Cover-Bild Über uns
22,00
inkl. MwSt
  • Verlag: dtv Verlagsgesellschaft
  • Themenbereich: Belletristik - Belletristik: zeitgenössisch
  • Genre: Romane & Erzählungen / Sonstige Romane & Erzählungen
  • Seitenzahl: 320
  • Ersterscheinung: 12.01.2018
  • ISBN: 9783423281317
Eshkol Nevo

Über uns

Roman
Markus Lemke (Übersetzer)

Ein Haus, drei Etagen und jede Menge Geheimnisse

Arnon und Ayelet haben seit der Schwangerschaft Probleme mit dem Sex. Damit die Dinge wieder ins Lot kommen zwischen ihnen, passen Ruth und Hermann, das reizende ältere Ehepaar von nebenan, gern auf ihre kleine Tochter auf. Ein Stockwerk drüber hadert Chani Doron, die »Witwe« (ihr Mann ist ständig auf Geschäftsreise), mit ihrem Leben und Dvorah Edelman, ehemalige Richterin und tatsächlich verwitwet, träumt in der obersten Etage nachts davon, ihr Über-Ich werde amputiert. Lügen und Selbsttäuschung durchdringen Alltag und Familienleben. Nevo wirft Licht in die dunklen Winkel der menschlichen Natur und ist seinen Figuren zugleich mitfühlender Freund. Einfach davonkommen aber lässt er sie nicht ...

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Lesejury-Facts

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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 03.09.2018

Nevos freundlicher Blick auf die Menschen ist es, die jene zu Wort kommen lässt, die sonst schweigen und deshalb in Einsamkeit, Schuld oder Enttäuschung untergehen.

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Eshkol Nevo, Über uns, DTV 2018, ISBN 978-3-423-28131-7

Eshkol Nevo zählt seit langem zu den erfolgreichsten Schriftstellern in Israel. Viele seine Romane sind auch in Deutschland veröffentlicht worden ...

Eshkol Nevo, Über uns, DTV 2018, ISBN 978-3-423-28131-7

Eshkol Nevo zählt seit langem zu den erfolgreichsten Schriftstellern in Israel. Viele seine Romane sind auch in Deutschland veröffentlicht worden und nicht nur der Rezensent schätzt seine unabhängige Stimme.

Sein neuer Roman beschreibt die Menschen, die in einem dreistöckigen Haus in einem bürgerlichen Vorort von Tel Aviv wohnen. Jedem Stockwerk und seinen Bewohner widmet er ein großes Kapitel und deckt deren Lügen und Selbsttäuschungen schonungslos auf. Doch obwohl er in die dunklen Lebensecken der Bewohner sein grelles Licht richtet, bleibt er seinen Figuren gleichwohl wohlgesonnen. Er fühlt mit ihnen und richtet sie nicht. Und dennoch ist er überzeugt davon, dass sie so nicht weiteröleben können, wollen sie nicht am Leben völlig vorbeigehen.

Vom ersten bis zum dritten Stock arbeitet sich Nevo durch dieses Haus, dessen Bewohner durch vielfältige Lebensfäden miteinander verbunden bzw. verstrickt sind.

Im ersten Stock des Hauses leben Ayelet und Arnon. Seit Ayelet mit der mittlerweile siebenjährigen Tochter schwanger war, haben die beiden Probleme mit ihrem Sexleben. Nebenan wohnen Ruth und Hermann, ein älteres Ehepaar, die gerne auf die Tochter der jungen Nachbarn aufpassen, wenn diese mal wieder versuchen, ihre Probleme ins Lot zu bringen.
Arnon verdächtigt den etwas dementen Hermann, sich seiner Tochter ungehörig genähert zu haben. Doch was nach vielen Befragungen sich herausstellt, ist Arnons Problem mit seinem eigenen Liebesleben.

Chani ist eine frustrierte Frau, emotional vernachlässigt von einem permanent auf Geschäftseise weilenden Ehemann. Sie wohnt dort mit ihren beiden Kindern. Sie hat ein Verhältnis mit dem kriminellen Bruder ihres Ehemanns, das sie trotz aller Gefahren wieder zu sich selbst kommen lässt.

