Krähenmädchen ist der Auftakt einer hochpsychologischen Thrillertrilogie um Vitoria Bergmann, die sich mit extremen Themen wie Missbrauch und Pädophilie befasst.
Mein Einleitungssatz lässt es schon vermuten: dieses Buch ist sehr harte Kost!
Nicht nur, dass es um (Kindes-)Missbrauch und schwere Pädophilie geht, die Autoren gehen dabei in den Beschreibungen auch so weit, dass nur noch wenig bis gar nichts der Fantasie überlassen bleibt. Sowas liest natürlich niemand gern. Und warum? Weil es so nah an der Realität ist. Weil es sich nicht um abstruse Serienmorde handelt, die so offensichtlich fiktiv sind, dass sie einen nicht weiter beschäftigen. Wenn aber geschildert wird, was der eigene Vater der kleinen Victoria Bergmann alles angetan hat, dann lässt einen das nicht kalt. Denn man weiß genau, dass solche Grausamkeiten keinweswegs erfunden sind und viele Kinder von genau den Personen missbraucht werden, denen sie eigentlich vertrauen können sollten.
Allein deswegen finde ich dieses Buch schon gelungen. Es wird ein Tabu gebrochen und ein Thema behandelt, das gerne totgeschwiegen wird, ganz nach dem Motto „Passiert ja nicht mir“. Sicherlich muss man die Nerven dafür haben das Buch zu lesen, wenn man diese hat, kann ich es aber nur jedem ans Herz legen.
So viel vorweg, bevor ich nun zur eigentlichen Rezension komme, bei der ich mir sehr schwer tue. Ich weiß nämlich gar nicht so wirklich wie ich in Worte fassen soll, was ich von dem Buch halte. Es ist unglaublich schwer die Atmosphäre und das was das Buch ausmacht zu beschreiben, ohne dabei zu viel zu verraten. Deswegen wird diese Rezension gezwungenermaßen wohl leider sehr vage bleiben.
Schon zum Inhalt selbst möchte ich gar nicht mehr verraten, als der Klappentext schon preisgibt, denn hat man das Buch gelesen, weiß man, dass dieser nur sehr wenig anreißt. Dementsprechend wäre jede weitere Info bereits ein Spoiler.
Zum Aufbau lässt sich sagen, dass die Kapitel nicht durchnummeriert sind, sondern Namen tragen. Das war häufig zum Beispiel der Ort an dem die Handlung in diesem Kapitel dann gespielt hat. Zum einen war das praktisch, weil man immer wusste WO man war. Leider hat das WANN und WER aber zu Beginn oft gefehlt. Es ist nämlich so, dass wir verschiedene Perspektiven haben. Wir begleiten die Kommissarin Jeanette, die Psychologin Sofia, aber auch Victoria Bergmann. Dabei gibt es vor allem bei den letzten beiden auch Sprünge in die Vergangenheit, die zwar als „damals“ gekennzeichnet wurden, aber die Folgekapitel blieben ohne Zeitangabe. So habe ich oft immer erst ein bisschen gebraucht und das Gelesene sortieren müssen, um zu wissen in welchem Zeitstrang ich mich gerade befinde. An solchen Stellen wurde der Lesefluss dann entsprechend etwas gebremst, was mich insgesamt dann doch gestört hat.
Lange Zeit fragt man sich auch, wie all diese Stränge zusammenhängen mögen und bei einem entscheidenden Teil hat es bei mir recht früh (nach etwas mehr als 100 Seiten) klick gemacht. Danach gab es dann aber doch wieder Situationen die mich das in Frage stellen ließen und so war es letztendlich doch bis zum Ende spannend.
Zum Thema Spannung lässt sich sagen, dass diese nicht auf übliche Weise vorherrscht. Das Buch kann sehr spannend sein, wenn man sich auf die psychologische Ebene einlässt und bereit ist das Gelesene immer auch selbst zu interpretieren und zu hinterfragen. Was man nicht erwarten darf, ist ein klassischer Thriller der durch rasante Szenen zum Pageturner wird. Krähenmädchen ist viel subtiler und unaufgeregter, deswegen aber nicht weniger gut – im Gegenteil! Gerade das hat mich letztendlich überzeugt, denn ich persönlich habe bis jetzt noch keinen vergleichbaren Psychothriller gelesen.
Kommen wir am Ende zu den Protagonisten…
Jeanette finde ich einfach nur furchtbar, lässt sie sich von ihrem Mann doch alles gefallen und versinkt deswegen regelmäßig in Selbstmitleid.
Umso spannender ist dafür Sofia. Lange ist nicht klar was es mit ihr und vor allem mit den Sequenzen aus ihrer Vergangenheit auf sich hat. Umso spannender wird es dann, als dies langsam durchzukommen scheint.
Und dann wäre da noch Victoria Bergmann, die in ihrer Kindheit schwer missbraucht wurde. Als Leser hat man für sie natürlich nur Mitgefühl übrig. Gleichzeitig ist es aber auch spannend zu beobachten was diese Erfahrungen mit ihr als Mensch gemacht haben.
Abschließend lässt sich sagen, dass Krähenmädchen ein vollkommen ungewöhnlicher Psychothriller ist. Nicht nur durch die Thematik, sondern auch durch die Art der Ausgestaltung. Das Buch ist definitiv sehr anspruchsvoll, erfordert es doch durchweg die Aufmerksamkeit des Lesers. Ich war sehr froh es in meiner Lesegruppe gelesen zu haben und so automatisch immer ein paar Verschnaufpausen zu bekommen. Denn für gemütliche Lesestunden ist dieses Buch definitiv nichts, dennoch (oder gerade deswegen) aber sehr empehlenswert.