Cover-Bild Mit den Augen der Apostel
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23,00
inkl. MwSt
  • Verlag: SCM R. Brockhaus
  • Themenbereich: Philosophie und Religion - Religion und Glaube …
  • Genre: keine Angabe / keine Angabe
  • Seitenzahl: 272
  • Ersterscheinung: 15.06.2023
  • ISBN: 9783417241808
E. Randolph Richards, Brandon J. O'Brien

Mit den Augen der Apostel

Wie wir unsere kulturbedingten Sichtweisen ablegen können, um die Bibel besser zu verstehen
Silvia Lutz (Übersetzer)

Was für die Menschen zur Zeit der Bibel noch ganz selbstverständlich mitgedacht wurde, ist für uns heute nicht mehr offensichtlich. Unsere westliche Kultur heute denkt anders über Gesellschaft, Individualismus, Beziehungen, Tugenden und Laster als es in biblischen Zeiten üblich war. Unsere kulturelle Prägung hat große Auswirkungen auf unser Denken, unsere Werte und auch darauf, wie wir die Bibel verstehen. Und so lesen wir manchmal etwas in Texte hinein, was gar nicht so gemeint war.
Mit vielfältigen Beispielen schärfen die Autoren den Blick für den biblischen Kontext wie auch für die eigenen Prägungen und eröffnen so eine neue Sicht auf bekannte Texte.

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Lesejury-Facts

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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 26.08.2023

Ohne Brille sieht man besser?

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Wer in christlichen Kreisen unterwegs ist, kennt vermutlich das Problem: Irgendwann erwacht das eigene Interesse für die Bibel und einfach nur lesen ist nicht mehr genug. Man will mehr wissen, mehr verstehen ...

Wer in christlichen Kreisen unterwegs ist, kennt vermutlich das Problem: Irgendwann erwacht das eigene Interesse für die Bibel und einfach nur lesen ist nicht mehr genug. Man will mehr wissen, mehr verstehen und gerät entweder an Nacherzählungen (wie The Chosen), allegorische Auslegungen oder an Leute, die darauf beharren, dass jedes Wort wörtlich zu verstehen ist und auch ihre Entstehungszeit keine Rolle dafür spielt. Ist das nicht genug, bleibt eigentlich nur noch ein Theologiestudium – oder man landet einen Glücksgriff, wie dieses Buch, der einem einen tieferen Einblick in den historischen Kontext mancher Bibelstellen gewährt. Gerade in evangelikalen Kreisen wird die historisch-kritische Methode zwar immer noch mit etwas Skepsis betrachtet, doch dass eine solche Auslegung und ein tiefer Glaube sich nicht ausschließen müssen, zeigt dieses Buch.

Worum geht es in „Mit den Augen der Apostel“? Kurz gesagt darum, dass wir, wenn wir die Bibel lesen, nicht alles Wort für Wort auf die Gegenwart übertragen können – bzw. nicht so Wort für Wort, wie wir es vielleicht zunächst denken würden. Als Beispiel dafür sei auf den (auch in der Leseprobe enthaltenen) Abschnitt über den Brief an die Gemeinde an Laodizea aus der Johannesoffenbarung verwiesen: Dort wird der Gemeinde vorgeworfen, sie sei „weder heiß noch kalt“. Häufig wird diese Bibelstelle so auslegt, dass man also lieber gar keinen Glauben haben sollte, als einen lauwarmen. Schaut man sich jedoch den Ort Laodizea an, stellt man fest, dass er mitten zwischen zwei anderen Orten liegt, die jeweils eine heiße bzw. eine kalte Quelle haben. Alles, was in Laodizea ankommt, ist also nur noch lauwarmes Wasser. Die eben genannte Schlussfolgerung für den Glauben greift hier also viel zu kurz.

Randolph Richards, langjähriger Professor für biblische Studien in Indonesien und Florida und Brandon O‘Brien, der im Bereich Kirchengeschichte promoviert ist, führen ihre Leser behutsam an ein gestärktes Bewusstsein für die Ideen hinter den Bibeltexten heran. Dabei bedienen sie sich des Modells eines Eisbergs, der sich zum Teil über Wasser befindet (Einflussfaktoren, die uns vielleicht noch bewusst sind), zum Teil unter Wasser, aber noch sichtbar (Aspekte, die v.a. im Vergleich der Bibellektüre unterschiedlicher Kulturen deutlich werden) und zum Teil so weit unter Wasser ist, dass wir ihn gar nicht mehr auf dem Schirm haben. Dabei lassen sie auch immer wieder eigene Erfahrungen und Anekdoten aus dem Kontakt mit anderen Kulturen einfließen. Das ist nicht nur kurzweilig und unterhaltsam, sondern hilft auch ungemein dabei, sich auf die verschiedenen Überlegungen einzulassen. Während man zu Beginn selbst noch denkt: „Stimmt, da hätte ich auch darauf kommen können!“, werden die Themen umso komplexer, je tiefer man kommt. Dabei wird dem Leser nicht selten der Spiegel vorgehalten, sodass man beginnt, seine eigenen Ansichten reflektierter zu betrachten. Am Ende ist sicherlich nicht alles davon bequem, aber Augen öffnend und bereichernd.

