Cover-Bild Die Kriege der Viktoria Savs
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9,90
inkl. MwSt
  • Verlag: Kremayr & Scheriau
  • Themenbereich: Geschichte und Archäologie - Geschichte
  • Genre: keine Angabe / keine Angabe
  • Seitenzahl: 192
  • Ersterscheinung: 09.2015
  • ISBN: 9783218009911
Frank Gerbert

Die Kriege der Viktoria Savs

Von der Frontsoldatin 1917 zu Hitlers Gehilfin
Als Italien 1915 Österreich-Ungarn den Krieg erklärt, will auch die 16-jährige Viktoria Savs kämpfen. Sie wäre von Kind an wohl lieber ein Junge gewesen. Mit einer Sondergenehmigung wird sie Offiziersdiener an der Drei-Zinnen-Front. Im Mai 1917 reißt ihr ein Felsblock den rechten Fuß ab, von der k.u.k.-Propaganda wird sie zum „Heldenmädchen“ stilisiert – und nach Kriegsende vergessen.
Sie gerät in den Dunstkreis der Nazis – weil man ihr nicht einmal die angeblich kaputte Prothese ersetzt, schenkt ihr 1934 der „Führer“ eine neue. 1933 wird sie Mitglied der österreichischen NSDAP und 1938 Angestellte der Wehrmacht. Endlich darf sie wieder mit Männern Kriegsdienst leisten! Anfang 1942 geht sie ins besetzte Belgrad und tritt den härtesten Männern von allen an die Seite – den Herrenmenschen der SS …
Sensationelles Bildmaterial ergänzt diese Lebensgeschichte, die auf schaurige Weise zeigt, wie aus Mut und Patriotismus Hass und Fanatismus werden können.

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Lesejury-Facts

  • Dieses Buch befindet sich bei Venatrix in einem Regal.
  • Venatrix hat dieses Buch gelesen.

Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 06.12.2019

Wer war diese Frau, die in zwei Weltkriegen eine undurchsichtige Rolle spielte?

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Frank Gerbert, Geograf, Buchautor, Germanist und Journalist betritt mit seinem Buch über Viktoria Savs – um im militärischen Jargon zu bleiben – schwieriges Terrain.

Viktoria, 1899 in Bad Reichenhall ...


Frank Gerbert, Geograf, Buchautor, Germanist und Journalist betritt mit seinem Buch über Viktoria Savs – um im militärischen Jargon zu bleiben – schwieriges Terrain.

Viktoria, 1899 in Bad Reichenhall geboren, ist älteste Tochter des Peter Savs. Der heiß ersehnte Sohn bleibt dem Vater zeitlebens versagt. Die Eltern trennen sich 1904 und Peter Savs zieht an den Gardasee, damals Teil der Donaumonarchie. Es gibt zwar bald eine neue Frau in der Familie, aber sie wird eher als „Wirtschafterin“ denn als Mutter oder Ehefrau geschildert.

War das einer der Gründe, warum sich Viktoria als Mann ausgab? Oder steckte sie vielmehr im falschen Körper?

Folgen wir den Tatsachen: 1915 tritt sie in Männerkleidung ihren Dienst als Maultierführerin in das Standschützenbataillon Meran der k. und k. Monarchie an.
Ob es ihr wirklich gelungen ist, ihr Geschlecht zu verbergen? Möglicherweise zu Beginn. Doch das soldatische Zusammenleben auf engstem Raum, mitten an der Front lässt wenig Privatsphäre. Der Autor hat hier berechtigte Zweifel.

Zu dem Zeitpunkt als sie sich den Fotografen in den Dolomiten stellt, ist Österreich-Ungarn bereits militärisch angeschlagen, die (Zivil)Bevölkerung hungert und die anfängliche Kriegsbegeisterung ist der Ernüchterung gewichen. Das k. und k. Kriegsministerium muss daher auf außergewöhnliche Maßnahmen zurückgreifen, um die (Kampf)Moral zu stärken. Was könnte da besser in das Konzept passen als eine junge Frau, die als Patriotin ihre Heimat mit der Waffe verteidigt? Eben!

Der Autor begibt sich auf Spurensuche. Leider sind echte, authentische Quellen sowie Zeitzeugen rar. Eine besondere Schwierigkeit stellt die „Heroisierung“ Viktorias durch die NS-Propaganda dar. Es ist nicht immer möglich zwischen „Wahrheit“, „Halbwahrheit“ und „Unwahrheit“ zu unterscheiden.

