Die Zeit bewegt sich in eine Richtung, die Erinnerung in eine andere. William Gibson
Delia staunt nicht schlecht, als vor ihrer Wohnungstür eine alte Dame steht und um Einlass bittet. Sie möchte zu gerne noch einmal die Wohnung sehen, in der sie einst aufgewachsen ist, bevor sie mit ihrem ...
Delia staunt nicht schlecht, als vor ihrer Wohnungstür eine alte Dame steht und um Einlass bittet. Sie möchte zu gerne noch einmal die Wohnung sehen, in der sie einst aufgewachsen ist, bevor sie mit ihrem Zwillingsbruder nach Irland gebracht wurde, um den widrigen Umständen im Nachkriegsdeutschland zu entfliehen. Als Rosie dann nach und nach von ihrem Bruder Gerd erzählt, wird der dringliche Wunsch, ihn nach mehr als 70 Jahren wieder in die Arme schließen zu können, immer lauter. Es beginnt eine Suche, die mit vielen Erinnerungen verknüpft ist und das Rad der Zeit zurückdreht, als Deutschland in Trümmern liegt...
Dorothea Morgenroth hat "Mit den Flügeln der Zeit" eine Familiengeschichte für ihre Leser zugänglich gemacht, die auf wahren Begebenheiten beruht und ein Stück deutscher Geschichte beinhaltet.
In Nachwort erwähnt sie, dass ihr während des Schreibens plötzlich die Bilder des zerbombten Köln vor Augen stehen, die Bombennächte mit all ihren Schrecken und der Angst lebendig werden und die Personen aus den Zeitzeugenberichten ein Gesicht bekommen und zu greifbaren Persönlichkeiten werden. Und genau so ergeht es den Lesenden, denn die ausdrucksstarke Schreibweise der Autorin lässt eben jene Bilder derart deutlich aus den Seiten steigen, dass man sich mit Rosie und Gerd inmitten der Trümmern und dem Staub wiederfindet und die große Not am eigenen Leib erfährt.
Der Wechsel zwischen den Erzählsträngen ist flüssig und man gleitet aus den grauen Bildern von einst hinüber in die faszinierende Landschaft Irlands, sieht die raue Schönheit des Landes und wird ein Teil von Rosie Familie.
Während Rosies Erinnerungen dafür sorgen, dass alte Wunden aufreißen, die irgendwie ein Leben lang nicht wirklich verheilt sind , gerät die Suche nach Gerd in der Gegenwart manchmal ein wenig langatmig. Es fehlt ein wenig die Spannung, um die Lesenden an die Seiten zu fesseln, damit die Neugier auf das, was noch kommt, kontinuierlich erhalten bleibt. Auch lösen sich Probleme recht schnell, fast im Handumdrehen, und es erscheint so, als wäre das Leben in Irland ein Kinderspiel.
Ich mag die einzelnen Charaktere sehr, denn sie dürfen hier Schwächen und Stärken ausleben, aber manchmal entgleiten sie mir beim Lesen, weil alles einfach zu glatt geht.
Ansonsten eine sehr gelungener Einblick in ein Familienschicksal, das mit Gottvertrauen und dem Glauben, das alles gut wird, ein schönes Ende findet.