Was bei der Lektüre an einigen Stellen an einigen Stellen negativ auffällt, ist lediglich das Verbergen der sehr amerikanisch geprägten Ansicht der Autoren unter dem Deckmantel des „westlichen“, was auch europäische Sichten einschließen soll. Das mag an manchen Stellen zwar stimmen, an vielen Stellen handelt es sich jedoch um die Sicht von amerikanischen Südstaatlern (beide Autoren stammen aus dem Bible Belt) auf die Dinge, die nur nicht so benannt werden möchte. Als Theologin mit den Schwerpunkten biblische Studien und frühes Christentum sind mir auch einige historische Unstimmigkeiten aufgefallen, insgesamt hat mich das Buch jedoch durch seine Vielseitigkeit und Reflektiertheit stark beeindruckt.

Wer also mehr darüber erfahren möchte, wie die ursprünglichen Adressaten vor zweitausend Jahren die Bibel verstanden haben könnte, dem sei dieses Buch unbedingt ans Herz gelegt! Anders als mancher Kommentar oder manches Studienbuch ist „Mit den Augen der Apostel“ keineswegs trocken und langweilig. Es holt seine Leser direkt dort ab, wo sie sind, führt sie behutsam an neue Gedanken heran und achtet auch dort, wo alte Sichten vielleicht nicht mehr greifen können, darauf, den persönlichen Glauben trotzdem zu erhalten und zu stärken. Insofern kann ich dieses Buch auch eher konservativ geprägten Lesern guten Gewissens sehr empfehlen.

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Veröffentlicht am 04.09.2023

Eine kulturbedingte Sicht auf die Bibel

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„...Auf den folgenden Seiten sprechen wir über neun Unterschiede zwischen westlichen und nichtwestlichen Kulturen, die wir uns beim Lesen der Bibel bewusst machen sollten. Wir benutzen dabei das Bild eines ...

„...Auf den folgenden Seiten sprechen wir über neun Unterschiede zwischen westlichen und nichtwestlichen Kulturen, die wir uns beim Lesen der Bibel bewusst machen sollten. Wir benutzen dabei das Bild eines Eisbergs….“

Damit sagen die Autoren in der Einführung klar, worum es im Buch geht. Allerdings erlaube ich mir eine Vorbemerkung. Beide Autoren sind Amerikaner, die im Süden der USA aufgewachsen sind. Ihre Sicht der Dinge ist nicht immer eins zu eins auf Europa übertragbar. Das liegt ganz einfach an unterschiedlicher historischer Entwicklung. Auf Unterschiede in der Interpretation biblischer Texte wurde Randolph Richards durch seine Arbeit in Indonesien aufmerksam.
Das Bild vom Eisberg gliedern die Autoren in drei Teile: über der Oberfläche, direkt unter der Oberfläche, tief unter der Oberfläche. Zu jedem Punkt werden drei Aspekte betrachtet.
Der Schriftstil lässt sich angenehm lesen. Die Autoren geben viele praktische Beispiele an und analysieren bezüglich des kulturellen Hintergrund konkrete Bibelstellen. Häufig gibt es Vergleiche zwischen ihrer Sicht und der ihrer indonesischen Freunde. Dabei wird klar, dass die Bibel zu einer Zeit entstanden ist, wo der kulturelle Hintergrund weit von der heutigen amerikanischen Kultur entfernt war.
Im ersten Teil geht es um Sitten und Gebräuche, Herkunft und Hautfarbe sowie die Sprache.

„...Während man sich im Westen nach Privatsphäre sehnt, ist Privatsphäre eine Situation, die man beispielsweise in Indonesien zu vermeiden versucht...“

Damit hat das Wort logischerweise auch in beiden Kulturen eine andere Bedeutung. Zur Zeit der Bibel kannte man Privatsphäre kaum. Das Leben spielte sich in der Öffentlichkeit ab. Ähnliche weitere Zusammenhänge decken die beiden Autoren hier auf.
Im zweiten Abschnitt geht es um Individualismus und Kollektivität, Ehre und Scham und das Bild von der Zeit. Gerade zu letzteren kennt die Ursprache der Bibel zwei Begriffe: Chronos und Kairos. Ersteres steht für einen Zeitpunkt, zweiteres für die rechte Zeit. Dafür bietet sich die Betrachtung der Geburt Jesus an. Es geht nicht um Tag und Stunde, sondern darum, dass die Zeit erfüllt war.

