Zwei Klassiker in einem Band
Zum ersten Mal ist mir die Kurzgeschichte “The Yellow Wallpaper”/“Die gelbe Tapete” im Studium begegnet. Schon beim ersten Lesen hat sie sich mir eingeprägt und das passiert mir bei Kurzgeschichten, die ...
Zum ersten Mal ist mir die Kurzgeschichte “The Yellow Wallpaper”/“Die gelbe Tapete” im Studium begegnet. Schon beim ersten Lesen hat sie sich mir eingeprägt und das passiert mir bei Kurzgeschichten, die nicht meine Lieblingsgattung sind, nur selten. In der Geschichte geht es um eine Frau, von ihrem Mann zur Untätigkeit verdammt wird und irgendwann beginnt, die in der gelben Tapete ihres Zimmers Muster zu erkennen. Mit der Zeit nimmt sie Formen und Bewegungen wahr und ist schließlich überzeugt, dass eine andere Frau in der Tapete wohnt.
Ein aus der Sicht der anderen typischer Fall von weiblichem Wahnsinn, von weiblicher Hysterie. Perkins stellt ihn auf brillante und komplexe Weise dar, findet kraftvolle Worte und Bilder und vermischt gekonnt Gothic-Elemente mit feministischem Schreiben. Gelbe gemusterte Tapeten nimmt man nach der Lektüre anders wahr!
Es versteht sich ganz von selbst, dass ich auf Perkins Roman “Herland” sehr neugierig war.
Dieser ist jetzt in einer Neuausgabe zusammen mit der “Gelben Tapete” im @anacondaverlag erschienen. Herland, also “her land” und im wahrsten Sinne des Wortes “no man’s land”, beschreibt das Leben in einer feministischen Utopie. Fernab der bekannten Zivilisation existiert ein Land, in dem Frauen völlig abgeschottet leben. Es hat sich eine Gesellschaft entwickelt, die in vielerlei Hinsicht überlegen scheint, die mit den Stereotypen von Weiblichkeit bricht und stattdessen weiblicher Stärke und Unabhängigkeit Raum gewährt.
Entdeckt wird diese Utopie von drei männlichen Wissenschaftlern/Abenteurern, die zufällig auf Herland stoßen. Sie staunen angesichts der Tatsache, dass eine Gemeinschaft ohne männliche Beschützer und Familienoberhäupter funktionieren kann und verstehen bald, dass Mutterschaft die Frauen mit Stärken und Kräften ausstattet, die es ihnen erlauben, autark zu leben.
Es ist erstaunlich, wie zeitlos der Roman wirkt. Beispielsweise kommen Aspekt wie Kapitalismuskritik oder Tierleid und auch Umweltschutz vor. Im Mittelpunkt von allem steht jedoch das Utopische, das Feministische!
"Herland", eine Entdeckung! Zumindest für mich. Und “Die gelbe Tapete” sowieso.