Sollten die Zusammenhänge dieser Welt einmal aufgelöst sein, man wäre froh, das Buch „Aus der Zuckerfabrik“ von Dorothee Elmiger zu finden, um zu verstehen, was in der Vergangenheit vor sich ging.
'My skills never end' steht auf dem T-Shirt eines Arbeiters, der gerade seinen Lohn ausbezahlt bekommt. Am Strand einer karibischen Insel steht der erste Lottomillionär der Schweiz und blickt aufs Meer hinaus. Nachts drängen sich Ziegen am Bett der Autorin. Dorothee Elmiger folgt den Spuren des Geldes und des Verlangens durch die Jahrhunderte und die Weltgegenden. Sie entwirft Biographien von Mystikerinnen, Unersättlichen, Spielern, Orgiastinnen und Kolonialisten, protokolliert Träume und Fälle von Ekstase und Wahnsinn. Aus der Zuckerfabrik ist die Geschichte einer Recherche, ein Journal voller Beobachtungen, Befragungen und Ermittlungen. Ein Text, der den Blick öffnet für die Komplexität dieser Welt.
Und noch ein Buch von der Shortlist zum Deutschen Buchpreis 2020. "Aus der Zuckerfabrik" stammt aus der Feder von Dorothee Elmiger, einer Schweizerin, und es ist ihre dritte Veröffentlichung. Frau Elmiger ...
Und noch ein Buch von der Shortlist zum Deutschen Buchpreis 2020. "Aus der Zuckerfabrik" stammt aus der Feder von Dorothee Elmiger, einer Schweizerin, und es ist ihre dritte Veröffentlichung. Frau Elmiger zog es auf wie ein Notizbuch. Von einem Arbeiter mit dem bedruckten Shirt, geht es zum ersten Lottomillionär der Schweiz, über eine Flug bis zu einem Autorentreffen. Ihre Gedanken bestehen oft aus wenigen Sätzen und eine Lösung gibt es nicht. Es ist eine Recherchereise durch Zeiten und Welten.
Es ist beileibe kein Buch, welches ich in wenigen Stunden las. Wie beschrieb es die Journalistin eines Radiosenders? Frau Elmiger fordere die Intelligenz der Leser. Das halte ich allerdings für unangebracht. Zum Beispiel darum: Wer sich auf ein fremdes Pferd setzt, ohne Zaum und Sattel, der ist nicht intelligent, der ist dumm. Viele Ereignisse führt sie nicht oder erst viele Seiten später weiter und beendet sie kaum. Aber nein, es ist beileibe nicht schlecht. Es gibt viele gute Ansätze in dem Buch.
Toll fand ich zum Beispiel den Hinweis auf das schöne Gemälde über den „Ursprung der Welt.“ Oder die vielen Hinweise auf Literatur aus der Vergangenheit. Dazu hat sie im Anhang eine lange Liste der Titel sowie ihrer Quellen aufgeführt. Sie stellte sich immer wieder die Frage, was denn bei einer Veröffentlichung auf dem Cover stehen sollte. Roman, oder doch lieber Recherchebericht? Wie sie lesen, wurde keins der beiden Wörter gewählt. Kann man über das Wort Liebe diskutieren? Nein? Doch! Frau Elmiger zeigt es in ihrem Buch. Und sie gibt sogar zu, dass sie nicht imstande ist etwas zu tun, was die Allgemeinheit unter „erzählen“ versteht. Sie kann nicht bei einem Thema bleiben.
Und warum trägt das Werk diesen Titel? Weil es immer mal wieder um den Zucker geht. Wie die Pflanzen geerntet und zu dem weißen Stoff verarbeitet werden oder welche Historie dieses Gewürz hat. Dann gab es noch ein Treffen, welches ich gut fand. Als sie nämlich zu einer Literaturrunde fuhr und dort von den „alten Hasen“ so begrüßt wurde: „Wie jung sie sind.“ Und dass viele glauben, sie würde Romane, vorzüglich „Nackenbeißer“ schreiben. Das hat sie bestens auf den Punkt gebracht, diese Vorurteile gegenüber junge Autoren. Auch ich musste lernen, dass sie gar nicht mal so „wirres Zeug“ schreibt, wie ich erst dachte. Leser müssen sich darauf einlassen und vorher bedenken, dass es eine kaum bekannte Art der Literatur ist. Also vier Sterne und eine Empfehlung für Mutige gebe ich hier.