„...In einer Schamkultur wie zur Zeit der Bibel und in einem großen Teil der heutigen nichtwestlichen Welt ist die treibende Kraft für das Handeln, keine Schande über sich, die Familie die Gemeinde, das Dorf, den Stamm oder den Glauben zu bringen...“

Überrascht hat mich hier das Geschehen um David und Betseda, das völlig neu interpretiert wurde.
Der letzte Teil beinhaltet den Umgang mit Regeln, Fragen der Tugend und den Einfluss Gottes in der heutigen Zeit.
Jeder der neun angesprochenen Punkte endet zuerst mit Schlussfolgerungen aus dem Gesagten, dann mit Denkanstößen, wo ich als Leser gefordert bin, mir selbst Gedanken zu machen.
Es folgt ein abschließendes Kapitel, das Hinweise enthält, was man beim Lesen der Bibel im Auge behalten sollte.
Die vielfältigen Literaturhinweise enthalten leider nur amerikanische und englische Literatur.
Das Buch hat mir sehr gut gefallen. Es zeigt, dass wir das Wort der Bibel nicht isoliert, sondern im Kontext der Zeit betrachten müssen, um Schlussfolgerungen für das Jetzt und Heute ziehen zu können.

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Veröffentlicht am 06.12.2023

Vielleicht ist manches ganz anders gemeint

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Die biblischen Texte wurden vor langer Zeit geschrieben, es ist erstaunlich wie aktuell viele Verse uns trotzdem erscheinen. Doch verstehen wir diese Aussagen überhaupt richtig, wenn wir nicht die Situation ...

Die biblischen Texte wurden vor langer Zeit geschrieben, es ist erstaunlich wie aktuell viele Verse uns trotzdem erscheinen. Doch verstehen wir diese Aussagen überhaupt richtig, wenn wir nicht die Situation berücksichtigen, in die hinein diese Worte geschrieben wurden?

Die zwei Autoren dieses Buchs untersuchen verschiedene Aspekte unserer Kultur, um sie anschließend mit anderen Lebenswelten zu vergleichen. Viele Beispiele stammen aus Indonesien, da einer der beiden Autoren dort länger gelebt hat. Anhand vom Verhalten und Denken der Indonesier, zeigen sie, wie ein biblischer Text mit einem anderen kulturellen Hintergrund ganz anders verstanden werden könnte. Dabei gehen sie davon aus, dass diese asiatische Kultur der biblischen Lebenswelt näher steht als unsere eigene, zum Beispiel wenn es um Individualismus versus Gemeinschaftsleben oder Schuld versus Scham geht.

Was uns prägt, stellen sich die Autoren wie ein Eisberg vor. Nur wenig ist sichtbar, das meiste liegt so tief in uns verborgen, dass uns kaum bewusst ist, wie sehr unser Handeln von kulturellen Annahmen beeinflusst wird. Dabei sprechen sie beispielsweise unser Zeitverständnis an, oder das Gefühl, dass sich alles um uns drehen muss.

Neben dem Aufdecken von kulturellen Eigenheiten, besprechen die Autoren mehrere biblische Geschichten, und zeigen dabei auf, wo wir den Text mit unserer kulturellen Brille falsch verstehen können. Leider vermitteln sie dabei den Eindruck, dass ihr Verständnis dieser Stellen selbstverständlich richtig ist. Diese Voreingenommenheit der Autoren widerspricht eigentlich dem Anliegen des Buchs, was sehr schade ist.

Das trifft mich, wenn sie sagen, dass es ein Irrtum ist Bibelverse persönlich anzuwenden, die beispielsweise den Israeliten zugesprochen wurden. Oder wenn sie davon reden, dass ein reifer Christ nicht mehr um Kleinigkeiten, wie die Suche nach einem Parkplatz beten muss, da er nun selbstständiger geworden ist. Ich möchte mein Leben immer in der Abhängigkeit von meinem himmlischen Vater leben, und ich glaube fest daran, dass Gott durch Verse, die eigentlich an andere gerichtet waren, auch zu uns heute spricht. Ein weiterer Kritikpunkt ist ihre Überzeugung, dass Batseba Mitschuld an ihrer Vergewaltigung trägt.

Hilfreich sind beispielsweise die Gedanken über Zeit, über das Gemeinschaftsleben der ersten Christen, und mehr. Die Ratschläge zum Bibellesen und die Literaturempfehlungen am Ende des Buchs sind spitze.

Fazit: Interessante Überlegungen zum Verständnis biblischer Texte mit einigen Mängeln. Empfehlenswert für Menschen, die sich über ihre kulturellen Vorurteile Gedanken machen wollen, vor allem darüber wie diese ihr Bibelverständnis prägen.