Beuteschema
„Da lag so viel in dem Blick dieses Jungen. Flehen, betteln, Todesangst. Und all das erregte ihn. Er wusste gar nicht, was am meisten. Dann griff er nach dem Ende des Gürtels.“ S. 74
Doch von vorne: Andrea ...
„Da lag so viel in dem Blick dieses Jungen. Flehen, betteln, Todesangst. Und all das erregte ihn. Er wusste gar nicht, was am meisten. Dann griff er nach dem Ende des Gürtels.“ S. 74
Doch von vorne: Andrea und Gregory Thornton und ihre neunjährige Tochter Julie sind auf dem Weg in den Urlaub, in ein Bed & Breakfast auf der Insel Skye. Kurz vor der Ankunft bekommen sie es noch mit der Polizei zu tun – ein harmloser Rempler mit dem Auto. Polizist Fergus Boyd erkennt Andrea – schließlich ist die gebürtige Deutsche als Profilerin schon mehrfach in der Presse gewesen.
Sei Jahren schon lassen dem schottischen Polizisten Boyd einige ungeklärte Fälle keine Ruhe: zwei Jungen wurden unabhängig voneinander entführt und brutal sexuell missbraucht – ein anderer wurde tot aufgefunden. Weitere Eltern wissen teils nach Jahren immer noch gar nichts vom Verbleib ihrer Teenager-Söhne. Und Andrea hasst Vergewaltiger einfach am meisten von allen Verbrechern. Doch warum sind die Taten so unterschiedlich? Mit Boyd beginnt sie zu ermitteln – sie benötigen dringend ein Profil für die Suche nach einem Täter, denn wie erklärt ihm Andrea so schön: „Wenn man seine Arbeit gut macht, liegt man ungefähr mit drei Vierteln der Annahmen richtig.“ S. 72
Andrea weiß, dass es da eine Ähnlichkeit bei den Taten gibt – nur, an welches Verbrechen wollen die Taten sie erinnern? Erschreckend auch die Situation der Eltern – einige sind zerbrochen an den Geschehnissen – oder haben sich gezwungen, damit abzuschließen. „Andrea war nicht fähig, sich vorzustellen, wie es sich anfühlen musste, sein Kind aufzugeben. Sie maßte sich jedoch kein Urteil darüber an. Um nicht zu zerbrechen, blieb einem irgendwann keine Wahl mehr.“ S. 82 Aber auch das Leben der Überlebenden ist zerstört – sexuelle Übergriffe auf männliche Opfer sind weiterhin ein Tabuthema, das macht Dania Dicken hier deutlich. Und noch wurde der Täter, der bisher stets zu dieser Jahreszeit zuschlug, nicht gefasst…
Besonders bewegt hat mich in diesem achten Band der Reihe der Umgang mit dem Thema Über-Leben mit den Folgen, Stigmatisierung der Opfer und die Konsequenzen – ich fürchtete schon ein Klischee, als es noch eine unerwartete Wendung gab, die mich zum Nachdenken brachte! Wie gewohnt, ist die Ermittlung spannend und vermittelt routiniert Hintergrundwissen zu echt krankem Verhalten. Nicht zu empfehlen für jene, die nicht gut mit Kindern als Opfer umgehen können oder mit sexueller Gewalt in Büchern. Vorbände werden zwar angesprochen – die Lektüre dürfte aber auch ohne möglich sein. Mein Manko – warum nur bekommen Andrea und ihr Umfeld IMMER direkten, also nicht nur beruflichen, Kontakt mit diesen völlig Gestörten? Sie und ihre kleine Familie wirken soooo sympathisch – aber als Nachbarin würde ich sie nach den bisherigen Erfahrungen aller Bücher ebenso wenig haben wollen wie als gute Freundin oder Verwandte, zu potentiell gefährlich und dazu auch reichlich offen mit Auskünften…Den Fall an sich fand ich top. Gute 4 Sterne.