Im dritten Stock wohnt Dvorah, eine pensionierte Richterin. Sie lebt im Schatten ihres verstorbenen Ehemanns, von dem sie sich zu befreien sucht, indem sie ihm ihre Lebensbeichte auf den Anrufbeantworter spricht.

Seine drei Erzählungen über seine drei Protagonisten hat Eshkol Nevo an das Strukturmodell der menschlichen Seele von Sigmund Freud angelehnt.
Sehr warmherzig und dennoch schonungslos lässt Nevo seine Figuren die drei Instanzen Ich, Es und Über-Ich darstellen. Drei Menschen richten ihre Monologe an drei unterschiedliche Hörer. Menschen sind das, die in großes seelischer Bedrängnis sich befinden. Menschen, denen plötzlich, während sie sich redend zu öffnen versuchen, klar wird, dass etwas in ihrem Leben schief gelaufen ist. Alle drei sind sie an einem Punkt angelangt, der sie zwingt, zu reden.

Der Leser ist in der Zuhörerrolle, und weil die Geschichten der Protagonisten so voll sind mit Alltagserfahrungen, wird er sich in manchem wiederentdecken.

Nevos freundlicher Blick auf die Menschen ist es, die jene zu Wort kommen lässt, die sonst schweigen und deshalb in Einsamkeit, Schuld oder Enttäuschung untergehen.




Veröffentlicht am 28.05.2018

Wer wohnt in diesem Haus?

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Wer wohnt in diesem Haus?

Eskhol Nevo - Über uns

"Es passiert etwas, und ich kann niemandem davon erzählen. Aber ich muss, muss es einfach jemandem erzählen?"

Dieser Satz, der den Leser auf dem Einband ...

Wer wohnt in diesem Haus?

Eskhol Nevo - Über uns

"Es passiert etwas, und ich kann niemandem davon erzählen. Aber ich muss, muss es einfach jemandem erzählen?"

Dieser Satz, der den Leser auf dem Einband mitgeteilt wird, beschreibt das Gefühl, dass mich nach Lesebeginn beschlichen hat sehr treffend.
Auch mir kam es so vor, als ob hier jemand seine Geschichte loswerden möchte.

Der Autor bringt dem Leser die Handlung auf eine sehr interessante Weise näher. Er erzählt von den Hausbewohnern eines Komplexes in Tel Aviv, wobei die drei Abschnitte für die drei Etagen des Hauses stehen.
In der ersten Etage lernen wir Arnon und seine Frau Ayelet kennen. Die beiden haben zwei Mädchen, das ältere der beiden, Ofri, findet sich oft in der Obhut des alten Ehepaares wieder, dass auf derselben Etage wohnt. Ruth und Hermann haben Spaß daran, wahrscheinlich weil ihnen die eigenen Kinder und Enkel sehr fehlen, die nicht so häufig zu Besuch kommen können. Doch bald steht ein schlimmer Verdacht im Raum, der das Leben beider Familien durcheinander bringt. Arnon führt durch die Etage, erzählt seine Geschichte einem Bekannten, von dem wir im Grunde nur erfahren, dass er Schriftsteller ist, in Monologform.
Die zweite Etage wird von Chani bestritten, die ebenso wie Arnon ihre Sicht ihres Lebens darstellt. Sie bewerkstelligt dies, indem sie eine E-Mail an eine entfernt lebende Freundin verfasst.
Chani fühlt sich von ihrem Mann Assaf allein gelassen, er ist häufig auf Geschäftsreise. Als sein Bruder Eviatar auftaucht, um dort unterzutauchen, hilft Chani ihm, obwohl sie weiß, dass die Brüder zerstritten sind.
Chani beichtet ihrer Freundin im weiteren Verlauf einiges, nimmt den Leser so mit auf ihrem Weg.
Die dritte und letzte Etage brachte mir am meisten, zumal sie mir nicht nur eine aufregende Geschichte bot, sondern auch ein paar Antworten lieferte, die die ersten beiden mir schuldig geblieben sind.
Die pensionierte Richterin Dvorah, spricht über den Anrufbeantworter mit ihrem verstorbenen Mann. Sie spricht über das schwierige Verhältnis zu deren gemeinsamen Sohn. Im weiteren Verlauf nimmt die Geschichte eine Wendung, die mich in ihr Gefühlsleben blicken lässt. Hier wird für mich das erste mal wirklich eine Leb Nagelschuhe erzählt, die mich fesseln konnte.