Dieses Buch mit Worten zu besprechen fällt mir leicht.
Es mit Sternen zu bewerten fällt mir schwer.
Das hängt damit zusammen, dass die Lektüre mein Analytiker-Herz höher schlagen ließ, mein Freizeit-Leser-Herz ...
Dieses Buch mit Worten zu besprechen fällt mir leicht.
Es mit Sternen zu bewerten fällt mir schwer.
Das hängt damit zusammen, dass die Lektüre mein Analytiker-Herz höher schlagen ließ, mein Freizeit-Leser-Herz jedoch nicht nachhaltig berührte.
Ich denke, dass ich diese Ambivalenz im Folgenden recht gut erklären kann.
Es findet sich verständlicherweise keine Angabe des Genres auf dem Cover, weil eine Einordnung des Werkes tatsächlich nur schwer möglich ist.
Ein Roman ist es nicht.
Es ist am ehesten eine Sammlung von Notizzetteln, eine Art Notizbuch.
Gleich zu Beginn spricht die Autorin von einem Gestrüpp, in dem sie hängen bleibt und nicht heraus kommt.
Eine anschaulichere Metapher hätte sie gar nicht ersinnen können, um mein Empfinden zu beschreiben, das ich vor allem zu Beginn der Lektüre hatte, weil ich nicht vorbereitet war auf das, was mich erwartete:
Ich fühlte mich erst ziemlich verwirrt und irritiert, da jegliche Kohärenz zu fehlen schien. Ich hatte den Eindruck, gleichzeitig an viele Orte, in viele Zeiten und in viele Szenen geworfen zu werden.
Wie der Titel schon erahnen lässt, geht es (unter anderem) um die Zuckerplantagen in Mittelamerika, in der Karibik, auf denen Sklaven gearbeitet haben.
Den Zucker dieser Plantagen hat man in Europa leidenschaftlich gern und mit Hochgenuss verzehrt.
Ausgehend von dieser Zuckerthematik, behandelt die Autorin das Thema Hunger.
Aber nicht nur Hunger im konkreten, sondern auch im abstrakten Sinn: es geht um den körperliche Hunger, aber auch um den seelischen Hunger.
Haben wollen, Ausbeutung, Sehnsucht, Verlangen, Begehren, Begierde, Heißhunger, Gier, Obsession.
Und auch, wie man damit umgeht, wenn der Hunger gestillt wurde.
Das Buch ist wie ein Gedankenstrom.
Ein Tagtraum.
Dorothee Elminger lässt es fließen. Als Psychoanalytikerin habe ich fast den Eindruck, ich sitze hinter der Couch und lausche den freien, ungefilterten und unzensierten Assoziationen einer Patientin.
Sie fokussiert verschiedene Szenen und Bilder, wechselt vom einen zum nächsten und umkreist doch ein Zentrum.
Ein Zentrum, in dem es um Kolonialismus und Kapitalismus geht.
Es ist, als hüpfe sie in einem Bach gemütlich und neugierig von Stein zu Stein.
Sie verweilt auf jedem Stein und lässt von da aus den Blick schweifen.
Mit diesem „hüpfen“ möchte ich die Leichtigkeit ausdrücken, mit der sich dieses Buch lesen lässt, obwohl der Inhalt weder stringent noch linear erzählt wird.
Wenn man sich dem traumartigen Erzählfluss überlässt, gerät man in eine Art Leserausch.
Man liest und liest, man blättert und blättert... hört auf zu denken und zu überlegen... begleitet die Autorin einfach auf ihrer inneren Reise.
Die Steine wirken oberflächlich unverbunden und zusammenhanglos, aber sie haben durchaus etwas Gemeinsames:
den Boden, auf dem sie liegen.
Ich meine damit dieses bereits o. g. Zentrum, um das die Autorin kreist.
Sie mäandert durch ihre Innenwelt und stößt dabei auf eine ganz beachtliche Vielfalt an Gedankenfetzen, Trauminseln oder Puzzlestücken:
Der Ananaskönig und die Sembradores auf einer Ananasfarm auf Haiti.
Ein Schweizer Schnapsbrenner, der in den Tropen ein Großbauer wurde.
Der erste Schweizer Lottomillionär, der am Strand einer karibischen Insel steht.
Der Pariser Vorort Plaisir, das dortige Einkaufszentrum und das lycée.
