Berührend und schnörkellos
Felix ist auf seiner Reise in Kambodscha verschwunden. Seine Mutter ist verzweifelt und bittet seinen besten Freund um Hilfe, drückt ihm ein Ticket und die Flugzeiten in die Hand und fleht ihn an Felix ...
Felix ist auf seiner Reise in Kambodscha verschwunden. Seine Mutter ist verzweifelt und bittet seinen besten Freund um Hilfe, drückt ihm ein Ticket und die Flugzeiten in die Hand und fleht ihn an Felix in Kambodscha zu suchen. Entgegen der Meinung seiner Freundin und eigener Zweifel meldet er sich auf unbestimmte Zeit bei der Arbeit ab und macht sich auf den Weg Felix zu finden. Eine lange und doch rasante Reise voller Abenteuer, Sehnsüchte, ungeahnten Gefahren und der Suche nach Felix und damit zu sich selber, in die gemeinsame Vergangenheit beginnt.
“Ich erinner mich genau. Wir stehen einen Schritt vom Tod entfernt, aber wir stehen nebeneinander.”
Friedemann Karig hatte mich bereits mit dem ersten Satz für sich gewonnen und “Dschungel” hat mich völlig eingesogen, durchgeschüttelt, zerfleddert ausgespuckt und sprachlos hinterlassen.
Was klingt wie ein Reiseroman in den Dschungel in und um Kambodscha ist tatsächlich viel mehr, eine sehr individuelle und persönliche Reise des namenlosen Helden und Protagonisten dieses Romans, die in Schuldgefühlen wurzelt und aufgrund emotionaler Erpressung durch Felix’ Mutter erfolgt.
“Dschungel” ist in 4 Teile unterteilt und ein Gemisch aus Heute, den Erlebnissen des Erzählers in der Gegenwart, die Tage während seiner Reise, die Suche in Südostasien und Damals, der Kindheit und Jugend mit Felix.
In den Erzählungen und Erinnerungen des Protagonisten ist Felix ein typisches Alpha-Männchen und er selber das komplette Gegenteil. Felix der Anführer, unnahbar, selbstsicher, teils arrogant und blendend, er selbst ein typischer Mitläufer, unsicher, beeinflussbar, passiv und unscheinbar. Felix wird durch diese Rückblicke immer unsympathischer und es wird unverständlich warum der Ich-Erzähler besessen von der Suche nach seinem Freund ist, es wirkt ungesund und ließ mich an emotionale Abhängigkeit und Schuldgefühle denken und eine leise Stimme flüsterte: “da stimmt was nicht.”.
“Wenn ich deine Augenlider wäre, würde ich deine Augen offenhalten, tagelang. Nicht für ein Spiel, das hättest du sowieso gewonnen. Sondern damit du wirklich mal hinschaust.”
Vergangenheit ist immer subjektiv, Kindheit, Jugend, Pubertät eine sehr emotionale Phase mit Schleiern vor den Augen und der Möglichkeit vieles zu verdrängen und auszublenden unbewusst.
Die Jugend ist eine großartige, freie, prägende Zeit, eine Zeit in der man viel leidet, glaubt vor den größten Problemen des Lebens zu stehen, pures Glück erlebt, die Welt umarmen will und in anderen Momenten plötzlich von der Klippe stürzen möchte, die ersten Schmetterlinge im Bauch und ein Gefühl von Unendlichkeit erlebt. “Dschungel” ist eine Liebeserklärung an diese Zeit, man erlebt die Jugend der beiden Jungs in den 1990’ern durch die Gedanken des Erzählers, die Geschichte einer Freundschaft in flüssiger, einfacher, gezielter Sprache.
“Das Geheimnis der Erlösung heißt Erinnerung.”
Ein im wahrsten Sinne umwerfender Roman, ein unglaublicher Sog, mit einem großen Knall, der unerwartet kam und mir den Atem geraubt hat. Ein neues Lieblingsbuch, ein Buch, was sich eingebrannt hat, ein Buch, welches meine gesamte Gefühlspalette angesprochen hat und mich Zeit und Raum vergessen ließ. Uneingeschränkt empfehlenswert!