Die Rolle der NS-Propaganda wird gut recherchiert und durch verschiedene Zeitungsausschnitte belegt. Nicht nur Viktoria wird von den Nazis vereinnahmt. Sie teilt diese zweifelhafte Ehre mit einigen anderen Frauen und Männern. z. B. mit ihrer Zeitgenossin Stephanie Holleinstein, die sich als Stephan Hollenstein ausgegeben hat und bei den Vorarlberger Standschützen als Soldatin diente. Ihre Kameraden kennen ihr wahres Geschlecht. Sie wird, nachdem ihre Vorgesetzten davon Kenntnis erlangen, sofort nach Hause geschickt. Auch sie spielt später in der NS-Zeit eine unrühmliche Rolle. Sie wird – obwohl ihre expressionistischen Bilder eigentlich dem Regime widersprechen, als „Heldin“ hochstilisiert und als Kunstexpertin gehandelt.

Selbst der Cheruskerfürst Arminius, der 9 n. Chr. Varus und seine Truppen im Teutoburger Wald besiegte, muss für die
NS-Politik herhalten. Als „Hermann, der Cherusker“ wird er in die Annalen der Nazis eingehen.
Auch Eleonore Prochaska (1785-1813) und Friederike Auguste Krüger (1789-1848), die während der Befreiungskriege gegen Napoleon in der kämpfenden Truppe ihren Mann gestellt hatten, ereilte dieses Schicksal. In einigen Artikel und Büchern wurden sie in den 1940er Jahren zu Heldinnen hochgejubelt. Hier sind die Fakten leichter zu recherchieren und zu überprüfen, weil Tagebücher und Aufzeichnungen erhalten sind. Die Schicksale der beiden weichen jedoch von dem Viktorias ab: Eleonore stirbt an einer Verwundung und Friederike Krüger heiratet und bekommt vier Kinder. Beide verleugnen ihre Weiblichkeit nicht.

Der Umgang des (heutigen) Österreichischen Bundesheeres mit Viktorias Kriegseinsatz scheint ebenfalls ambivalent:

Die Heeresunteroffiziersakademie (HUAk) des Österreichische Bundesheeres verlieh seinen Absolventen des Jahrganges 1999 das Lehrgangsabzeichen "Viktoria Savs".

Ich finde das Buch trotz der mageren Quellenlage sehr informativ. Ein Sachbuch, das mit vielen Fotos und Zitaten die widersprüchliche Persönlichkeit der Viktoria Savs in widersprüchlicher Zeit beleuchtet. Es ist gut zu lesen.
Der eine oder andere Leser wird eventuell Abkürzungen, Geschehnisse etc. woanders nachlesen müssen. Ein Glossar bzw. eine Zeittafel wäre eventuell hilfreich.

Der Titel „Die Kriege der Viktoria Savs“ implizieren nicht nur die beiden Weltkriege sondern auch die persönliche Kriege der Viktoria: Kampf um Anerkennung, Kampf um das „Anderseindürfen“, der Kampf der sexuellen Orientierung.
Ich kann mich der Meinung des Autors anschließen, dass Viktoria in zweifacher Hinsicht auch Opfer gewesen ist.

Vorrangig Opfer ihres eigenen Ichs und später Opfer sowohl der k. und k. Kriegsführung als auch der NS-Propaganda.
Nicht entschuldigen lässt sich ihre aktive Mittäterschaft. Sie scheint sich den rechten Machthabern regelrecht angedient zu haben. Dass sie später Reue gezeigt dafür hätte, ist nicht bekannt.

Ich gebe dem Buch fünf Sterne und eine uneingeschränkte Weiterempfehlung.

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Veröffentlicht am 06.01.2017

Viel auf Spekulationen basierende Biographie einer umstrittenen Persönlichkeit

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Ich habe ja schon viele Bücher über den Zweiten Weltkrieg und die Nazizeit gelesen, aber über den Ersten Weltkrieg weiß ich ehrlich gesagt nicht sonderlich viel. Dass es damals auch so genannte "Heldenmädchen" ...

Ich habe ja schon viele Bücher über den Zweiten Weltkrieg und die Nazizeit gelesen, aber über den Ersten Weltkrieg weiß ich ehrlich gesagt nicht sonderlich viel. Dass es damals auch so genannte "Heldenmädchen" gab, also Frauen, die als große Ausnahmen im Militärdienst dienten, obwohl dies nicht vorgesehen war, fand ich sehr spannend. Deshalb wollte ich die Geschichte von Viktoria Savs unbedingt lesen.

