Was passiert, wenn deine Nachrichten mal an einen falschen Adressaten gelangen? Würdest du antworten? Ja? Auch, wenn du keine Ahnung hast, wer dein Gegenüber überhaupt ist?
Genau das ist die Grundsituation in Glattauers Roman „Gut gegen Nordwind“. Als Emmi Rothner versucht, die Zeitschrift „Like“ abzubestellen, landet ihre E-Mail versehentlich bei Leo Leike. Nachdem sie mehrere Versuche unternimmt, abzubestellen, entscheidet sich Leo dazu, ihr zu antworten. Nach anfänglicher Skepsis kommen die beiden immer intensiver ins „Gespräch“ und spüren den Drang, ihrer Neugierde nachzukommen und einander zu treffen. Kann das eine gute Idee sein? Zerstört ein Treffen das imaginäre Bild des Anderen? Diesem Konflikt müssen sich Emmi und Leo stellen.
Als ich angefangen habe, das Buch zu lesen, hatte ich zunächst Zweifel, ob mir diese Form eines Briefromans zusagt. Ich muss sagen, dass ich positiv überrascht bin. Ich finde, um diesen E-Mail Roman zu lesen, muss man keine E-Mail Romane mögen. Die langen E-Mails zwischen Emmi und Leo ermöglichen einem, einen detaillierten Einblick in das Leben der beiden zu bekommen. Was den Roman sehr interessant und lesenswert macht, ist, dass es in dem Konflikt um eine scheinbar banale Alltagssituation geht. Schließlich trifft man sich ständig mit Freunden, Bekannten oder solchen, die es noch werden können. Glattauer formt dabei zwei individuelle Charaktere, welche sich im wahren Leben wahrscheinlich niemals über den Weg laufen würden. Somit entwickelt sich eine süße Liebesgeschichte, die einem Freude bereitet, zu lesen.
Jedoch fehlt mir ein wenig die Komplexität der Story. Der Roman ist toll, aber haut mich nicht um. Die Charaktere sind individuell, aber nicht in dem Maße, wie es in anderen Büchern der Fall ist. Was mich wirklich berührt hat, ist die Idee dahinter. Wenn man jemanden kennenlernt, sieht man ihn ja meistens zuerst. Ob auf Bildern oder in echt, die Reihenfolge in der Kennenlernphase bleibt die gleiche. Deshalb ist es schön, das ganze mal umgekehrt zu erleben. Demnach finde ich, dass das Buch auf jeden Fall gelesen werden sollte, man aber nicht darauf hoffen sollte, das es „das Buch des Jahres“ wird.