Philosophisches Thema, locker und unterhaltsam
REZENSION – Ist es eine poetische Erzählung, eine zeitgenössische Fabel, ein modernes Märchen? Wie auch immer: „Felix und die Quelle des Lebens“, der achte Band seines 1997 begonnenen „Zyklus des Unsichtbaren“ ...
REZENSION – Ist es eine poetische Erzählung, eine zeitgenössische Fabel, ein modernes Märchen? Wie auch immer: „Felix und die Quelle des Lebens“, der achte Band seines 1997 begonnenen „Zyklus des Unsichtbaren“ des französischen Schriftstellers Eric-Emmanuel Schmitt (60), ist einfach schön zu lesen und macht dem Wortsinn der „Belletristik“ alle Ehre. Schmitt, der 2001 mit „Monsieur Ibrahim und die Blumen des Korans“ seinen internationalen Durchbruch hatte, verzaubert wohl jeden Leser mit dieser anrührenden und lebensklugen, dabei recht locker und humorvoll geschriebenen Geschichte um den 12-jährigen Felix, der mit seiner aus Senegal stammenden Mutter Fatou in Paris lebt und ihr, die bislang mit ihrer Lebensfreude strahlender Mittelpunkt seines Lebens war, nun in verzweifelter Situation aus tiefster Schwermut hilft.
Die bis vor kurzem noch lebensfrohe Fatou ist Wirtin eines kleinen Cafés, um die sich eine bunt gemischte Schar schrulliger Stammgäste schart, die - wie Fatou und Felix als Schwarze unter Weißen – in ihrem Wesen zur benachteiligten, auch diskriminierten Minderheit gehören, alle aber in Fatous Café Anerkennung und Heimat finden. Da trifft das lesbische Pärchen auf eine Transe, ein verkappter Philosoph auf einen Mann, der ein Wörterbuch auswendig lernt. Fatous Leben scheint soweit wunderbar, bis ihr Traum eines größeren Cafés durch Betrug und Geldgier von Immobilienhaien zerplatzt und die Enttäuschung sie in tiefe Depression stürzen lässt. Fatous vermeintlicher Bruder Bamba aus Senegal, den Felix zu Hilfe ruft, kann nicht helfen. Erst sein Vater, der nach zwölf Jahren unerwartet auftaucht, ahnt die Lösung: Er reist mit Mutter und Sohn in Fatous afrikanisches Heimatdorf - an die „Quelle des Lebens“, wo Fatou auch tatsächlich wieder gesund wird.
In „Felix und die Quelle des Lebens“ geht es nicht um das Elend alleinerziehender Mütter mit Migrationshintergrund, sondern um die Kraft von Herkunft, Abstammung und Familie. Schmitt verbindet völlig Gegensätzliches, Rationales mit Irrationalem, Sichtbares mit Unsichtbarem. Der Autor lässt Welten aufeinander prallen, die kaum gegensätzlicher sein können: Paris und das senegalesische Dorf, medizinische Wissenschaft und die traditionelle Heilkunst der Schamanen Er lässt uns über philosophische Weisheiten und spirituelle Themen nachdenken, die, aus dem Blickwinkel eines Zwölfjährigen geschildert, einfach und plausibel erscheinen.
Letztlich geht es in „Felix und die Quelle des Lebens“ um die Frage, wie wichtig die Vergangenheit eines Menschen für sein gegenwärtiges Leben ist, und dass wir lernen müssen, auch mit negativen Erfahrungen umgehen zu können. Der Autor mahnt uns mit einfachen Worten auf humorvolle und trostreiche Weise, uns zur eigenen Identität, zur eigenen Geschichte und Spiritualität zu bekennen. So fordert uns und Felix der senegalesische Schamane auf, der in Wahrheit aufgeklärter ist, als er sich mit seinem zeremoniellen Äußeren gibt, uns nicht durch den vordergründigen Schein des Materiellen vom tieferen Sinn des Lebens ablenken zu lassen: „Blicke hinter das Sichtbare. Betrachte das Unsichtbare. …. Die unsichtbare Quelle ist überall, immer dort, wo du dich befindest.“ Denn das afrikanische Sprichwort, das Eric-Emmanuel Schmitt seinem Buch vorangestellt hat, weiß: „[Nur] derjenige, der genau hinschaut, sieht sie schließlich.“