Es gibt zahlreiche (historische) Zeitungsberichte über diese Frau, die damals zur Heldin hochstilisiert wurde, letztendlich aber eine umstrittene Figur auch unter Militärangehörigen blieb. Sowohl im Ersten als auch Zweiten Weltkrieg war sie aktiv und wurde dort für Propagandazwecke "missbraucht" - oder auch nicht, denn so wie es aussieht, hat die kampfbegeisterte Viktoria selbst all die Heldengeschichten um ihre Person nur zu gerne in Umlauf gebracht bzw. bestätigt.

Nun ist also der Journalist Frank Gerbert auf Viktoria Savs Spuren gewandelt. Gleich im Vorwort kam für mich das überraschende Eingeständnis, dass Gerbert lediglich den Versuch vornehmen kann, ein Bild von Viktoria Savs zu zeichnen. Ich hatte eigentlich vermutet, dass er mehr gesicherte Informationen über diese Frau zu bieten hätte und hier mit einer fundierten Biographie aufwartet. Dem ist jedoch nicht so, und so sind die meisten Geschichten rund um die Savs mit Vorsicht zu genießen, in einigen Teilen gibt es auch widersprüchliche Überlieferungen. Es muss also meist bei Mutmaßungen bleiben, was ich sehr schade fand. Immerhin ist der Autor aber diesbezüglich ehrlich, so dass man gleich zu Beginn weiß, worauf man sich beim Lesen einlässt.

Gerber rekonstruiert also anhand von Zeitungsberichten, erhaltenen Dokumenten, bereits vorhandenen Recherchearbeiten und Gesprächen mit Zeitzeugen Viktoria Savs Leben und ihren Charakter. Viele Überlieferungen bleiben hierbei umstritten und gehören in den Augen des Journalisten eher in das Reich der Mythen. So ist es zum Beispiel fraglich, ob Viktoria Savs wirklich als Soldatin an der Front gekämpft hat oder lediglich niedrige Aufgaben übernahm, für die durchaus auch Frauen eingesetzt werden konnten. So gibt es gar einen Leserbrief von anderen Soldaten, denen die Heroisierung ihrer "Kameradin" in den Zeitungen so sauer aufstößt, dass sie behaupten, ihr wurde der Fuß völlig unprätentiös bei einer Sprengung von Felsgestein abgerissen, als die Dame gerade auf dem Lokus weilte...

Die Frau, die der Leser kennenlernt, ist doch eher unsympathischer Natur. Viktoria war ein "Tomboy", verhielt sich Zeit ihres Lebens wie ein Mann, hatte vermutlich auch eine lesbische Beziehung mit einer jüngeren Frau, die sie offiziell nach dem Zweiten Weltkrieg adoptierte. Ihre Halbschwester, mit der sie jedoch kaum etwas zu tun hat, beschreibt Viktoria als herrisch, egozentrisch und wenig liebenswert. Dem Vater folgt sie begeistert in den Krieg, sie möchte unbedingt gegen die Italiener kämpfen. Auch nach dem Unfall, bei dem Viktoria einen Fuß verlor, wollte sie sofort wieder zurück an die Front. Später dann ließ sie sich nur allzu gern von den Nationalsozialisten einspannen und arbeitete u. a. als Spionin gegen ihre eigene Heimat. Ein Bild zeigt sie mit hohen Funktionären der gefürchteten Waffen-SS. Spätestens hier werden wohl alle Sympathien für sie verpuffen. So bezeichnet Gerber sie denn auch im seinem Schlusswort als "ebenso faszinierendes wie abstoßendes politisch-psychologisches Unikum".

Die ersten Kapitel fand ich noch etwas holprig, ich kam nicht so recht in den Schreibstil hinein. Das mag aber auch daran liegen, dass ich erstmal dem Buch gegenüber negativ eingestellt war, nachdem ich gelesen hatte, dass es lediglich auf Rekonstruktionen und Mutmaßungen basiert. Im Laufe des Buches fand ich jedoch immer mehr hinein, und dann ließ es sich auch flüssig und durchaus unterhaltsam lesen. Gerber hat keinen nüchtern-sachlichen Stil, sondern einen lockeren, ja mitunter humorigen Erzählstil, der das Buch recht kurzweilig gestaltete.

Alles in allem wird dem Leser hier eine interessante, wenn auch nicht gerade sympathische Persönlichkeit vorgestellt, von der leider noch zu viele Fakten im Dunkeln liegen, so dass man sich zusammen mit dem Autor oft mit Spekulationen zufrieden geben muss.