Empfehlung besonders für die, die den Autor neu entdecken möchten!
„Chronik eines angekündigten Todes“ von Gabriel García Márquez ist ein in Form einer sachlichen Berichterstattung verfasster Roman. Ein Bräutigam schickt seine Braut noch in der Hochzeitsnacht zurück ...
„Chronik eines angekündigten Todes“ von Gabriel García Márquez ist ein in Form einer sachlichen Berichterstattung verfasster Roman. Ein Bräutigam schickt seine Braut noch in der Hochzeitsnacht zurück in ihr Elternhaus weil sie keine Jungfrau mehr ist. Daraufhin nehmen deren beiden Brüder Rache an dem vermeintlich Schuldigen und bringen diesen um. Der Leser weiß sprichwörtlich vom ersten Satz an, dass der Mord geschehen wird, insofern hält sich die Spannung über den Ausgang der Geschichte in Grenzen (gut, der Titel verrät diesbezüglich auch schon ein bisschen was). Wir werden nun Zeuge der Rekonstruktion des Geschehnisses durch Gespräche des Erzählers mit den Dorfbewohnern, die mehr und mehr verdeutlichen, wie viele Menschen von dem geplanten Mord wussten (nämlich nahezu alle) und es versäumten das Opfer zu warnen (ebenfalls alle) - sei es aus persönlichen Motiven oder schlicht deshalb, weil jeder annahm, ein anderer habe dies bereits getan. In der Summe empfand ich diese „wem haben die Täter alles gesagt, dass sie das Opfer umbringen wollen“-Passagen als ein bisschen viel des Guten - da hätte man gut ein paar Seiten wegkürzen können.
Es geht um Moralvorstellungen und Traditionen - und darum wie selbstverständlich Selbstjustiz von Volk und Staat hingenommen, ja, sogar erwartet wird, im Angesicht der verlorenen Ehre einer jungen Frau. Sprachlich hat mir die Geschichte wieder gut gefallen, wenn auch der feine Humor, den ich in „Hundert Jahre Einsamkeit“ so wunderbar fand, mir hier etwas fehlte - das ist aber möglicherweise auch dem ernsten Thema und der Kürze des Romans geschuldet. Ich habe das Büchlein gerne gelesen und würde es besonders denen empfehlen, die noch nichts von Gabriel García Márquez kennen.