Verschiedene Autoren und Berühmtheiten wie z. B. Max Frisch, Joseph Roth, Heinrich von Kleist oder Ellen West, die berühmte Patientin des Schweizer Psychiaters Ludwig Binswanger werden gestreift, um von dort aus zu den nächsten thematischen Inseln, wie z. B. Geld oder Suizid...zu gelangen.
Das Buch erzählt keine Geschichte und hat keine Handlung.
Es ist eine Zusammenstellung von Schnappschüssen, ein Mosaik aus bedeutsamen Themen in Form von Textauszügen, Zitaten, Stichworten und Tagebucheinträgen.
Es ist eine Komposition aus vielen Einzelstücken, letztlich eine Collage.
Meines Erachtens wurde dieser gleichermaßen poetische wie ungewöhnliche, unstrukturierte und eigenwillige Text, der zweifelsfrei höchste literarische Ansprüche befriedigt, zurecht mehrfach ausgezeichnet.
Es ist ein außergewöhnliches, mutiges und originelles Werk.
Auf den ersten Blick erscheint dieses Sammelsurium an Textsplittern fragmentiert, aber bei näherer Betrachtung hängt es alles andere als im luftleeren Raum.
Im Gegenteil, es hat eine Aufhängung, einen Aufhänger.
Es gibt eine Ordnung im Chaos:
Den Kern, um den es kreist. Kolonialismus, Kapitalismus, die poetische Sprache und der nachdenkliche und leicht melancholische Ton.
Das Buch ist sicherlich nichts für den „gängigen“ Lesegeschmack, falls es so etwas überhaupt gibt.
Es ist nichts für zwischendurch, aber wenn man sich offen und neugierig auf etwas Neues und Spannendes einlassen möchte und die innere Muße dazu hat, ist es ein eigenartiges, exzentrisches und wunderbares Lesevergnügen.
Dieses Werk gehört wohl am ehesten zur aktuellen experimentellen Gegenwartsliteratur, die mir in dieser Form noch nie begegnet, aber äußerst interessant ist.
Wie gesagt, ich kenne so etwas aus meinem Berufsalltag, aber nicht aus Büchern.
Um meinen ersten Satz nun letztlich zu erklären, brauche ich nur noch wenige Worte:
In meiner Freizeit möchte ich in packende und zusammenhängende Geschichten eintauchen, die mich unterhalten und entspannen.
Diesen Anspruch konnte dieses Werk nicht erfüllen.
Deshalb muss ich mich, was die Sternebewertung betrifft, auf einen Kompromiss einlassen, der falsch verstanden werden könnte, wenn man die Argumente und Beweggründe dahinter nicht kennt.
Puh...das ist also diese Kunst, von der immer alle reden? Okay, dann mag ich es leider nicht.
Für mich als Leserin war es furchtbar schwer die wirren Gedankensprünge nachzuvollziehen. Ich kann die...ähhh... ...
Puh...das ist also diese Kunst, von der immer alle reden? Okay, dann mag ich es leider nicht.
Für mich als Leserin war es furchtbar schwer die wirren Gedankensprünge nachzuvollziehen. Ich kann die...ähhh... besondere Leseerfahrung nicht beschreiben. Ab etwas über die Hälfte habe ich dieses Buch nur noch überflogen. Die Autorin bezeichnet es als Recherchetagebuch und wie ein Tagebuch liest es sich auch. Das ist etwas wie früher, wenn einem bevor man ein Referat halten musste, die ganzen Notizen aus der Hand gefallen sind und man die richtige Reihenfolge nicht mehr herausgefunden hat. Auf mich wirkte dieses Buch ziemlich "unaufgeräumt" und sehr verwirrend. Die Inhaltsangabe und die Tatsache, dass es auf der Shortlist war, haben mir viel Hoffnung auf ein gute Lektüre gemacht. Diese Erwartung wurde nicht erfüllt.
Entweder man liest dieses Buch, weil man es sehr mag oder aber man nutzt die Zeit sinnvoll und zählt im nächsten Park die Grashalme. Ich kann es inhaltlich nicht einmal zusammenfassen, dementsprechend ist das hier wahrscheinlich meine unangenehmste Rezension...aber man muss ja nicht alles immer gut bewerten, nicht wahr?! Keine Ahnung, wie das mit der Shortlist passieren konnte. Das war echt sehr mutig.