Eine prachtvolle Klassikerausgabe
„Die göttliche Komödie“ von Dante Alighieri ist ein Klassiker der Weltliteratur, der sich literarisch mit einer existentiellen Frage des Menschseins beschäftigt: Was geschieht nach dem Tod?
Erzählt wird ...
„Die göttliche Komödie“ von Dante Alighieri ist ein Klassiker der Weltliteratur, der sich literarisch mit einer existentiellen Frage des Menschseins beschäftigt: Was geschieht nach dem Tod?
Erzählt wird „Die göttliche Komödie“ aus der Ich-Perspektive der Figur Dante: Dante wird, orientierungslos und bedrängt von wilden Tieren (die jeweils eine allegorische Bedeutung besitzen), von dem antiken römischen Dichter Vergil („Aeneis“) aufgefunden. Vergil, der zum Handlungszeitpunkt bereits knapp 1.300 Jahre tot ist und geradewegs aus der Hölle stammt, hat den himmlischen Auftrag, Dante aus seiner misslichen Lage zu befreien. Doch der ursprüngliche Weg Dantes ist durch die Tiere versperrt, weshalb es nur eine Alternative gibt: den Pfad durch das Jenseits.
Das Jenseits ist in „Die göttliche Komödie“ in drei Bereiche unterteilt, die zugleich die Kernabschnitte des Textes bilden. Zuerst durchwandert Dante mit Vergil die Hölle („Inferno“). Es folgt das Fegefeuer („Purgatorio“), in dem die Seelen auf die Läuterung warten. Zuletzt fährt Dante – ohne Vergil – in den Himmel auf („Paradiso“). Jeder dieser drei Bereiche ist in unterschiedliche Bezirke unterteilt, die jeweils für bestimmte Figuren und ihre spezifischen „Sünden“ (Hölle und Fegefeuer) bzw. Tugenden (Himmel) reserviert sind. So besitzt bspw. die Hölle eine trichterartige Form, die nach unten hin schmaler wird. Nahe der Erdoberfläche – also ganz oben – trifft Dante u.a. auf die Dichter und Philosophen der römisch-griechischen Antike. Diese sind eigentlich frei von Verfehlungen, hätten auch einen Platz im Himmel verdient, wäre da nicht ihr – aus mittelalterlich-christlicher Sicht – „falscher“ Glaube (aus diesem Grund kann Vergil auch nicht mit Dante in den Himmel fahren). Der Negativpol hierzu findet sich ganz unten, im letzten Höllenbezirk. Hier begegnet Dante den großen Sünderfiguren des christlichen Glaubens wie z.B. Judas, der unentwegt in einem der drei Mäuler Luzifers gemahlen wird. Jeder Bezirk wird von einem Torwächter, meist einer Gestalt aus den antiken Mythen, bewacht, die Dante nur durch Vergil überwinden kann. (Um den Rahmen der Rezension nicht zu sprengen, gehe ich nicht gesondert auf die Bezirke des Fegefeuers und des Himmels ein. Sie sind strukturell anders gegliedert, folgen aber einem ähnlichen Muster).
Während seiner Jenseitsreise trifft Dante auf eine Vielzahl von Figuren. Neben den antiken Denkern begegnet er – v.a. im Himmel – auch Heiligenfiguren. Gleichzeitig hat Dante Alighieri aber auch Persönlichkeiten aus seiner Gegenwart, mit denen er selbst in Kontakt stand, in die Handlung eingebaut. Jede Figur – unabhängig, ob „erfunden“ oder „real“ – erzählt von ihrem Leben. So entstehen innerhalb der „göttlichen Komödie“ immer wieder kleine Mikroerzählungen, die jeweils erklären, warum die Figur in welchem Bezirk ist. Nicht jede der eingebauten Persönlichkeiten aus der Gegenwart Dante Alighieris kommt dabei gut weg, was auch mit der Entstehungszeit der „göttlichen Komödie“ zusammenhängt. Sie entstand vor dem Hintergrund politischer Konflikte in Italien, in denen sich Kaiser- und Papsttreue bekriegten. Dante Alighieri zählte zur ersteren Gruppe, weshalb sich wahrscheinlich auch einige persönliche Spitzen und Statements in der „göttlichen Komödie“ finden.
Die Ausgabe des Manesse Verlags gibt „Die göttliche Komödie“ – gemäß dem Originaltext – in Versform (und nicht in Prosaform) wieder. Außerdem beinhaltet sie eine kurze Einleitung, die in Leben und Werk Dantes einführt. Ihr Herzstück sind – neben dem Text – allerdings die vielen, sehr genauen und ausführlichen Kommentare von Walther von Wartburg. In seinen Kommentaren, die knapp 130 Seiten umfassen, erklärt von Wartburg Metaphern und den verstecken Sinn bestimmter Verse, gibt Hintergrundinformationen zu den auftretenden Persönlichkeiten und macht philosophische und theologische Exkurse, wodurch man „Die göttliche Komödie“ um einiges leichter verstehen kann. Abgerundet wird die Ausgabe durch 18 farbige Illustrationen von verschiedenen Künstlern, die sich malerisch mit der „göttlichen Komödie“ beschäftigt haben.
Insgesamt ist „Die göttliche Komödie“ ein Werk, für das man Durchhaltevermögen braucht und durch das man sich auch manchmal „kämpfen“ muss. Bleibt man am Ball, wird man mit einer opulenten und interessant konstruierten Erzählung belohnt, in der – unter der Schirmherrschaft des katholischen Glaubens – sowohl Altertum und Zeitgeschichte als auch antike Mythen und biblische Figuren miteinander verquickt werden.