wieder musste ich beim Lesen Pausen machen und über den Inhalt nachdenken. Gleichzeit hat es mich aber auch so gefesselt, dass ich es sehr schnell durchgelesen hatte.



Zunächst möchte ich die vielen interessanten Perspektiven betonen, in denen diese Geschichte erzählt wird. Zunächst wird abwechselnd die Sicht von Anna und Jonas geschildert, später kommen auch weitere Zeugen zu Wort, Freunde, Familie und Bekannte. Aber Erzähler ist eine unbekannte dritte Person. Das ist zunächst etwas ungewöhnlich zu lesen, dann habe ich mich aber daran gewöhnt und fand diesen Stil sehr interessant. Es macht diesen Text besonders und passt auch zum Thema. Es schafft unweigerlich eine größere Distanz zu den Personen und dem Geschehen, und das ist bei so einem sensiblen Thema vielleicht auch ganz gut so.



Sehr gelungen sind auch die unterschiedlichen Sichtweisen und Interpretationen dargestellt. Wenn man nur die Perspektive einer Figur kennt, ist man schnell „auf deren Seite“, nimmt die Schilderungen als gegeben hin. Durch die zweite (und mehrere andere) Perspektiven führt die Autorin den Leser:innen vor Augen, wie vielschichtig soziale Interaktionen sind und wie viele Sichtweisen und Interpretationen es für die selbe Situation geben kann.



Das Thema an sich ist natürlich sehr sensibel. Man sollte sich vorher darüber im Klaren sein und wissen, worauf man sich einlässt. Allerdings finde ich den Umgang damit in diesem Roman sehr gelungen.



"Vergewaltigung? Die hatte sie sich anders vorgestellt: Ein Mann, der einen nachts auf dem Nachhauseweg überfällt, oder der Onkel, der die Nichte als Kleinkind missbraucht. Oder der Nachbar. Aber kein Doktorand, den man kennt, zu dem man Vertrauen aufgebaut hat. Ein Geliebter. Ein Freund." (Aus: Nichts, was uns passiert. S. 65)



Die Autorin lässt uns an den Gefühlen der Protagonistin teilhaben. Zweifel, Angst, Schuld. Hätte sie es verhindern können? Sich mehr wehren müssen? Die Zweifel, ob sie eine Anzeige machen soll. Und schließlich die Wut. Die Wut, die sie doch zur Anzeige bringt. Die Wut über den Polizisten, der fragt, was sie anhatte, mit wie vielen Männern sie schon geschlafen habe. Sie mit den Worten verabschiedet, sie solle doch nicht so viel Alkohol trinken.

Klar ist nicht jeder Polizist so. Aber allein zu wissen, dass so etwas vorkommt macht mich so unfassbar wütend. Frauen, die sowieso schon vulnerabler sind, dann auch noch mit so einem unangemessenem Verhalten zu konfrontieren. Victim Blaming, als würde sich die Protagonistin nicht schon schuldig genug fühlen. Gleichzeitig wird auch die Rolle der gesellschaftlichen Strukturen, in denen wir leben, betont.



"Dass wir in einer Rape Culture leben. Vergewaltigung war ein strukturelles Problem – kein persönliches. Die Gesellschaft ist patriarchal. (...) Nie wurde als Erstes gefragt: Ist er schuldig? Sonder: Hat sie gelogen?" (Aus: Nichts, was uns passiert. S. 137)



Daneben kommt aber auch der vermeintliche Täter zu Wort. Wie er mit den Anschuldigen umgeht, wie die Anzeige und die Gerüchte sein Leben verändern, seinen Alltag, seine Freundschaften, seine Hobbys und seinen Arbeitsplatz.





Fazit:

Nichts, was uns passiert von Bettina Wilpert war ein großes Highlight für mich. Ein Buch, das mich bewegt hat. Das mich zum Nachdenken gebracht hat. Das es mir nicht leicht gemacht hat. Es gibt dort kein schwarz-weiß, keine einfachen Entscheidungen. Kein "Sie hat recht", kein "Er ist der Böse". Das Thema Vergewaltigung wird von vielen Seiten betrachtet und, wie ich finde, sehr gelungen dargestellt. Mit all den Konsequenzen für das vermeintliche Opfer, den vermeintlichen Täter und den Einfluss der Gesellschaft.

