Persönliche Familiengeschichte eines türkischen Gastarbeiter-Sohnes
Die Kartonwand in Fatih Çevikkollus Familie ist das Symbol für den baldigen Wohlstand, den sie in der Türkei leben werden, wenn sie zurückkehren. Bald. Nur ein paar Jahre noch Geld verdienen in Deutschland, ...
Die Kartonwand in Fatih Çevikkollus Familie ist das Symbol für den baldigen Wohlstand, den sie in der Türkei leben werden, wenn sie zurückkehren. Bald. Nur ein paar Jahre noch Geld verdienen in Deutschland, dann geht es zurück. Doch die Kartonwand wächst und wächst, es zeichnet sich ab, dass eine Rückkehr nicht so bald stattfinden wird. Und wohin eigentlich zurückkehren, wo man nie war? Denn Fatih und seine Brüder sind in Köln geboren und kennen die Heimat, von der seine Eltern immer reden, gar nicht.
Die Heimat wird auch für die Eltern immer ferner. Unfreiwillig schlagen sie mit den Jahren Wurzeln in Köln, sind aber nicht verwurzelt wie sie es in der Türkei waren. Deutschland und die Deutschen sind ihnen auf Jahre hinaus noch fremd.
Wie lebt es sich in einem 'Dazwischen', das immer mehr zum Dauerzustand wird? - Für Fatih Çevikkollus Mutter endete dieser Zustand in einer Psychose, im Alter wurde sie gewissermaßen verrückt.
Çevikkollu macht sich auf die Suche nach seiner Familiengeschichte. Sein Rückblick lässt ihn mit Verwandten in der Türkei, mit Freunden seiner Eltern in Deutschland reden. Herausgekommen ist anhand seiner eigenen Biografie ein sehr persönliches Buch, dessen Inhalt seinen Weg in aktuelle Debatten finden sollte. Für mich als in Deutschland geborene Person hat es einen sehr intimen Einblick in die fundamentalen Probleme der Gastarbeiter:innen und ihrer Familien geboten und mich zum Nachdenken angeregt. Ich empfinde eine tiefe Dankbarkeit für diesen Einblick und empfehle das Buch, ja, einfach allen.