Knallbunter Ziegelstein für die Einführung ins Programmieren
Mein Interesse an Big Fat Notebook: Informatik (so kürze ich den Namen hier ab, da der ganze Titel doch recht lang ist) kommt vor allem aus der Richtung Webentwicklung: Ich wollte lernen, wie ich meinen ...
Mein Interesse an Big Fat Notebook: Informatik (so kürze ich den Namen hier ab, da der ganze Titel doch recht lang ist) kommt vor allem aus der Richtung Webentwicklung: Ich wollte lernen, wie ich meinen Blog mit HTML und CSS noch weiter individualisieren kann. Laut Klappentext ist das auch einer der Schwerpunkte des Buches. Klar, dass in diesem dicken Schinken noch mehr Dinge enthalten sind, aber Webentwicklung scheint ein wichtiger Themenblock zu sein.
[Umfassendes Nachschlagewerk und Übungsbuch in Informatik und Programmieren für Schülerinnen bis hin zu Studierenden. Optimal geeignet zur Vertiefung und Auffrischung oder zum Einstieg ins Programmieren und zur Vorbereitung auf Tests. Die außergewöhnliche Gestaltung mit Scribbles und Cartoons sowie witzige Kommentare sorgen für Auflockerung. Nach jedem Kapitel folgt ein Wissensquiz, Multiple-Choice-Test oder ein Lückentext zur Lernkontrolle.
Erfahre alles über • Computersysteme • Datenanalyse • Bugs • Bits und Bytes • Softwareentwicklung • Malware • Algorithmen • Programmierregeln • Scratch • Python • Webentwicklung, HTML, CSS und vieles mehr.
Mit Definitionen, Lerntipps, Übungsseiten, Lösungen und Doodles.(Klappentext. )]
Inhalte
Nun ja. Die ersten 200 Seiten führen ein in allgemeines Grundwissen über Computertechnik. Und damit meine ich wirklich die Basics, die zum Programmieren eigentlich auch nicht wirklich notwendig sind. Ein paar Beispiele: Was ist ein Computer? Was ist das Informationszeitalter? Informationsbeschaffung – mit Umfragen oder Interviews. Dass der Binärcode erklärt wird oder auch Begriffe wie In- und Output oder Strategien zur Fehlerbehebung vorgestellt werden, das ergibt Sinn. Aber einige Absätze und sogar ganze Kapitel hätte man sich an dieser Stelle meiner Meinung nach sparen können.
Die nächsten beiden großen Blöcke – oder Lektionen – behandeln die Programmiersprachen Scratch und Python. Erst ganz zum Schluss wird Webentwicklung erwähnt. Während Scratch ca. 100 Seiten lang erklärt wird und Python sogar fast 120 Seiten erhält, bleiben für die gesamte Webentwicklung nicht einmal 90 Seiten übrig, was HTML, CSS und “Was ist eigentlich das Internet?” einschließt, inkl. das Erklären von Farbcode-Systemen. Effektiv beziehen sich 72 von 551 Seiten auf die Themen, die mich interessierten.
Bitte versteht mich richtig: Ein Buch, das Alles, was du für Informatik brauchst heißt, kann sich natürlich nicht nur um HTML und CSS kümmern. Trotzdem finde ich die Gewichtung nicht ausgeglichen genug. Auch die historische Entwicklung von Computern und dem Internet ist zwar interessant, aber “braucht” man das tatsächlich zum Programmieren? Darauf liegt ja laut Untertitel und Online-Beschreibungen der Fokus des Buches. Wenn man außerdem “alles” verspricht und eine lange Einleitung in das große Thema schreibt – warum werden dann nur Scratch und Python erwähnt? Was ist mit Java, mit PHP? Ich finde die Auswahl und die Fokussierung einfach nicht schlüssig.
Die Inhalte von Scratch und Python beziehen sich übrigens auch ausschließlich auf das Programmieren von Spielen. Das mag vielleicht eines der Kerninteressen von Jugendlichen sein, die sich mit Informatik beschäftigen, aber alle anderen Verwendungszwecke von bspw. Python werden damit in die zweite Reihe verdrängt – sie gehören scheinbar nicht zu Allem, was du für Informatik brauchst. Schade.
Die einzelnen Lektionen enden mit Übungsseiten, auf denen eine ganze Reihe von Fragen zur Wiederholung der Informationen der Lektion auffordern. Das finde ich gut und für Jugendliche definitiv altersgerecht. Direkt danach folgen aber schon die Lösungsseiten. Ich hätte die Lösungsseiten eher hinten angehängt, beim Glossar/Index. Sonst blättert man ein bisschen weiter, um sich die nächsten Fragen anzuschauen, nur um aus Versehen die Lösungen zu lesen.
Die Lektionen selbst sind sehr gut erklärt, haben gut verständliche Beispiele und besonders bei Scratch sind die Bausteine der Programmiersprache deutlich abgebildet.
Zielgruppengerecht?
Das Big Fat Notebook: Informatik wird vom deutschen Loewe-Verlag ab 12 Jahren empfohlen. Die junge Zielgruppe lässt sich sehr gut an der knallbunten Aufmachung, den vielen Zeichnungen (“Doodles“) und der Schrift, die an eine runde Handschrift erinnert, erkennen. Der Notizbuchcharakter (“Notebook”) wird durch das linierte Papier deutlich. Soweit die Fakten.