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Veröffentlicht am 15.04.2024

So ein wichtiges Thema in einem sehr guten Buch

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Hat mir richtig gut gefallen. Das Buch ist aus der Perspektive einer namenlosen Erzählperson und komplett in einer recht rasanten indirekten Rede geschrieben. So nimmt die Geschichte auch nach Lesepausen ...

Hat mir richtig gut gefallen. Das Buch ist aus der Perspektive einer namenlosen Erzählperson und komplett in einer recht rasanten indirekten Rede geschrieben. So nimmt die Geschichte auch nach Lesepausen schnell wieder Fahrt aus. Das Thema ist ein wichtiges und ich fand die Behandlung sensibel, ggf. kann es aber natürlich auch triggernd sein.
Das Buch stellt uns vor die Aufgabe, wie mit Vergewaltigungsvorwürfen umgegangen werden kann/soll, wenn die beschuldigte Person ein „netter, progressiver Mensch“ zu sein scheint. Als Feministin, die Betroffenen bedingungslos glaubt, habe ich mich abgeholt gefühlt, auch wenn hier viele Perspektiven Raum finden. Es ist aber eine Stärke des Buches, dass jede Person ein eigenes Urteil fällen kann.

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Veröffentlicht am 17.06.2022

Unbedingt lesen!

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Endlich lese ich mal wieder ein Buchclub-Buch und dann ist es auch noch mein Vorschlag. Es lag jetzt 1 1/2 Jahre in meinem Schrank, weil ich nur darauf gewartet habe, dass es endlich dran kommt (SPOILER).
Das ...

Endlich lese ich mal wieder ein Buchclub-Buch und dann ist es auch noch mein Vorschlag. Es lag jetzt 1 1/2 Jahre in meinem Schrank, weil ich nur darauf gewartet habe, dass es endlich dran kommt (SPOILER).
Das fand ich gut:
Wir lernen alles sehr detailliert kennen. Viele verschiedene Sichten, viele verschiedene Meinungen. Erzählt ist der Roman überwiegend in Bericht-/Protokollform, wobei nicht ersichtlich ist, welche Rolle die Person hat, die dies erzählt. Es sind teilweise sehr kurze Kapitel, schnelle Sichtwechsel, nach hinten raus wird es aber immer mehr eine klassische Romanstruktur. Anna wirkt für ihr Alter in ihrem Denken manchmal sehr kindlich. Deutlich wird, dass beide Dinge mit sich rumschleppen.
Bei all der Berichterstattung wird aber auch klar, wie Menschen das selbe Ereignis unterschiedlich wahrnehmen können, was der eine vergisst, woran der andere noch denkt, oder was vertauscht wird. Obwohl das Buch nicht aktuell erschienen ist, greift es doch Themen auf, die damals schon präsent waren, und es jetzt mehr denn je sind.
Beide Figuren, sowohl Anna als auch Jonas, wirken verloren und als suchen sie halt beim jeweils anderen. Gleichzeitig wird aber auch beeindruckend gezeigt, was alles in einem vor geht, wenn man vergewaltigt wurde. Ich finde, es werden viele verschiedenen Themen rund um den Fokus aufgebaut und super authentisch rübergebracht. Und allem voran wird einfach deutlich, wie es ist, wenn man mit einem Vergewaltigungsvorwurf zur Polizei geht und Anzeige erstattet, und das auf allen Ebenen.

Das fand ich nicht so gut:
Ich war im ersten Moment enttäuscht, dass es kein richtiges Ergebnis gab. Jedoch wurde mir danach klar, dass das die Realität ist und es deswegen einfach nur authentisch ist. Und es auch gar nicht darum geht, herauszufinden, wer sagt die Wahrheit, sondern abzulichten, wie das Ganze sehr häufig abläuft. Schön wäre gewesen zu erfahren, wie es mit den beiden und all die Menschen um sie herum weitergeht. Ich hätte gerne auch gewusst, wer denn nun der Ich-Erzähler ist und in welchen Kontext das ganze stand.

Fazit:
Es lohnt sich sehr, dieses Buch zu lesen. Es ist so ein wichtiges Thema und gut, nicht immer das Happy End präsentiert zu kommen. Zudem lässt es sich super schnell lesen, weil man einfach wissen will, was passiert als nächstes, was kommt noch alles raus und wie geht es aus. Klare Leseempfehlung von mir.

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