Frühjahrshighlight
Mon Chéri und unsere demolierten SeelenNun sitze ich hier (nachdem ich die 4 Mon Chéri gegessen und das Glas Sekt getrunken habe) und versuche meine Gedanken zu diesem außergewöhnlichen Roman zu sortieren - super Plan diese Reihenfolge, merke ...
Nun sitze ich hier (nachdem ich die 4 Mon Chéri gegessen und das Glas Sekt getrunken habe) und versuche meine Gedanken zu diesem außergewöhnlichen Roman zu sortieren - super Plan diese Reihenfolge, merke ich gerade. So würde es Charly Benz, die Protagonistin, wohl auch machen, jedoch wäre mindestens ein zweites Glas und eine Menge karzinogener Substanzen, wie indianische Zigaretten und verkohlte Croissants, mit am Start. Charly ist die Königin des gelebten Chaos, der Stellvertreterkriege, der Postangst und mit ihren 43 Jahren seit über 20 Jahren ‘frühvergreist’ und weit davon entfernt ihre kindlichen Verhaltensmuster an den Nagel zu hängen und das Leben, geschweige denn sich selber, ernst zu nehmen und hat ein erhebliches Problem damit sich mit Müsliriegeln zu identifizieren, aber das ist beruflicher Natur. All das hat sie, soweit möglich, gut im Griff, insbesondere ihre Postangst, denn dafür hat sie den ‘Postengel’, ihren Postverwalter Herrn Schabowski, der weit mehr als nur Ordnung in ihre Unterlagen bringt. Es könnte alles so ruhig und einsam, leer, gefrustet und mit unterirdischem Selbstwert weitergehen, wären da nicht eine Familienaufstellung, eine tödliche Diagnose, drei Männer, eine Schwangerschaft und ein Erbe. Charly und Herr Schabowski beschließen die Einschläge in ihre Blasen und Komfortzonen proaktiv anzugehen und finden überraschende, besondere Wege, die unter anderem ihren Stand auf der Esoterikskala steigen lassen, aber vor allem lernen sie sich selbst neu kennen und mit Achtsamkeit und Respekt ihren demolierten Seelen zu begegnen.
Für diesen Roman spreche ich eine ganz klare Leseempfehlung aus. Die Figuren sind eine bunte Mischung, mal nervig, skurril, lähmend, liebenswert, außergewöhnlich, großartig, vielseitig, chaotisch und einfach toll. Die 503 Seiten sind sehr kurzweilig, kaum und nur wenige Längen, diese jedoch ganz bewusst, denn sonst wäre es nicht Charly, wenn sie uns ihr Leben kurz und simpel erzählen würde. Die Sprache mochte ich sehr, die Autorin hat ein Händchen für gelungene Wortwahl, vor allem hat sie eine riesige Palette an Humor jeglicher Form und Art und ein Gespür für die Entwicklung ihrer Figuren. Ich bin mir sicher, dass dieser Roman etwas polarisiert, man liebt oder hasst ihn, ich glaube allzu viel Grau gibt es nicht dazwischen. Ich liebe ihn und seit dem Beenden des Romans fehlt mir etwas, das Zuklappen des Buches fiel mir schwer, ich wollte mich noch nicht trennen. Ich habe Tränen gelacht und Tränchen vergossen aus Rührung und Mitgefühl, ich bin in die Geschichte und in Charly’s Leben in Berlin eingetaucht und damit auf einer Achterbahn gelandet.
Lest es und lasst euch mitnehmen auf ein ganz besonderes Abenteuer.
Ein ganz klares Highlight im Frühjahr für mich.