Ich bin nun vielleicht etwas älter als die Kernzielgruppe, aber das Big Fat Notebook: Informatik wird auch für Studierende empfohlen, die mit Programmieren anfangen wollen. In die Kategorie passe ich gut hinein – aber das Buch nicht zu mir. Durch die vielen verschiedenen Farben, die unterschiedlichen Schriften, die bunten Kästen (verschiedene Farben für verschiedene Arten von Informationen) und die teilweise lieblos verteilten Zeichnungen wirkt das Buch viel zu überladen und durcheinander. Die Schrift ist anstrengend zu lesen, sodass ich gedanklich immer wieder abgeschweift bin. Aber immerhin steht der Text auf den Linien im Hintergrund, da hat die setzende Person gut aufgepasst.
Ich finde die bunte Aufmachung eine gute Idee, besonders das Farbschema zum Kennzeichnen verschiedener Informationskategorien. Aber es ist einfach zu viel, zu durcheinander. Besonders die kleinen Doodles überall im Text haben mich gestört. Ich war beim Lesen teilweise überfordert von all dem Chaos. Da helfen auch die paar leeren Notizseiten hinten im Buch nicht, um meine Gedanken zu sortieren. Damit ihr einen Eindruck bekommt, wovon ich rede, habe ich euch ein paar Innenseiten fotografiert:
[Fotos auf meinem Blog]
Ich habe mir ein paar Gedanken über das Buch als Gegenstand gemacht. Es ist ziemlich massiv, trotz flexiblem Einband. Massiv heißt in diesem Fall schwer und klobig. Es ist einfach zu dick, um bequem damit arbeiten zu können. Es klappt immer wieder zu, wenn man es nicht durchgehend festhält; mit beiden Händen tippen, während man das Buch offen neben sich liegen hat, geht also nicht. Es ist auch zu schwer, um es längere Zeit zum Lesen festzuhalten. Und dann stelle ich mir vor, wie kleinere Kinder-/Jugendlichen-Hände das versuchen, was für meine erwachsenen Hände schon schwierig war …
Für dieses Problem hätte ich einen Verbesserungsvorschlag: Ich kann mir gut vorstellen, dass man das Big Fat Notebook: Informatik in mehrere dünnere Bücher aufteilen und im Schuber anbieten könnte. Auf diese Weise wird es nicht wirklich in einzelne Bände aufgeteilt, aber man könnte den Teil, den man gerade braucht, viel angenehmer nutzen: die historische, allgemeine Einleitung in das grobe Thema Informatik und Technik, die Lektionen zu Scratch oder Python oder eben Webentwicklung. Für die Handhabung wäre das definitiv besser als dieser Ziegelstein. Eine Ringbuchbindung wäre auch eine Alternative. Damit könnte man die benötigte Seite aufschlagen und gleichzeitig Tippen, ohne, dass das Buch wieder zuklappt. Das wäre in der Produktion wahrscheinlich auch günstiger als ein Schuber mit mehreren dünnen Büchern.
Sonstiges
Ich finde es außerdem merkwürdig, dass der Autor nirgendwo im Buch zu finden ist – weder auf dem Cover, noch dem Buchrücken, noch auf irgendwelchen Innenseiten. Nicht mal im Impressum. Nur online konnte ich den Namen finden, auf Verlags- und Shopseiten. Warum das so ist, weiß ich nicht, aber es ist komisch.
Einen dicken Minuspunkt bekommt das Big Fat Notebook: Informatik für das generische Maskulinum, das konsequent verwendet wird. Es ist die Rede von Programmierern, Erfindern, Wissenschaftlern. Besonders in einem Buch mit einer jugendlichen Zielgruppe, das einen männlich dominierten Fachbereich thematisiert, finde ich es sehr wichtig, auf Gendern zu achten und darauf, nicht-männliche Personen nicht durch Sprache auszuschließen. Sonst helfen auch all die Bemühungen nichts, MINT-Fächer für nicht-männliche Schülerinnen attraktiv zu machen.
Fazit
Das Big Fat Notebook: Informatik beinhaltet viel Grundlagenwissen darüber, wie Computer funktionieren und wie Spiele programmiert werden können. Dabei werden 2 Programmiersprachen besonders intensiv behandelt. Webentwicklung kam dabei für meinen Geschmack zu kurz, zumal das mein Grund war, das Buch zu lesen.
Die Illustrationen und die Aufmachung insgesamt waren ziemlich kindlich, was die Alterseinstufung von 12 Jahren absolut unterstreicht – aber die Empfehlung des Verlags, dass das Buch auch für Studierende geeignet sei, passt dadurch nicht mehr so gut. Ab und zu fand ich die knallbunte Darstellung mit verschiedenen Farben, verschiedenen Schriftarten und die ganzen kleinen Zeichnungen zu überladen und unübersichtlich. Der angestrengte Versuch, die Zielgruppe abzuholen, geht meiner Meinung nach zum Teil nach hinten los.
Insgesamt finde ich das Buch für ältere Kinder und junge Teenager, die sich erstmals mit dem Thema Informatik beschäftigen, gut geeignet – sofern sie mit Scratch oder Python programmieren wollen. Für mich waren die meisten Teile des Buches absolut überflüssig und der Teil, der die für mich interessanten Themen enthielt, vergleichsweise sehr kurz.
Memo an mich selbst: das nächste Mal suche ich ein Buch aus, das spezieller auf mein Thema zugeschnitten ist und kein Standardwerk für Anfänger*innen.