Diese drei Geschichten haben mich zum grübeln gebracht. Die Erkenntnis die hinter allem steckt wurde allerdings für mich nur über weitere Nachforschungen ersichtlich. Durch Berichte im Internet konnte ich schließlich das Konzept, welches hinter allem steckt nachvollziehen. Aus diesem Blickwinkel noch einmal auf diesen Roman zu schauen, hat mir einiges klar gemacht und regte zum nachdenken an. Ein psychologisch durchdachtes Werk, dass den Leser wirklich fordert.

Habe lange über eine Bewertung gegrübelt. Zu Beginn war ich wenig angetan von Nevos Werk, aber es hat mich weit über das Ende hinaus beschäftigt, das schaffen nicht viele Bücher. Und ist es nicht das, was ein gutes Buch ausmacht? Dass man es nicht einfach weglegt und vergisst? Vergessen werde ich die Leseerfahrung mit dem Roman nicht, daher spreche ich zwar eine Leseempfehlung aus, allerdings mit der Einschränkung, dass man diesem Buch bis zum Ende folgen muss, um den vollen Nutzen aus ihm ziehen zu können.

Veröffentlicht am 20.05.2018

Drei Etagen

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Verschiedene Parteien leben in einem Mietshaus, da sind zum Bespiel Arnon und Ayelet, die nach der Geburt der Kinder auch mal wieder Zeit für sich brauchen, Chani, deren Mann so oft unterwegs ist, dass ...

Verschiedene Parteien leben in einem Mietshaus, da sind zum Bespiel Arnon und Ayelet, die nach der Geburt der Kinder auch mal wieder Zeit für sich brauchen, Chani, deren Mann so oft unterwegs ist, dass sie schon die Witwe genannt wird, und Dvorah, deren Mann tatsächlich verstorben ist. Während Arnon und Ayelet ihre Tochter gerne mal für ein paar Stunden bei den Nachbarn gegenüber parken, glaubt Chani, sie sei dabei sich selbst zu verlieren. Dvorah dagegen hat schon alles verloren, vielleicht hat sie eine Chance, sich neu zu erfinden. Ein Haus - drei Etagen, Nachbarn, die man grüßt, von denen man allerdings kaum weiß, wie es hinter verschlossenen Türen aussieht.

Auf verschiedene Arten erzählen die Bewohner von ihrem Leben, Leben, die anders verlaufen als man beim Anblick des einfachen, zeitlosen Miethauses vermuten würde. Ehen, die nach außen glücklich scheinen, erweisen sich als schwierig oder schon vergangen. Da werden Nachbarn zur Kinderbetreuung herangezogen und nicht bezahlt. Da erweisen sich verloren geglaubte Brüder als Gefahr für das eigene Denken, da könnte man den Eindruck bekommen, es bestehe auch nach dem Tod eines Ehegatten noch die Möglichkeit, sich von diesem zu trennen. Eshkol Nevo überrascht mit seinen Ideen der Darstellung.

Vielleicht würde man sich einen gewissen Zusammenhalt oder Zusammenhang zwischen den Geschichten wünschen, mehr als das sehr lockere Gerüst, das der Autor gewählt hat. Dennoch ist jede der Erzählungen über die Hausbewohner auf ihre Art spannend. So wie man in den Etagen aufsteigt, so steigert sich nach meinem Empfinden auch die Qualität der Geschichten. Gemeinsam ist ihnen allerdings, dass man hinter die schöne Fassade blicken darf und nicht immer eitel Sonnenschein zu sehen bekommt. Wobei die erste Etage mit dem selbstmitleidigen Arnon eher unangenehm wirkt, während die zweite einen schon fast hoffnungsvoll stimmt und die dritte einem Mut macht, dass es auch spät noch Aufbrüche zu neuen Ufern geben kann.

Die schöne Sprache, die der Autor beziehungsweise sein Übersetzer Markus Lemke verwendet, macht die Lektüre zu einem Genuss, der größer wird je weiter man die Treppe nach oben steigt.